JudikaturOGH

1Ob83/25z – OGH Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
24. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch die Schmid Horn Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach A*, vertreten durch die Hübel Payer Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen Wiederherstellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2025, GZ 6 R 45/24t 75, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Deutschlandsberg vom 27. November 2023, GZ 101 C 72/20f 70, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 8. Februar 2024, GZ 101 C 72/20f-73, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Über die Kosten des Revisionsverfahrens hat das Erstgericht zu entscheiden.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks 171/1 *. Das daran angrenzende Grundstück 171/2 * stand vormals im Eigentum des am * verstorbenen ursprünglich Beklagten, A*. Dieser errichtete im Jahr 2015 oder 2016 ohne Zustimmung der Klägerin im Bereich der Grenze zwischen den beiden Grundstücken einen Zaun, der sich teilweise auf dem Grundstück 171/1 befindet. Entsprechendes gilt für einen von ihm im Grenzbereich errichteten Brunnenschacht.

[2] Mit Einbringungsvertrag vom 16. 3. 2017 brachte er sein Grundstück in die R* KG ein, die seither Alleineigentümerin ist. Der Verstorbene war als Komplementär alleine mit der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft betraut; seine Witwe ist eine der beiden Kommanditistinnen.

[3] § 9 des Gesellschaftsvertrags („Auflösung der Gesellschaft, Übertragung von Anteilen“) lautet wie folgt:

Die Gesellschaft endet durch Kündigung eines Gesellschafters oder durch einvernehmlichen Beschluss. […]

Der Gesellschaftsanteil kann nicht ohne Zustimmung der jeweils anderen Gesellschafter an Dritte übertragen oder vererbt werden.

Im Fall einer Übertragung oder Vererbung ohne Zustimmung der anderen Gesellschafter, scheiden die Neuerwerber (Erben) des Gesellschaftsanteiles aus der Gesellschaft aus und haben die anderen Gesellschafter das Recht, den Gesellschaftsanteil zu übernehmen oder einen anderen Gesellschafter aufzunehmen. Den ausscheidenden Erwerbern oder Erben gebührt eine Abfindung [...] .

[4] Am 25. 3. 2022 gab die Witwe zum Nachlass nach dem Verstorbenen eine bedingte Erbantrittserklärung aufgrund des Testaments vom 19. 8. 2019 ab. Eine rechtskräftige Einantwortung erfolgte noch nicht.

[5] Gesellschafterbeschlüsse über die Fortsetzung der R* KG und den Eintritt der Witwe in die Gesellschafterstellung des Verstorbenen wurden noch nicht gefasst.

[6] Die Klägerin begehrte zuletzt die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ihres Grundstücks durch Entfernung des darauf errichteten Zauns und Brunnenschachts. Der ursprünglich Beklagte bzw seine Gesamtrechtsnachfolgerin hafteten persönlich für die von ihm selbst herbeigeführten Eigentumseingriffe. Abgesehen davon müsse die Verlassenschaft auch in ihrer Eigenschaft als nunmehrige Komplementärin der – nach dem Ableben des ursprünglich Beklagten weiterbestehenden – Gesellschaft für deren (primäre) Wiederherstellungspflichten einstehen.

[7] Die Beklagte wandte ihre fehlende Passivlegitimation ein. Der Gesellschaftsvertrag enthalte keine Nachfolgeklausel für den Fall des Ablebens des Komplementärs, die zum Übergang seiner Rechte und Pflichten auf die Verlassenschaft führe. Weder sei sie verpflichtet, Handlungen auf dem Grundstück der Gesellschaft vorzunehmen, noch könne sie solche rechtlich durchsetzen.

[8] Das Erstgericht wies die Klage mangels Passivlegitimation der Beklagten ab.

[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und dem Klagebegehren statt.

[10] Wie bei Wettbewerbsverstößen und Markenrechtsverletzungen von Personengesellschaften folge die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters auch hier schon aus dessen Möglichkeit, das rechtswidrige Verhalten zu unterbinden. Der Verstorbene hätte nämlich zu Lebzeiten als einziger Komplementär entsprechende Geschäftsführungsmaßnahmen setzen können. Nach dem Gesellschaftsvertrag führe das Ableben des Komplementärs nicht zur Auflösung der Kommanditgesellschaft: Auf Basis der dort statuierten Nachfolgeklausel könnten die verbliebenen Gesellschafter ihre Zustimmung zum Eintritt eines Dritten (Erben) erklären oder diesen ablehnen. Werde der Gesellschaftsanteil an einen anderen Gesellschafter (nicht an einen „Dritten“) übertragen oder vererbt, sei eine Zustimmung der anderen nicht erforderlich. Die Gesellschaft sei daher während des anhängigen Verlassenschaftsverfahrens mit der Verlassenschaft fortzusetzen. Daraus folge auch deren Passivlegitimation.

