JudikaturOGH

2Ob38/25i – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juli 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Zanger Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach P*, vertreten durch M* als gemäß § 173 AußStrG bestellter Verlassenschaftskurator, dieser vertreten durch Christian Rabl Rechtsanwalts GmbH in Wien, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. J*, vertreten durch Mag. Heinz Heher, Rechtsanwalt in Wien, und 2. D*, vertreten durch Hon. Prof. Dr. Elisabeth Scheuba, Rechtsanwältin in Wien, wegen Herausgabe, Einräumung eines Wohnrechts und Einwilligung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. November 2024, GZ 13 R 22/24m 87, womit in Folge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 5. Dezember 2023, GZ 9 Cg 7/20w 80, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig,

a) der beklagten Partei und dem Erstnebenintervenienten die mit jeweils 5.118,54 EUR (darin enthalten 853,09 EUR USt) und

b) der Zweitnebenintervenientin die mit 5.117,94 EUR (darin enthalten 852,99 EUR USt)

bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist die Witwe, die Nebenintervenienten auf Seiten der durch einen Verlassenschaftskurator vertretenen beklagten Verlassenschaft sind zwei (der vier) Kinder des 2017 verstorbenen Erblassers. Das Verlassenschaftsverfahren, in dem die Klägerin und die beiden Nebenintervenienten (widerstreitende) Erbantrittserklärungen aufgrund einer (im Hinblick auf die zugedachten Quoten auslegungsbedürftigen) letztwilligen Verfügung aus 2008 abgegeben haben, ist nach wie vor anhängig.

[2] Die seit 2013 mit dem Erblasser verheiratet gewesene Klägerin führte mit diesem bis zu seinem Tod einen gemeinsamen Haushalt in dessen Eigentumswohnung. Der Erblasser war ein „in der Szene“ bekannter österreichischer Kunstkenner und -sammler, wobei seine Sammelschwerpunkte zuletzt vorwiegend im Bereich der Kunst um 1900 und der neueren österreichischen Kunst lagen. Er übte das „Hobby“ des Kunstsammelns bis zu seinem Tod mit einer großen Leidenschaft aus. Er erwarb nicht nur Objekte, die er aus persönlichen Gründen ansprechend fand, sondern auch solche, von denen er wusste, dass es dafür Abnehmer geben würde. So konnte er mit An- und Verkäufen Gewinne erzielen, um weitere Objekte für seine Sammlung erwerben zu können. Er behielt stets den Marktwert seiner gesammelten Werke im Blick und scheute nicht davor zurück, auch größere Teile seiner Sammlung zu veräußern, um Gewinne zu lukrieren. Dank seines Verhandlungsgeschicks konnte er die für ihn bestmöglichen Geschäfte abschließen. Die konkrete Entscheidung, welche Werke er zu welchem Preis ver- oder ankaufte, traf stets der Erblasser selbst. Es ging ihm immer darum, seine Sammlung zu vergrößern und vor allem bekannter zu machen, um damit auch deren Wert zu steigern. Er nutzte jede Gelegenheit, um sich oder seine gesammelten Werke einem Publikum zu präsentieren. So verlieh er immer wieder Werke der von ihm selbst so genannten „Sammlung S*“ an Museen, gab sie für Messen in Kommission oder stellte sie für Kunstauktionen zur Verfügung. Teilweise legte er seine Stellung als Eigentümer bewusst nicht offen, um den Marktwert seiner Kunstgegenstände gezielt beeinflussen zu können.

[3] In der Ehewohnung waren sämtliche Wände mit Bildern behangen. So hingen zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers mehr als 50 Bilder im Wohnzimmer und rund 80 Bilder im Vorzimmer. Mehr als 70 Gemälde( konvolute) befanden sich „nicht sichtbar“ auf drei Stellagen oder in Schränken und Laden in der Wohnung.

[4] Der Erblasser lud regelmäßig Kenner der Wiener Kunstszene zu Vernissagen in seine Wohnung ein, um seine erworbenen Kunstgegenstände zu präsentieren und sich auszutauschen. Er sprach Kunstliebhaber bei von ihm vermutetem Interesse für ein Kunstwerk auch gezielt an, lud sie zur Besichtigung ein und bot dann das Kunstwerk zum Verkauf an. Weil der Erblasser in seiner Wohnung nicht ausreichend Platz für seine gesammelten Werke fand, mietete er im Lauf der Zeit mehrere Lager an. Es kam immer wieder vor, dass er Gegenstände aus der Wohnung mit Werken aus den Lagern tauschte. Für die in der Wohnung abgehaltenen Vernissagen tauschte er teilweise auch Kunstwerke innerhalb der Wohnung aus.

[5] Da es dem Erblasser ein Anliegen war, die Herkunft und Bedeutung seiner gesammelten Werke auch mittels schriftlicher Dokumentationen belegen zu können, sammelte er zu den Werken passende Kunstzeitschriften, Kunst- und Ausstellungskataloge sowie Künstlermonographien und Werkverzeichnisse in seiner Bibliothek, die sich ebenfalls in der Ehewohnung befand. Die Bibliothek umfasste auch Autographen, Plakate und Partezettel, die in Zusammenhang mit den gesammelten Objekten standen.

