JudikaturOGH

11Os58/25a – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
01. Juli 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juli 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ebner als Schriftführerin in der Strafsache gegen A* B* wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 4. Februar 2025, GZ 46 Hv 78/24d 38.4, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* B* des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie vom 1. Dezember 2023 bis zum 30. August 2024 in W* und Wi* ihre Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch J* T* und H* T* am Vermögen geschädigt, indem sie die von den Genannten eingeräumte Zeichnungs- und Verfügungsberechtigung über deren im Urteil jeweils näher bezeichnetes Vermögenssparbuch und Pensionskonto entgegen der mündlichen Vereinbarung, die Gelder ausschließlich zur Sicherstellung des Lebensunterhalts und der Pflege der Genannten zu verwenden, dazu benutze, das Vermögenssparbuch durch Überweisung von 140.804,43 Euro auf das Pensionskonto nahezu zur Gänze zu leeren, danach Bargeld vom Pensionskonto in Höhe von 49.850 Euro zu beheben und weiters in 89 Transaktionen via Online-Banking 127.940 Euro vom Pensionskonto auf ihr im Urteil näher bezeichnetes Girokonto bei der R* Bank W* zu transferieren und anschließend einen Betrag von 72.383,38 Euro auf ihr weiteres im Urteil näher bezeichnetes Konto bei der E* Bank weiterzuleiten, wodurch sie einen 5.000 Euro übersteigenden Schaden von rund 85.000 Euro herbeiführte .

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.

[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden die nachangeführten Beweisanträge (ON 38.3 S 93 f) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen (ON 38.3 S 95):

[5] Die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich Bauabrechnung, Baukalkulation und Verdingungswesen zum Beweis dafür, dass weit über de n von der Staatsanwaltschaft angenommenen Betrag von 40.000 Euro hinaus Kosten für den Umbau aufgewendet werden mussten, ist schon deshalb zu Recht unterblieben, weil ein Sachverständigengutachten nur dann einzuholen ist, wenn Umstände vorgebracht werden, deren richtige Auswertung von Fachkenntnissen abhängt, die nicht jedes Mitglied des in der Schuldfrage (aus dem Blickwinkel der Z 11 erster Fall iVm Z 4: in der Sanktionsfrage) erkennenden Spruchkörpers besitzt (RIS Justiz RS0097283 [insbesondere T3]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 346). Soweit die Richter ein Beweisergebnis nach ihrer allgemeinen und fachlichen Bildung selbst beurteilen können, bedarf es eines Beweises durch Sachverständige nicht ( Hinterhofer , WK StPO § 126 Rz 5).

[6] Warum hier zur Beurteilung der gegenständlichen Frage ein – den Mitgliedern des Schöffengerichts abgehendes – Fachwissen erforderlich sein sollte, liegt nicht auf der Hand und wurde im Antrag nicht dargelegt (zur ausdrücklichen Bejahung der diesbezüglichen Beurteilungskompetenz durch den Schöffensenat siehe US 13).

[7] Der Antrag auf Vernehmung des M* B* als Zeugen zum Beweis dafür, dass seitens der Opfer mehrfach versucht worden sei, Kontakt mit der Angeklagten aufzunehmen, damit diese wieder als Pflegerin für die Opfer tätig werde, ließ keinen Bezug zu einem für die Schuld oder die Subsumtionsfrage erheblichen Umstand erkennen und war solcherart aus Z 4 unbeachtlich ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 321 und 327; vgl auch RIS Justiz RS0118 319 ).

[8] Gleiches gilt für die Anträge auf Vernehmung des * J* und des * G* als Zeugen zum Beweis dafür, dass diese als Physiotherapeut bzw als Pfleger von J* T* „bar“ entlohnt worden seien.

[9] Soweit der Antrag auf Vernehmung des M* B* zum Beweis dafür gestellt wurde, dass die Umbauarbeiten einen 40.000 Euro weit übersteigenden Wert gehabt hätten , machte er nicht deutlich, weshalb die beantragte Beweisaufnahme d a s von der Antragstellerin behauptete Ergebnis erwarten lasse (RIS Justiz RS0118444). Solcherart war er auf eine im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet.

[10] Das im Rechtsmittel (umfangreich) nachgetragene, den jeweiligen Antrag ergänzende Vorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS Justiz RS0099618).