[11] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Haftung des Komplementärs für Wiederherstellungsansprüche aufgrund von Eingriffen in fremde Eigentumsrechte bestehe.

[12] Die Beklagte strebt mit ihrer Revision die Abweisung des Klagebegehrens an . Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[13] In ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[14] Die Revision der Beklagten ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig . Sie ist jedoch nicht berechtigt .

1. Zum Anspruchsgrund der Eigentumsfreiheit

[15] Die Klägerin stützt den geltend gemachten Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustands ihres Grundstücks auf unerlaubte Eigenmacht des Rechtsvorgängers der Beklagten. Der geltend gemachte Rechtsgrund ist die Eigentumsfreiheit (§ 523 ABGB).

[16] Die Eigentumsfreiheitsklage dient nicht nur dem Schutz des Eigentümers vor der Anmaßung oder unberechtigten Erweiterung einer Servitut, sondern auch der Abwehr jeder sonstigen Störung des Eigentums durch unerlaubte Eingriffe ( RS0012040 ). Ihre Grundlage ist das Recht des Eigentümers, „mit der Substanz und den Nutzungen nach Willkür zu schalten, und jeden anderen davon auszuschließen“ (§ 354 ABGB; 1 Ob 6/24z Rz 16 mwN). Sie ist damit – als Ausfluss dieses allgemeinen Grundsatzes (vgl nur Koch in KBB 7 § 523 ABGB Rz 7 mwN) – lediglich ein Anwendungsfall der Eigentumsklage ( RS0010388 ) und kann auch auf Wiederherstellung durch Entfernung der Störungsstelle gerichtet sein (vgl 1 Ob 192/23a Rz 24; RS0106908).

[17] Der Kläger hat dazu sein Eigentum sowie einen (zumindest unmittelbar drohenden) Eingriff des Beklagten (oder die diesem gebotene, aber unterlassene Verhinderung einer Störung, vgl RS0012109 ; Koch in KBB 7 § 523 ABGB Rz 8), dieser hingegen die Berechtigung seines Eingriffs zu beweisen ( 1 Ob 210/19t ErwGr II.8.; RS0012186 ; vgl auch RS0010164 ).

2. Zur Passivlegitimation des Störers im Allgemeinen

[18] Die Eigentumsfreiheitsklage ist im Grundsatz gegen jeden gegeben, der eigenmächtig (und damit unberechtigt) in das Eigentumsrecht eingreift ( RS0010388 ).

[19] Adressat der Klage ist also im Allgemeinen jeder unmittelbare (allenfalls mittelbare) Störer ( 8 Ob 70/22k Rz 18; 5 Ob 147/23p Rz 8, je mwN), unabhängig davon, ob dieser im eigenen Interesse oder in Vertretung eines Dritten und in dessen Interesse gehandelt hat ( RS0012131 ), und auch davon, ob die Störung gerade von seinem Eigentum ausgeht oder nicht ( 5 Ob 127/99h ; RS0012131 [T13, T14]).

[20] Der unmittelbare Störer, von dessen Grund die (dauernde) Störung ausgeht, bleibt daher grundsätzlich auch nach einem Eigentümerwechsel – neben dem neuen Liegenschaftseigentümer, der den unerlaubten Zustand kraft eigenen Willensentschlusses aufrecht erhält (vgl RS0012129; RS0012131 [T8]) – weiterhin selbst für die Beseitigung der Störquelle verantwortlich ( Rassi in Rummel/Lukas/Geroldinger , ABGB 4 § 523 Rz 21 mwN zur Judikatur).

3. Zum Einwand der Unmöglichkeit der Beseitigung der Störquelle

[21] 3.1. Anderes gilt nur dann, wenn der frühere Eigentümer darzutun vermag, dass er infolge des eingetretenen Eigentümerwechsels auf die Wiederherstellung des früheren Zustands weder durch mögliche eigene Vorkehrungen noch durch Einwirkung auf die Willensbildung des neuen Eigentümers Einfluss nehmen kann, von ihm also Abhilfe nicht (mehr) zu erwarten ist ( 4 Ob 529/83 = MietSlg 35.053 mwN; 7 Ob 607/95 ).