[6] In der Wohnung waren auch die Tische, Fenstersimse und Regale voll gestellt mit gesammelten Kunstgegenständen, die der Erblasser und die Klägerin „im geringen Umfang teilweise auch als Gebrauchsgegenstände“ verwendeten, was etwa auf Lampen, Tische und Vasen zutraf. Spezielle Gläser und „bestimmtes Besteck“ fanden bei Einladungen von „ausgewählten Gästen“ Verwendung.

[7] Die Klägerinbegehrte gestützt auf das gesetzliche Vorausvermächtnis nach § 745 Abs 1 ABGB die Herausgabe von Wohnungsinventar, die Einräumung eines obligatorischen lebenslangen Wohnrechts und die Einwilligung in die Übertragung eines PKW. Das Wohnungsinventar bestehe aus näher bezeichneten Gegenständen der bildenden Kunst (Beilage ./A), Gegenständen der angewandten Kunst (Beilage ./B), einer Bibliothek (Beilage ./C) und den „übrigen Einrichtungsgegenständen“ (Beilage ./D). Soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz brachte sie vor, dass alle Gegenstände, deren Herausgabe begehrt werde, zum ehelichen Haushalt gehört hätten und zum privaten Gebrauch und Kunstgenuss angeschafft worden seien. Es habe keine berufliche Nutzung gegeben, die Sammlertätigkeit habe nicht der Erzielung von Einkünften gedient. Die Sachen dienten der täglichen Lebensführung und der Dekoration der Ehewohnung, nicht aber der Wertanlage. Auch wertvolle oder gar luxuriöse Haushaltsgegenstände seien von § 745 Abs 1 ABGB umfasst. Jeder Kunstgegenstand habe seinen eigenen besonderen Platz gehabt. Nur zum Tausch gedachte Kunstgegenstände seien in den Lagern gewesen.

[8] Die Beklagte wendete – soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz – ein, dass die Kunstsammlung die wesentliche Wertanlage des Erblassers dargestellt habe und der Gebrauch für die Wohnung dabei zurücktrete, sodass sie zur Fortführung des Haushalts nicht erforderlich sei. Die Kunstsammlung und die Bibliothek diene keinen Haushaltszwecken. Der Erblasser habe zumindest teilweise vom An- und Verkauf von Kunstwerken gelebt. Die Kunstgegenstände seien im Sinn eines beweglichen Systems nicht ständig in der Wohnung gewesen, sondern immer wieder ausgetauscht worden.

[9] Die beiden Nebenintervenienten schlossen sich – soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz – dem Vorbringen der Beklagten an.

[10] Das Erstgericht gab den Begehren auf Herausgabe der „übrigen Einrichtungsgegenstände“ (Beilage ./D), auf Einräumung eines obligatorischen lebenslangen Wohnrechts und auf Einwilligung in die Übertragung eines PKW rechtskräftig statt. Das weitere Begehren auf Herausgabe von Gegenständen der bildenden Kunst (Beilage ./A), Gegenständen der angewandten Kunst (Beilage ./B) und einer Bibliothek (Beilage ./C) wies es ab. Bei der Sammeltätigkeit des Erblassers seien monetäre Aspekte im Vordergrund gestanden. Auch wenn immer wieder ein Dekorationszweck von Kunstwerken vorgelegen habe, sei ein Überwiegen als Wertanlage anzunehmen. Die nur auf gesammelte Kunstwerke bezogene Bibliothek sei als Teil der Sammlung anzusehen. Insgesamt sei damit in diesem Umfang keine Erforderlichkeit für die Fortführung des Haushalts gegeben.

[11] Das nur von der Klägerin angerufene Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil die Abweisung des Begehrens auf Herausgabe von Gegenständen der bildenden Kunst (Beilage ./A) und einer Bibliothek (Beilage ./C). Im Umfang des Begehrens auf Herausgabe von Gegenständen der angewandten Kunst (Beilage ./B) hob es das Ersturteil auf.

[12]Normzweck des § 745 Abs 1 ABGB sei es, dem Ehegatten die Beibehaltung der bisherigen Lebensverhältnisse durch Erhaltung der ihm vertrauten Sachen des Haushalts zu sichern. Nicht vom Vorausvermächtnis umfasst seien Sachen, die der Berufsausübung des Erblassers dienten oder überwiegend als Wertanlage angeschafft worden seien, sodass der Gebrauch für die Wohnung zurücktrete. Bei einer Kunstsammlung stehe die Sammlung als solche und nicht die klassische Dekoration der Wohnung im Vordergrund. Die in der Wohnung befindlichen Kunstgegenstände hätten nach den Feststellungen keinen Dekorationszwecken gedient. Vielmehr sei es dem Erblasser ein persönliches, wirtschaftliches Interesse gewesen, seine Sammlung zu etablieren und im Wert zu steigern. Die Ehewohnung habe vor diesem Hintergrund letztlich nur als Lager für die Kunstwerke gedient. Kunstsammlung und Bibliothek seien damit wegen des überwiegenden Charakters als Wertanlage nicht als erforderlich zur Fortführung des Haushalts anzusehen. Da die Kunstwerke der bildenden Kunst (Beilage ./A) nach den Feststellungen nicht bestimmungsgemäß verwendet worden und eindeutig den persönlichen und beruflichen Interessen des Erblassers zuzuordnen seien, sei das darauf gerichtete Herausgabebegehren abzuweisen. Die Fachbibliothek des Erblassers (Beilage ./C) sei ebenfalls eindeutig den persönlichen und beruflichen Interessen des Erblassers zuzuordnen, weil sie nach den Feststellungen (nur) der Wertsteigerung der Kunstsammlung gedient habe.

