3Ob85/15v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie durch die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei S*****, vertreten durch Dr. Reinhard Lachinger, Rechtsanwalt in Korneuburg, und der Nebenintervenientin C***** GmbH, *****, vertreten durch Stock Rafaseder Gruszkiewicz Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei D*****, vertreten durch Fiebinger Polak Leon Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen
I. 4.552,66 EUR und Räumung (Klage: 56 C 224/09w des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, führender Akt) und
II. 17.878,12 EUR (Widerklage: 56 C 157/10v des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 10. März 2015, GZ 40 R 329/14z 83, womit das Teilurteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 29. August 2014, GZ 56 C 224/09w 76, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 12. November 2014, GZ 56 C 224/09w 81, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Zu 56 C 157/10v des Erstgerichts (Widerklage) werden die Akten dem Erstgericht zwecks Vorlage an das Berufungsgericht gemäß § 507b Abs 2 ZPO zurückgestellt.
Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts sind die Akten umgehend wieder dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.
Text
Begründung:
Die Mietzins und Räumungsklage der Vermieterin (führender Akt) nach § 1118 ABGB enthält ein Zahlungsbegehren von zuletzt 4.552,66 EUR sA. Verbunden damit ist die Widerklage des Mieters wegen zuletzt 17.878,12 EUR sA. Im dritten Rechtsgang erließ das Erstgericht ein Teilurteil zum Leistungsbegehren der Räumungsklage (wegen § 33 Abs 2 MRG), dem es voll stattgab, und wies die Widerklage zur Gänze ab.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.
Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Mieters legte das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof vor.
Diese Vorlage entspricht nicht dem Gesetz.
Rechtliche Beurteilung
Klageansprüche sind trotz Verbindung voneinander getrennt zu beurteilen (RIS Justiz RS0037219). Die Verbindung von Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung nach § 187 ZPO (entsprechend dem Gesetz nicht auch zur gemeinsamen Entscheidung, deren Zulässigkeit sich aus § 404 Abs 2 ZPO ergibt) betrifft nur den äußeren Gang des Verfahrens; selbst die Verbindung von Klage und Widerklage hebt die Selbständigkeit der Verfahren nicht auf (5 Ob 253/11h mwN). Die gemeinsame Entscheidung des Berufungsgerichts über die verbundenen Rechtssachen ist für die Rechtsmittelzulässigkeit ohne Bedeutung (RIS Justiz RS0037252; RS0037173; RS0036717 [T2, T17, T19 bis T23]). Die Frage der Zulässigkeit der Revision ist daher bei Klage und Widerklage grundsätzlich getrennt zu beurteilen (RIS Justiz RS0037252 [T13]).
Hinsichtlich der Widerklage beträgt der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts 17.878,12 EUR. Die Ausnahmebestimmung des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO kommt hier ungeachtet der Verbindung nicht in Betracht (5 Ob 231/08v mwN). Da das Berufungsgericht die Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärte, ist ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gemäß § 502 Abs 3 ZPO nicht zulässig. Eine Partei kann in einem solchen Fall nur einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass das Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde (§ 508 Abs 1 ZPO). Mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Dieser Antrag, verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel, ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rechtsmittelgericht zu behandeln. Erhebt in einem Fall wie dem vorliegenden eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliche Revision“ bezeichnet und an den Obersten Gerichtshof gerichtet wird; dieser darf darüber nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig ist (RIS Justiz RS0109623).
Insoweit wird das Erstgericht das Rechtsmittel dem Berufungsgericht allenfalls nach einem Verbesserungsverfahren (RIS Justiz RS0109623 [T8]) -vorzulegen haben.