[22] 3.2. Dieser Einwand basiert auf der grundlegenden Erwägung, dass eine Verurteilung zu einer Leistung eine zumindest ins Gewicht fallende Chance voraussetzt, dass seitens des Verpflichteten überhaupt (zumindest später) geleistet werden kann. Steht hingegen praktisch mit Sicherheit fest, dass er die Leistung auch in Zukunft nicht mehr erbringen kann, kann der Anspruchsberechtigte – auch bei einer vom Verpflichteten selbst verschuldeten Leistungsunmöglichkeit – nicht (mehr) darauf beharren (in diesem Sinn – zur ursprünglichen bzw nachträglichen Unmöglichkeit gemäß §§ 878, 920, 1447 ABGB – RS0016423 ). Die Beweislast trifft diesbezüglich denjenigen, der sich auf die Unmöglichkeit beruft ( 8 Ob 69/12y ErwGr 1.3.; 8 Ob 108/12h ErwGr 1.1., jeweils mwN).

[23] Der bloße Umstand, dass der Beklagte zur Erfüllung des ihm auferlegten Gebots der Mitwirkung eines Dritten bedarf, steht vor diesem Hintergrund der Schaffung des entsprechenden Exekutionstitels noch nicht entgegen ( RS0016423 [T7]). Besteht kein Grund zur Annahme, dass es dem Beklagten unmöglich wäre, die Mitwirkung des Dritten an der geschuldeten Leistung zu erreichen, steht auch eine mangelnde Vollstreckbarkeit des Begehrens gemäß § 354 Abs 1 EO einem stattgebenden Leistungsurteil nicht entgegen ( RS0002161 [T1]; RS0016423 [T2]; 2 Ob 254/12k ; 10 Ob 75/16a ErwGr 2.2.; 2 Ob 81/23k Rz 42; näher dazu Höllwerth in Deixler Hübner , EO [38. Lfg 2023] § 354 R z 17 mwN).

[24] Die soeben dargelegten Grundsätze sind auch auf die Wiederherstellungsverpflichtung des unmittelbaren Störers nach § 523 ABGB zu übertragen, deren Erfüllung nach einem Eigentümerwechsel womöglich von Mitwirkungshandlungen des nunmehrigen Liegenschaftseigentümers abhängen kann (so im Ergebnis bereits 5 Ob 127/99h ; 8 Ob 69/12y ErwGr 1.3.).

[25] 3.3. Auf eine Leistungsunmöglichkeit im zuvor angeführten Sinn kann sich der Störer daher nur stützen, wenn diese offenkundig ist bzw mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht: Solange nur eine ernstzunehmende Chance einer Anspruchsverwirklichung besteht, also nicht auszuschließen ist, dass er seine Pflicht zur Entfernung der störenden Anlage erfüllen kann, bleibt der Anspruch bestehen ( 5 Ob 127/99h ; vgl auch RS0016423 [T6]). Diesbezügliche Zweifel gehen zulasten des Störers ( 4 Ob 529/83 = MietSlg 35.053 mwN; 7 Ob 607/95; vgl auch RS0034104 [T1]). Nur wenn also praktisch mit Sicherheit feststünde, dass eine für die Erfüllung der Wiederherstellungsverpflichtung erforderliche Mitwirkung des nunmehrigen Eigentümers von diesem endgültig verweigert wird, wäre von einer Unmöglichkeit der Leistung auszugehen.

[26] 3.4. Konkrete Gründe, die dafür sprechen würden, dass die Beklagte (als Gesamtrechtsnachfolgerin des Verstorbenen) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Abhilfe mehr schaffen kann, hat sie aber im Verfahren nicht dargelegt und solche sind nach den Umständen des Falls auch nicht ersichtlich: Der von ihr sinngemäß ins Treffen geführte Umstand, dass sie mangels Übergangs der Gesellschafterstellung des Verstorbenen nicht in der Lage sei, unmittelbar für die Kommanditgesellschaft Geschäftsführungsmaßnahmen zu setzen, ist nach dem Gesagten nicht maßgeblich. Dass – allenfalls für die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Wiederherstellungspflichten erforderliche – Mitwirkungshandlungen der Gesellschaft von vornherein ausgeschlossen wären, bringt sie selbst gar nicht vor.

4. Ergebnis

[27] Ausgehend davon hat das Berufungsgericht dem Begehren auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands des Grundstücks der Klägerin durch Entfernung des darauf errichteten Zauns und Brunnenschachts im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der Revision der Beklagten ist daher nicht Folge zu geben.

5. Kosten

[28] Da das Berufungsgericht sowohl hinsichtlich der Kosten des Verfahrens erster Instanz als auch hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens von der Möglichkeit eines Kostenvorbehalts Gebrauch machte, ist auch der Oberste Gerichtshof daran gebunden ( RS0129336 ). Nach § 52 Abs 3 ZPO hat das Erstgericht die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu bestimmen.