[13] Im Hinblick auf die Gegenstände der angewandten Kunst (Beilage ./B) sei jedoch nach den Feststellungen unklar geblieben, welche konkreten Gegenstände bestimmungsgemäß genutzt worden seien, sodass eine Aufhebung des Ersturteils in diesem Umfang erforderlich sei.

[14] Das Berufungsgericht ließ die Revision gegen das Teilurteil und den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss mit der Begründung zu, dass Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine Kunstsammlung vom Vorausvermächtnis umfasst sei. Gleiches gelte für die Frage, ob das Vorausvermächtnis dem überlebenden Ehegatten volles Eigentum oder lediglich die Befugnisse eines Fruchtnießers verschaffe.

[15] (Erkennbar nur) Gegen das Teilurteil im klagsabweisenden Umfang richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn vollständiger Stattgebung der Klage abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[16] Die Beklagte und die beiden Nebenintervenienten beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, der Revision nicht Folge zu geben.

[17] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig , aber nicht berechtigt .

Rechtliche Beurteilung

[18]Die Klägerin argumentiert, dass es entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht nicht auf den monetären Wert der Kunstgegenstände ankomme. Da in der Ehewohnung alle Wände mit Bildern behangen seien und auch die Tische, Fenstersimse und Regale mit Kunstwerken geschmückt seien, die die Klägerin als Gebrauchsgegenstände nütze, seien die Kunstwerke vom Vorausvermächtnis umfasst. Jeder Kunstgegenstand habe seinen eigenen Platz gehabt. Dekorationssachen prägten den gemeinsamen Lebensbereich und seien damit Teil des Vorausvermächtnisses. Seien Kunstgegenstände gut sichtbar ausgestellt, sei deren Erforderlichkeit zur Fortsetzung bisheriger Lebensführung auch bei großem Wert zu bejahen. Die Bibliothek, die nicht ausschließlich beruflichen Zwecken gedient habe, sei ebenfalls von § 745 Abs 1 ABGB umfasst. § 745 Abs 1 ABGB begründe ohne Zweifel ein Eigentumsrecht an den zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen.

[19] 1. Vorweg ist zu prüfen, in welchem Umfang die Klägerin die Entscheidung des Berufungsgerichts bekämpft.

[20] 1.1. Für die Prüfung des Umfangs der Anfechtung kommt dem Rechtsmittelantrag und den Rechtsmittelgründen auch dann Bedeutung zu, wenn im Rechtsmittel zwar eine Anfechtungserklärung enthalten ist, diese aber mit dem Rechtsmittelantrag und den Rechtsmittelgründen nicht im Einklang steht. Bei Divergenzen zwischen Anfechtungs-erklärung und Anfechtungsantrag ist grundsätzlich der Rechtsmittelantrag maßgeblich (RS0043624 [insb T1]). Wenn sich daraus nach den für den Eintritt einer Teilrechtskraft maßgeblichen objektiven Auslegungskriterien (RS0036653) nicht zweifelsfrei ergibt, dass die Entscheidung nur zum Teil bzw in welchem Ausmaß sie angefochten wird, dann gilt sie als zur Gänze angefochten (10 Ob 30/18m [Punkte 1.1. bis 1.4.] mwN).

[21] 1.2. Im vorliegenden Fall enthält das ausdrücklich als Revision bezeichnete Rechtsmittel keine Anfechtungserklärung, der angeführte Streitwert bezieht sich auf das gesamte Klagebegehren (einschließlich des bereits in erster Instanz rechtskräftig erledigten Teils). Nach dem Rechtsmittelantrag soll der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht der Revision Folge geben und das angefochtene Urteil dahin abändern, dass den Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben wird. Die inhaltlichen A usführungen lassen keinen nachvollziehbaren Bezug zum Begehren auf Herausgabe von Gegenständen der angewandten Kunst (Beilage ./B) erkennen.

[22] 1.3. Bei verständiger Würdigung des Gesamtinhalts des Rechtsmittels wird daher nur das Teilurteil des Berufungsgerichts im klagsabweisenden Umfang (und nicht auch der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts) angefochten.

[23] 1.4. Die weitere Entscheidung hat sich damit auf die Begehren auf Herausgabe von Gegenständen der bildenden Kunst (Beilage ./A) – worunter die Klägerin ausschließlich Gemälde und (größere) Skulpturen versteht – und einer Bibliothek (Beilage ./C) zu beschränken. Ausführungen zum (vom nicht angefochtenen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts umfassten) Begehren auf Herausgabe von Gegenständen der angewandten Kunst (Beilage ./B) – worunter die Klägerin (unter anderem) Möbel, Vasen, Lampen, aber auch Besteck oder Geschirr versteht – haben zu unterbleiben. Der Senat legt in weiterer Folge die von der Klägerin selbst – allenfalls entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch – gewählte Differenzierung zwischen „Gegenständen der bildenden Kunst“ und „Gegenständen der angewandten Kunst“ zu Grunde.

