JudikaturOGH

21Ds4/24m – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. November 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 19. November 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als Vorsitzende, durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Gitschthaler als weiteren Richter und durch die Rechtsanwälte Dr. Hofmann und Mag. Wagner als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin FI Ponath, in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 11. März 2024, AZ D 9/23, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, der Kammeranwältin Mag. Konzett und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

* wird von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er sei im Verfahren AZ * des Landesgerichts *nach dem Vollmachtswechsel von der zunächst von ihm vertretenen Klägerin auf Seiten des Beklagten als Nebenintervenient aufgetreten und habe hiefür die ihm zugesprochenen Kosten in Höhe von 1.621,65 Euro von seiner früheren Mandantin eingefordert, gemäß § 38 Abs 1 erster Fall iVm § 54 Abs 3 DSt freigesprochen.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auch einen unbekämpften Freispruch des Disziplinarbeschuldigten enthaltenden Erkenntnis wurde *, Rechtsanwalt in *, schuldig erkannt, die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes dadurch begangen zu haben, dass er dem Verfahren AZ * des Landesgerichts * nach dem erfolgten Wechsel der Vollmacht durch die zunächst von ihm vertretene Klägerin am 25. März 2021 als Nebenintervenient auf Seiten des Beklagten beitrat und hiefür die ihm nach Unterliegen der Klägerin zugesprochenen Kosten von seiner ehemaligen Mandantin einforderte.

[2] Über den Disziplinarbeschuldigten wurde (unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 9. August 2022, AZ D 13/21) die Disziplinarstrafe der (Zusatz-)Geldbuße in der Höhe von 500 Euro verhängt.

Rechtliche Beurteilung

[3]Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die – Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 3 und 9 lit a StPO relevierende (vgl RIS-Justiz RS0128656 [T1]) – Berufung wegen Schuld des Disziplinarbeschuldigten.

[4]Im Ergebnis zutreffend zeigt die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) auf, dass die – aus der Streitverkündigung (§ 21 Abs 1, Abs 2 ZPO) durch beide Verfahrensparteien resultierende (ES 4) – Nebenintervention des Disziplinarbeschuldigten im vorgenannten Verfahren weder eine Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt (RIS-Justiz RS0133953, RS0054900 [T4], RS0054936 [T3], RS0054951 [T2]; Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO 11§ 1 DSt Rz 9/2) noch eine Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt begründet. Die vom Disziplinarrat in diesem Zusammenhang angenommene Verletzung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht (durch Erstattung von konkretem Vorbringen zum vormaligen Mandatsverhältnis [ES 4 iVm ES 7; vgl auch ES 6]; § 10 Abs 1 RAO) kann nämlich insoweit nicht vorliegen, als der Rechtsanwalt ihm Anvertrautes vorbringen muss, um einen (vom ehemaligen Mandanten) behaupteten Schadenersatzanspruch abzuwehren (vgl dazu 24 Ds 1/20m [mwN]).

[5]Diese Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht (§ 9 Abs 2 RAO) beschränkt sich nicht bloß auf Auseinandersetzungen, an denen (nur) der Rechtsanwalt und sein ehemaliger Mandant beteiligt sind, sondern gilt auch für Konstellationen, in denen die an sich zur Verschwiegenheit verpflichtete Person dem Prozess als Nebenintervenientin beitritt, dies ohne Unterschied, ob der (aktuelle oder ehemalige) Prozessgegner des ehemaligen Mandanten vom Rechtsanwalt als Streithelfer oder als Widerpart von den Interna des Mandatsverhältnisses Kenntnis erlangt (vgl abermals 24 Ds 1/20m; RIS-Justiz RS0114273 [T1, T2]; Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO 11§ 9 RAO Rz 47).

[6] Im Blick zu behalten ist in diesem Zusammenhang auch, dass ein Beklagter, dem im Vorprozess der Streit verkündet wurde, bei Unterlassung der Nebenintervention in einem allfälligen Folge (regress)prozess den Bestand eines zwischen dem Kläger und dem Dritten festgestellten Rechts nicht mehr bestreiten kann (RIS-Justiz RS0107338).

[7] Daraus folgt, dass das festgestellte Verhalten des Beschuldigten, nämlich der Beitritt als Nebenintervenient auf Seiten des Beklagten und die Erstattung eines das Mandatsverhältnis betreffenden Sachvorbringens (ES 4) – somit eines der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienlichen Vorbringens – ohne Entbindung durch die Klägerin als seiner ehemaligen Mandantin zur Abwehr einer möglichen Regressforderung zulässig war.

[8]Mit der Einforderung von gerichtlich zugesprochenen (Verfahrens-)Kosten (ES 5 und 7) – gegen welche von der Klägerin im Übrigen keine Einwendungen erhoben wurden (ON 5 S 18; vgl § 54 Abs 1a ZPO; RIS-Justiz RS0126898) und die nach den Konstatierungen des Disziplinarrats weder überhöht noch unrichtig waren (vgl RIS-Justiz RS0055671; Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO 11§ 1 DSt Rz 19 ff) – wird ebenfalls kein (nicht bereits im Erkenntnis des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 9. August 2022, AZ D 13/21 [siehe dazu ON 1], gegenständliches) disziplinarrechtlich relevantes (Fehl-)Verhalten des Beschuldigten angesprochen.