[11] Entgegen dem Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) einwendenden Beschwerdevorbringen hat sich das Erstgericht ausdrücklich mit dem von der Zeugin H* T* in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck bezüglich der Aussagefähigkeit der Genannten auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb es deren Angaben nur in Teilbereichen als glaubwürdig erachtete (US 11).

[12] Gleiches gilt, soweit die Rüge eine tatrichterliche Würdigung der Abweichung in den Aussagen des J* T* bezüglich der Kostenübernahme der Umbauarbeiten vor der Kriminalpolizei und in der Hauptverhandlung vermisst (erneut US 11).

[13] D ie vermisste Begründung (nominell Z 5 zweiter Fall, der Sache nach Z 5 vierter Fall) der Feststellung, wonach die Angeklagte unter Verwendung von Zugangsdaten Online Buchungen vorn ahm (US 7 iVm US 4), findet sich auf US 11.

[14] Der Sache nach wendet sich die Beschwerde bloß nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[15] Die beweiswürdigenden Erwägungen zur Aussagefähigkeit der Zeugin H* T*, wonach diese zum Teil sehr klar und einleuchtend aussagte, es sich jedoch zeigte, dass sie offensichtlich vieles durcheinander bringt beziehungsweise ihre Gedankengänge sehr sprunghaft und nicht nachvollziehbar verlaufen, sie auf Nachfragen unsicher geworden sei, ansonsten jedoch die Fragen ohne zu zögern klar und vernünftig beantwortet habe (US 11), sind keineswegs widersprüchlich im Sinn der Z 5 dritter Fall (zum Anfechtungsgegenstand vgl RIS Justiz RS0117402).

[16] Dass und aus welchen Erwägungen die Tatrichter der Aussage dieser Zeugin , wonach die Angeklagte keine Zugangsdaten für das Online Banking gehabt habe, nicht folgten, geht dem Beschwerdevorbringen zuwider aus der tatrichterlichen Beweiswürdigung unmissverständlich hervor (US 11).

[17] Mit dem neuerlichen Hinweis auf die widersprüchlichen Aussagen des Zeugen J* T* betreffend der Kostenteilung bezüglich der Umbauarbeiten und mit eigenen Beweiswerterwägungen zu der vom Schöffensenat – wie bereits dargestellt – ohnedies berücksichtigten Aussage der H* T*, wonach die Angeklagte keine Zugangsdaten für das Online Banking gehabt habe, bekämpft auch die Tatsachenrüge (Z 5a) bloß unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung.

[18] Erhebliche Bedenken im Sinn der Z 5a können – soweit hier relevant – nur aus in der Hauptverhandlung V orgekommene m (§ 258 Abs 1 StPO), nicht aber, wie von der Beschwerde behauptet , aus dem (angeblichen) Fehlen von Beweisen abgeleitet werden (RIS Justiz RS0128874).

[19] Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) wird ein aus Z 5a des § 281 Abs 1 StPO beachtlicher Mangel nicht behauptet (RIS Justiz RS0102162).

[20] Weder die Feststellung der Höhe der Lebenshaltungskosten der Opfer im Tatzeitraum noch jene, wonach sich die Angeklagte ein Monatsgehalt von rund 3.300 bis 3.600 Euro netto überwies (US 3), stellen eine entscheidende, also die Lösung der Schuld oder der Subsumtionsfrage betreffende Tatsache (zum Begriff Ratz , WK StPO § 281 Rz 398 ff) dar. Die dagegen gerichtete Tatsachenrüge (Z 5a) geht solcherart schon im Ansatz ins Leere (RIS Justiz RS0106268 [T7]).

[21] Der Sanktionsrüge (Z 11) zuwider besteht an der Zuordnung des Ausspruchs des Verfalls zur – einzigen – Angeklagten als der von ihm betroffenen Person nach dem Urteilsinhalt kein Zweifel.

[22] Die Beschwerdebehauptung, wonach „der Umfang des Verfallsbetrages unklar“ sei, ist angesichts der Nennung eines konkreten Betrags im Verfallsausspruch (US 2 [iVm US 4 f ]) unverständlich.

[23] Dass das Erstgericht beim Ausspruch des Wertersatzverfalls nach § 20 Abs 3 StGB in Ansehung des von der Angeklagten durch die strafbare Handlung erlangten Geldbetrags von 85.000 Euro (siehe US 2 und 4 f) nominell auch Abs 1 und 2 de s § 20 StGB anführt, ist entgegen dem Beschwerdevorbringen unter dem Aspekt einer Nichtigkeit im Sinn der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO ohne Bedeutung.

[24] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[25] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[26] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.