[24]2. Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Letztlich versucht die Klägerin unter diesem Revisionsgrund die Beweiswürdigung des Erstgerichts und die von diesem getroffenen Feststellungen zu bekämpfen, was im Revisionsverfahren unzulässig ist.

[25]3. Der im Anlassfall nach § 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB anzuwendende § 745 Abs 1 ABGB idF ErbRÄG 2015 lautet:

„Sofern der Ehegatte oder eingetragene Partner nicht rechtmäßig enterbt worden ist, gebühren ihm als gesetzliches Vorausvermächtnis das Recht, in der Ehe- oder Partnerschaftswohnung weiter zu wohnen, und die zum ehelichen oder partnerschaftlichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind.“

[26]3.1. Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten fand (erst) mit der I. Teilnovelle als § 758 Eingang in das ABGB, wobei einerseits die Bestimmung des § 1932 dBGB, andererseits auch das ältere Recht verschiedener österreichischer Gebiete als Vorbild diente. Die gesetzliche Regelung differenzierte zwischen dem „großen Voraus“, der „die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen“ umfasste, und dem „kleinen Voraus“, der bei Vorhandensein von (nach damaliger Sichtweise nur ehelichen) Kindern des Erblassers zustand und den Umfang des Vorausvermächtnisses auf das für den eigenen Bedarf des Ehegatten Nötige beschränkte (vgl Weiß in Klang² III 777 ff; Christandlin Klang³ § 745 ABGB Rz 5 ff; Zankl , Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten [1996] 101).

[27] Eine Gesetzesnovelle im Jahr 1978 hielt die Differenzierung zwischen großem und kleinem Voraus aufrecht, änderte jedoch den Wortlaut der Bestimmung. So wurde (unter anderem) der Wortfolge „beweglichen Sachen“ der Klammerausdruck „(Hausrat)“ beigefügt. Außerdem wurde die Wortfolge „das für seinen eigenen Bedarf Nötige“ durch den nach „eigenen“ erfolgten Einschub „seinen bisherigen Lebensverhältnissen angemessenen“ ergänzt.

[28]3.2. Im Jahr 1989 unterzog der Gesetzgeber § 758 ABGB einer grundlegenden Revision, indem er einerseits die Differenzierung zwischen großem und kleinem Voraus beseitigte und andererseits das Recht des Ehegatten, in der Ehewohnung weiter zu wohnen, als Teil des Vorausvermächtnisses verankerte. Die Bestimmung lautete im hier interessierenden Umfang wie folgt:

„Sofern der Ehegatte nicht rechtmäßig enterbt worden ist, gebühren ihm als gesetzliches Vorausvermächtnis das Recht, […] die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind.“

[29] Nach den Gesetzesmaterialien zum ErbRÄG 1989 (AB 1158 BlgNR 17. GP 3 und 5) sollte die Ausdehnung des gesetzlichen Vorausvermächtnisses auf das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen, den Gedanken fortführen, dass nach dem Tod eines Ehegatten dem anderen die gewohnte Umgebung erhalten bleiben soll. Zu den – hier interessierenden – zum ehelichen Haushalt gehörenden Sachen führen die Materialien aus (AB 1158 BlgNR 17. GP 5 f):

„Hinsichtlich der zum ehelichen Haushalt gehörenden Sachen soll dem überlebenden Ehegatten als Vorausvermächtnis jedenfalls all das verbleiben, was er zur Fortführung des Haushalts im bisherigen Rahmen braucht. Dazu zählen vornehmlich die im § 674 erwähnten Fahrnisse, darüber hinaus aber auch solche, die zur Beibehaltung der bisherigen Lebensverhältnisse dienen, wie etwa stets zur Wohnungsausstattung gehörende Teppiche oder Bilder, Rundfunk- oder Fernsehgeräte. Nicht auf jeden Fall miteinzubeziehen sein wird etwa eine Fachbibliothek des Erblassers oder ein ihm gehörendes, weniger zur Ausschmückung der Wohnung dienendes als vielmehr eine Wertanlage darstellendes Gemälde.“

[30]Die in den Materialien erwähnte Bestimmung des § 674 ABGB aF lautete unter der Überschrift „der Mobilien; des Hausrates“ auszugsweise wie folgt:

„Unter Mobilien (Meublen) werden nur die zum anständigen Gebrauche der Wohnung; unter Hausrat oder Einrichtung zugleich die zur Führung der Haushaltung erforderlichen Gerätschaften verstanden.“

[31]3.3. Der Gesetzgeber des ErbRÄG 2015 wollte am gesetzlichen Vorausvermächtnis des Ehegatten – abgesehen von einer Erweiterung des Tatbestands des (nunmehr) § 745 Abs 1 ABGB um den eingetragenen Partner – inhaltlich nichts ändern (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 21).

[32] 4. Judikatur zur Frage, welche zum Haushalt gehörenden beweglichen Sachen Gegenstand des Vorausvermächtnisses sind, liegt – soweit ersichtlich – nur in geringem Umfang vor.

[33]In der Entscheidung 1 Ob 393/52 EvBl 1952/260 verwies der Oberste Gerichtshof (zu § 758 ABGB in der Fassung der I. Teilnovelle zum ABGB) darauf, dass das Vorausvermächtnis nicht nur den Hausrat iSd § 674 ABGB umfasse. Es komme nicht auf die Notwendigkeit des Gegenstands an, vielmehr genüge es, wenn er tatsächlich im Haushalt vorhanden sei. Da der Haushalt der Befriedigung der grundlegenden menschlichen Bedürfnisse des Ehegatten – besonders der Unterkunft und der Verpflegung – diene, sei alles, was dazu gehöre, Gegenstand des Vorausvermächtnisses. Es komme weder auf das Ausmaß des Gebrauches noch auf den Wert der Sache, den Grund der Anschaffung oder den durch äußere Umstände erzwungenen vorübergehenden Lebensstandard des Ehegatten an. Maßgebend sei nur, dass die Sache irgendwie den Haushaltszwecken dienen habe können, möge dies bei Möbeln auch nur in untergeordneter Verwendung geschehen. Der Bestimmung des § 758 ABGB liege die Erwägung zu Grunde, dass nach dem Tod des anderen Ehegatten der bisherige tatsächliche Zustand des Haushalts unverändert bleiben solle, was dem zu schonenden Pietätsgefühl des überlebenden Ehegatten entspreche. Auf dieser Grundlage bejahte der Oberste Gerichtshof die Zugehörigkeit eines Tabernakelkastens, in dem nur zeitweilig Fensterschützer und Flickenflecken verwahrt wurden, zum Vorausvermächtnis.

[34] 5. Eine bewegliche Sache ist nach der Lehre nur dann vom Vorausvermächtnis umfasst, wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind ( Weilinger , Zum Problem der Bewertung von Kunstsammlungen im Familien- und Erbrecht, in FS Fischer-Czermak [2024], 895 [899]; vgl Christandl in Klang 3§ 745 ABGB Rz 72 ff), nämlich einerseits die Zugehörigkeit zum Haushalt und andererseits die Erforderlichkeit der Sache zur Fortführung des Haushalts entsprechend der bisherigen Lebensverhältnisse.

[35] 5.1. Die – soweit ersichtlich einhellige – Literatur geht bei Beurteilung der Zugehörigkeit zum Haushalt großzügig vor.

[36] Eine regelmäßige Benützung soll nicht notwendig sein, vielmehr soll es genügen, dass der überlebende Ehegatte zum betreffenden Gegenstand „irgendeinen, wenn auch nur mittelbaren Bezug“ hatte und der Gegenstand folglich „irgendwie Haushaltszwecken gedient“ hat. Der Gegenstand muss zum gemeinsamen Lebensbereich gehört haben, mag er auch – wie etwa das Klavier des Freizeitmusikers – tatsächlich nur vom Verstorbenen genutzt worden sein ( Christandlin Klang³ § 745 ABGB Rz 72 mwN; ähnlich auch Welser, Erbrechts-Kommentar § 745 ABGB Rz 9).

[37] Als Beispiele für typischerweise zum Haushalt gehörende Sachen sieht die überwiegende Literatur – in teilweiser Wiedergabe der Gesetzesmaterialien zum ErbRÄG 1989 (siehe Punkt 3.2. oben) – Möbel, Geschirr, Bilder, Teppiche sowie Rundfunk- oder Fernsehgeräte, aber auch Bett- und Tischwäsche, Bücher und sonstige Wohnungsausstattung an. Keine Haushaltsgegenstände seien aber Sachen des persönlichen Gebrauchs des Erblassers (etwa Schmuck oder Uhren). Auch Sachen, die primär der Berufsausübung des Erblassers dienten (etwa das Klavier eines Musikers oder die Fachbibliothek), seien nicht Teil des Vorausvermächtnisses, auch wenn sie sich in der Wohnung befänden. Schließlich gehörten auch jene Gegenstände, die in erster Linie die Funktion der Wertanlage erfüllten, nicht zu den Haushaltsgegenständen, was etwa auf besondere Kunstgegenstände zutreffe ( Christandlin Klang³ § 745 ABGB Rz 77 f mwN; ähnlich auch Nemeth in Schwimann/Kodek 5§ 745 ABGB Rz 23 f).

[38] Kralik (Erbrecht³ 247 f) geht hingegen davon aus, dass Sachen, die der Berufsausübung des Erblassers dienten, nicht schlechthin ausgeschlossen seien, wenn sie in Wohnung und Haushalt (sichtbar) integriert gewesen seien.

[39] 5.2. Die Beurteilung der Frage, ob eine bewegliche Sache zur Fortführung des Haushalts im bisherigen Rahmen – also entsprechend des bisherigen Lebensstils – erforderlich ist, hat sich an der konkreten Gestaltung des ehelichen Haushalts – und nicht objektiver Notwendigkeit – zu orientieren, erforderlich ist aber ein zumindest mittelbarer Bezug des überlebenden Ehegatten zu den Sachen ( Zankl , Vorausvermächtnis 263 f).

[40] Nach Christandl(in Klang³ § 745 ABGB Rz 76) kann die Abgrenzung vor allem dann Schwierigkeiten bereiten, wenn es sich um Gegenstände erheblichen Werts handelt, die sowohl als Geldanlage als auch der Ausschmückung des Haushalts dienen, was etwa bei Kunstgegenständen, Antiquitäten und Designermöbeln oder wertvollem Besteck und Porzellan der Fall sein kann. Als kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung sieht Christandl in diesem Zusammenhang an, ob diese Gegenstände in Kästen oder Schubladen versperrt bzw verwahrt oder sichtbar platziert werden, weil es auf eine regelmäßige Nutzung nicht ankomme. Diese Aussage steht in einem Spannungsverhältnis zu Kralik (Erbrecht³ 248), der es als potenziell maßgeblich ansieht, ob die Sachen in verschlossenen Schränken verwahrt werden und damit – ohne das Bild des Lebensraumes zu verändern – entfernt werden könnten.

[41] Zankl (Vorausvermächtnis 264) geht davon aus, dass die Erforderlichkeit für die Haushaltsführung gewöhnlich in jenen Fällen fehlen werde, in denen die Sachen persönlichen oder beruflichen Zwecken des Erblassers dienten. Allerdings könnten die subjektiven Lebensverhältnisse Ausnahmen erforderlich machen.

[42] Im Hinblick auf wertvolle Haushaltssachen (Anlageobjekte) führt Zankl (Vorausvermächtnis 266 ff) aus, dass auch bei Anlageobjekten nur darauf abgestellt werden könne, ob sie im ehelichen Haushalt eine über die bloße Vermögensbindung hinausgehende Funktion hätten, also – wenn auch nur in untergeordneter Bedeutung – Haushaltszwecken dienten. Würden etwa Bilder im Tresor oder in einem eigenen Raum verwahrt, sei dies nicht der Fall. Hingegen werde die funktionelle Integration – und damit die Zugehörigkeit zum Vorausvermächtnis – eines wertvollen antiken Möbelstücks wohl zu bejahen sein. Auch Gemälde oder sonstige Kunstgegenstände könnten entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen „erforderlich“ sein, wenn sie in die Ehewohnung integriert seien und so wie andere (weniger wertvolle) Sachen ihrer Dekoration dienten.

[43] Schauer (in Deixler-Hübner , Handbuch Familienrecht³ 855) geht davon aus, dass Kunstgegenstände zumeist vom Vorausvermächtnis umfasst sein würden, sofern sie nicht lediglich den Charakter einer Wertanlage hätten, also etwa in einem Safe aufbewahrt würden.

[44]5.3. In der deutschen Literatur wird zur (als teilweises Vorbild des § 758 ABGB aF anzusehenden [vgl oben Punkt 3.1.]) Bestimmung des § 1932 dBGB („die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände“) im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht in der österreichischen Literatur vertreten, dass Gegenstände, die beruflichen Zwecken eines Ehegatten dienten oder die ein Ehegatte für ein spezielles Hobby oder für persönliche wissenschaftliche und künstlerische Zwecke verwendete oder die nach der Verkehrsauffassung spezifisch persönlichen Zwecken dienten, nicht als dem Haushalt zugehörig zu qualifizieren seien. Anderes gelte aber dann, wenn solche Sachen in der konkreten ehelichen Gestaltung gemeinsam benutzt worden seien. Auf den Wert der Gegenstände komme es grundsätzlich nicht an, anderes gelte aber, wenn Gegenstände den Charakter einer Kunstsammlung des einen Ehegatten annehmen würden ( Leupold in MüKoBGB 9 § 1932 Rz 11).

[45] 5.4. Nach Einleitung des vorliegenden Rechtsstreits haben sich zwei österreichische Autoren näher mit der Frage befasst, ob Kunstsammlungen Teil des Vorausvermächtnisses sein können.

[46] 5.4.1. Miernicki(Wann gehören Kunstgegenstände zum gesetzlichen Vorausvermächtnis gem § 745 ABGB? [Teil I], EF-Z 2023/4) argumentiert, dass in der Wohnung befindliche Kunstgegenstände und -sammlungen – außer im Fall bloßer Lagerung etwa am Dachboden – grundsätzlich zum Haushalt gehörten, aber dann nicht zur Fortführung des Haushalts erforderlich seien, wenn der Zweck als Wertanlage den Haushaltszweck klar überwiege. Bei Kunstsammlungen sei für die Frage der Haushaltszugehörigkeit ausschlaggebend, ob die Sammlung (zumindest) Dekorationszwecken diene. Werde die Kunstsammlung in einem separaten Raum lediglich gelagert, sei Haushaltszugehörigkeit vor diesem Hintergrund zu verneinen. Das regelmäßige Austauschen der an den Wänden hängenden Bilder in kunstaffinen Haushalten könne – solange die Bilder nicht endgültig abgehängt und gelagert würden – die Haushaltszugehörigkeit nicht hindern, weil regelmäßige Nutzung nicht erforderlich sei.

[47] Grundsätzlich seien bloße Dekorationszwecke ausreichend, um die Erforderlichkeit zu bejahen. Allerdings führe es zu weit, jeden auch nur untergeordneten (Dekorations )Zweck zur Bejahung der Erforderlichkeit und damit für die Zugehörigkeit zum Vorausvermächtnis ausreichen zu lassen. Befinde sich in einer Wohnung etwa eine Vielzahl an Bildern, sei es denkbar, dass nicht jedes von diesen zur Fortführung des Haushalts erforderlich sei, wenn nämlich – in Anlehnung an Welser(etwa in Erbrechts-Kommentar § 745 ABGB Rz 8) – der Entzug einzelner Sachen die Lebensverhältnisse insgesamt nicht berühre. Helfen könne je nach Lage der Umstände auch das Verhältnis der Verwendungszwecke der Kunstgegenstände: Sei der Dekorationszweck im Vergleich zum Anlagezweck (oder einem anderen Zweck) klar untergeordnet, werde man die Erforderlichkeit dieses Kunstgegenstands verneinen müssen. Seien Kunstgegenstände in der Ehewohnung gut sichtbar ausgestellt, werde man deren Erforderlichkeit auch bei großem Wert (selbst wenn es sich um eine „Kunstsammlung“ handle) grundsätzlich bejahen müssen, weil in einem solchen Fall in der Regel kein klares Überwiegen eines Anlagezwecks vorliegen werde. Würden Kunstgegenstände hingegen in Mappen oder abgetrennten bzw nicht gemeinsam genutzten Räumen gelagert und nur gelegentlich für kurze Zeit hervorgeholt – etwa, um sie Besuchern zu zeigen, womit sie zumindest im weitesten Sinn dem gemeinsamen Haushalt dienten –, werde es hingegen an der Erforderlichkeit fehlen. Dabei könne es auch eine Rolle spielen, ob sich die Kunstgegenstände nur temporär in der Wohnung befunden hätten und sonst anderenorts gelagert oder ausgestellt worden seien.

[48] 5.4.2. Weilinger (in FS Fischer-Czermak 899 f) führt aus, dass Kunstsammlungen regelmäßig nicht zum Vorausvermächtnis zählten, weil beim Sammeln von Kunst der Anlagecharakter gegenüber dem Dekorationscharakter in der Regel überwiege. Selbst wenn sich Teile der Sammlung in den zentralen (also regelmäßig genutzten) Wohnräumen der Eheleute befänden, stehe die Kunstsammlung als solche und nicht die klassische Dekoration der Wohnung im Vordergrund. Ausnahmen könne und werde es immer geben. Wenn etwa zur Kunstsammlung auch Möbel gehörten, die tatsächlich im täglichen Leben genutzt würden, würden diese Teil des Vorausvermächtnisses. Anderes gelte bei Einrichtungsgegenständen, die nicht benutzt würden.

6. Stellungnahme des Senats

[49] 6.1. Das an den zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen bestehende Vorausvermächtnis soll dem überlebenden Ehegatten unter Berücksichtigung des Wortlauts der Bestimmung und der Gesetzesmaterialien (zum ErbRÄG 1989) den grundsätzlichen Erhalt der gewohnten Umgebung sichern, dient also im Ergebnis der Fortschreibung der bisherigen Lebensverhältnisse nach einem subjektiven Maßstab (vgl 6 Ob 13/02h zum Anspruch auf Wohnversorgung). Vor diesem Hintergrund überzeugt die bereits in der Entscheidung 1 Ob 393/52 vertretene und auch von der Lehre gebilligte Rechtsansicht, dass weder ein bestimmtes Mindestmaß des Gebrauchs haushaltszugehöriger Sachen noch der – aufgrund der maßgeblichen subjektiven Verhältnisse in einer großen Bandbreite denkbare – Wert der Sachen entscheidende Kriterien für die Bestimmung des Umfangs des Vorausvermächtnisses sind.

[50]Zu beachten ist allerdings, dass § 745 Abs 1 ABGB zwei kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen normiert, um eine Sache dem Vorausvermächtnis zuordnen zu können. Einerseits die Zugehörigkeit zum ehelichen Haushalt, andererseits die Erforderlichkeit der Sache zur Fortführung des ehelichen Haushalts entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen. Aufgrund dieser doppelten Bezugnahme auf den ehelichen Haushalt – also die Wohnumgebung des Ehepaars – überzeugt die herrschende Lehrmeinung, dass Sachen des persönlichen Gebrauchs des Erblassers und Sachen, die primär der Berufsausübung des Erblassers dienen, unabhängig davon, ob sie sich physisch im ehelichen Haushalt befinden, nicht Teil des Vorausvermächtnisses sind. Da es typischerweise an einem hinreichenden Bezug zum ehelichen Haushalt fehlt, sind auch Gegenstände, die in erster Linie die Funktion einer Wertanlage erfüllen, regelmäßig nicht Teil des Vorausvermächtnisses.

[51] 6.2. Besondere Schwierigkeiten bereitet die im Anlassfall zu klärende Frage, ob Kunstgegenstände Teil des Vorausvermächtnisses sind.

[52] Auf der einen Seite ist zu berücksichtigen, dass (auch wertvolle) Kunstgegenstände der Dekoration oder dem Gebrauch dienen können, was allerdings im Hinblick auf eine (im Zusammenhang mit Bildern und Statuen [Beilage ./A] allein vorstellbare) Dekorationsfunktion grundsätzlich die Sichtbarkeit dieser Kunstgegenstände voraussetzt. Im Fall von deren ausschließlicher Lagerung in der Ehewohnung (etwa in einem Tresor oder Schrank) erfüllten diese Kunstwerke hingegen nicht einmal eine Dekorationsfunktion, sodass mangels eines zumindest mittelbaren Bezugs des überlebenden Ehegatten zu derart gelagerten Sachen schon die Zugehörigkeit zum ehelichen Haushalt zu verneinen wäre.

[53] Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass bei der Veranlagung in Kunstgegenstände die Funktion als Wertanlage so weit in den Vordergrund treten kann, dass nicht mehr von der Zugehörigkeit zum ehelichen Haushalt ausgegangen werden kann, auch wenn den Werken der bildenden Kunst (Beilage ./A) eine Dekorationsfunktion zukommt. Die Gesetzesmaterialien zum ErbRÄG 1989 stellen im Zusammenhang mit Gemälden als Wertanlagen ebenfalls letztlich auf das (deutliche) Überwiegen der Veranlagungsfunktion ab und lassen eine insoweit in den Hintergrund tretende Dekorationsfunktion für eine Zugehörigkeit zum Voraus nicht ausreichen.

[54] Dass Kunstgegenstände Teil einer (umfangreichen) vom Erblasser selbst angelegten Sammlung sind, kann ebenfalls Berücksichtigung finden, weil insoweit eine Parallele zu Sachen des persönlichen Gebrauchs des Erblassers nahe liegt.

[55] Letztlich wird sich aber immer nur anhand der Umstände des Einzelfalls beantworten lassen, ob wertvolle Kunstgegenstände Teil des Vorausvermächtnisses sind.

6.3. Als Zwischenergebnis folgt:

[56]Kunstwerke, die nicht ohnehin als Werke der angewandten Kunst im Haushalt eine Gebrauchsfunktion erfüllten, können unter das Vorausvermächtnis nach § 745 Abs 1 ABGB fallen, wenn sie durch Aufhängen oder Aufstellen zur Dekoration der Ehewohnung dienten. Das gilt aber nicht, wenn im Einzelfall die Funktion als Wertanlage oder als Bestandteil einer Kunstsammlung so deutlich in den Vordergrund trat, dass die Dekorationsfunktion nur mehr ganz untergeordnete Bedeutung hatte.

[57] 6.4. Im Anlassfall steht fest, dass das Sammeln von Kunst das „Hobby“ und die Passion des Erblassers war, der dem monetären Wert der von ihm gesammelten Werke besondere Bedeutung zumaß. Auch die Bekanntheit seiner Sammlung war ihm wichtig. Viele Gegenstände bildender Kunst (Beilage ./A) waren zwar – ohne fixe Plätze zu haben – in der Wohnung sichtbar ausgestellt, andere waren aber in (mehreren) Lagern außerhalb der Wohnung oder nicht sichtbar in Laden und Schränken der Wohnung verwahrt. Der Erblasser veranstaltete regelmäßig Vernissagen in seiner Wohnung, aus deren Anlass er bei vermutetem Interesse der Eingeladenen gezielt bestimmte Werke ausstellte.

[58] Diese Feststellungen rücken die Sammlertätigkeit des Erblassers in die Nähe einer beruflichen Tätigkeit oder eines persönlichen Gebrauchs und machen deutlich, dass er kaufmännische Aspekte und seine eigene Bedeutung als Kunstkenner und sammler ganz deutlich in den Vordergrund stellte. Die Kunstsammlung war insoweit nicht Teil der gemeinsamen Lebensführung als Ehepaar. Die mit dem (allerdings nur für Teile der Kunstsammlung überhaupt zutreffenden) sichtbaren Zurschaustellen der Kunstwerke verbundene Dekorationsfunktion trat im hier zu beurteilenden Einzelfall hingegen so stark in den Hintergrund, dass die Zugehörigkeit der Gegenstände der bildenden Kunst zum Vorausvermächtnis insgesamt zu verneinen ist.

[59] Da die Bibliothek des Erblassers nach den Feststellungen nur der auf die Kunstsammlung bezogenen schriftlichen Dokumentation diente und damit im Ergebnis Teil der Sammlung war, teilt sie deren rechtliches Schicksal.

[60] 7. Ausgehend von diesem Zwischenergebnis ist die – vom Senat zuletzt in 2 Ob 111/24y Rz 14 und 16 (allerdings ohne nähere Auseinandersetzung mit gegenteiligen Literaturmeinungen) behandelte – Frage, ob der Ehegatte an den Haushaltsgegenständen in Anwendung allgemeiner Regeln des Vermächtnisrechts Eigentum erwirbt oder ihm (wie Gitschthaler, Die Haushaltssachen im gesetzlichen Vorausvermächtnis des überlebenden Ehegatten/eingetragenen Partners, EF-Z 2023/91, vertritt) in analoger Anwendung des § 613 ABGB nur eine einem Fruchtnießer vergleichbare Stellung zukommt, im Revisionsverfahren nicht präjudiziell und bedarf damit keiner weiteren Erörterung.

[61]8. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO ( RS0035972). Die Bemessungsgrundlage im Revisionsverfahren beträgt 1.545.746,87 EUR. Die Zweitnebenintervenientin hat nur einen gemäß § 23a RATG gebührenden Zuschlag von 2,10 EUR verzeichnet.