JudikaturJustiz9ObA43/94

9ObA43/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Mai 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag.Kurt Resch und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr.Helfried S*****, öffentlicher Notar, ***** vertreten durch Dr.Ruth Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Gunther S*****, öffentlicher Notar, ***** vertreten durch Dr.Manfred Ainedter und Dr.Friedrich Trappel, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 373.333,-- brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17.September 1993, GZ 33 Ra 104/93-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 14.Oktober 1992, GZ 4 Cga 2527/91-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 14.976,-- (darin S 2.496,-- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der im Jahre 1944 geborene Kläger legte Mitte März 1974 die Notariatsprüfung ab. Seit 1.1.1980 war er beim Beklagten als Notariatskandidat beschäftigt. Mit Dekret des Bundesministers für Justiz vom 26.2.1991 wurde er mit Wirksamkeit vom 1.4.1991 zum öffentlichen Notar ernannt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger den Klagebetrag als Abfertigung. Sein Dienstverhältnis habe weder durch Kündigung noch einvernehmliche Auflösung geendet, sondern durch die Ernennung zum Notar. Aufgrund des beherrschenden Ausbildungszwecks sei das Dienstverhältnis somit von vorneherein durch einen objektiv feststellbaren, wenn auch vorerst kalendermäßig noch nicht fixierbaren Endzeitpunkt begrenzt gewesen. Da er ab der Ernennung zum Notar nicht mehr Angestellter des Beklagten habe sein können, sei auch von einer Beendigung durch unverschuldetes Unmöglichwerden der Leistung auszugehen.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger sei schon vor seinem Eintritt in die Kanzlei bei einem anderen Notar als Notariatskandidat beschäftigt gewesen. Es sei nie vereinbart bzw darüber gesprochen worden, daß der Kläger bis zu seiner Ernennung zum Notar beim Beklagten bleiben werde. Der Kläger habe sich einerseits mehrmals nicht um freigewordene Notarstellen beworben und sei andererseits mit einer bestimmten Bewerbung nicht erfolgreich gewesen.

Der Kläger habe dem Beklagten, der sich gerade auf Schiurlaub befunden habe, im Februar 1991 telefonisch mitgeteilt, daß er zum Notar ernannt worden sei. Auf die Frage des Beklagten, wie lange er noch mit seiner Mitarbeit rechnen könne, habe der Kläger erklärt, daß er im März noch einige Tage wegfahre und dann den Beklagten noch vor Ostern verlassen werde. Damit habe der Kläger das bis dahin bestandene Vertragsverhältnis von sich aus durch Kündigung aufgelöst, wobei er durch seine Zeitangabe auch die gesetzliche Kündigungsfrist eingehalten habe. Im übrigen sei es dem Beklagten freigestanden, auf die Einhaltung der Kündigungsfrist zu verzichten.

Es sei kein einziger Fall bekannt, daß ein Notariatskandidat bei Eintritt in den Notarstand einen Abfertigungsanspruch eingeklagt hätte. Dieses Vorgehen widerspreche der Berufsethik, so daß das Begehren des Klägers auch gegen die guten Sitten verstoße.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:

Der Kläger hatte sich bereits einmal für ein ausgeschriebenes Notariat beworben; seine Bewerbung blieb aber erfolglos. Andererseits gab es auch Ausschreibungen, die den Kläger nicht zu einer Bewerbung veranlaßten. Der Beklagte wußte schon seit mindestens Dezember 1990, daß sich der Kläger um das Notariat in W***** beworben hatte. Aus der diesbezüglichen Ausschreibung war auch der Beginn der Notariatstätigkeit zu entnehmen.

Anfang März 1991 erfuhr der Kläger, daß er ab 1.4.1991 auf diese Notariatsstelle ernannt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte auf Urlaub. Anläßlich eines Telefonates des Beklagten mit seiner Kanzlei teilte ihm der Kläger mit, daß er ernannt worden sei. Der Beklagte fragte ihn daraufhin, wie lange er noch bei ihm bleiben werde. Es war klar, daß das Dienstverhältnis mit 31.3.1991 enden werde. Der Beklagte meldete den Kläger mit diesem Tag ab.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger nicht zum Dienst unfähig geworden sei, sondern daß er nach seiner Ernennung zum Notar aufgrund von Standesvorschriften nicht mehr als Angestellter habe tätig sein dürfen, so daß kein berechtigter vorzeitiger Austritt aus wichtigem Grund vorliege. Das Dienstverhältnis des Klägers könne auch nicht als befristet angesehen werden, da die Ernennung des Klägers keineswegs sicher und von seiner Entscheidung, sich zu bewerben, abhängig war. Das Dienstverhältnis sei vielmehr durch Kündigung des Klägers beendet worden, wobei beide Parteien auf die Einhaltung der Kündigungsfrist konkludent verzichtet hätten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte - für das Revisionsverfahren noch wesentlich - aus, daß der Kläger die Unmöglichkeit, weiterhin beim Beklagten als Notariatskandidat tätig zu sein, durch seine Bewerbung selbst herbeigeführt habe. Die Beendigung des Dienstverhältnisses sei sohin in seiner Interessenssphäre gelegen. Eine Vereinbarung, daß der Kläger bis zu seiner Ernennung beim Beklagten bleibe, sei nicht erwiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens.

Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Bei Beurteilung des erhobenen Anspruches ist vorerst zwischen der öffentlich rechtlichen Kandidateneigenschaft, die in § 117 Abs 2 NO begründet ist, und dem arbeitsrechtlich zu beurteilenden (privatrechtlichen) Anstellungsverhältnis des Klägers zu unterscheiden (vgl Wagner, NO3 § 118a Anm 1.1). Dieses unterliegt nach einhelliger Auffassung dem AngG (§ 2 Abs 1 Z 4). Da die Dienstleistung in persönlicher Abhängigkeit erfolgt (Ausbildung) spielt es dabei keine Rolle, wie der Entgeltanspruch gestaltet ist (vgl § 117 Abs 1 NO; Kostner, Handkommz NO, Ergänzungsband 54 f; derselbe Handkomm 333; Pfeifer, Der Notariatskandidat als Dienstnehmer, NZ 1965, 118; Halbhuber-Vospernik, Abfertigung bei Ernennung zum Notar ? ecolex 1994, 39; auch Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AngG7 § 2 Erl 29). Wären daher die Voraussetzungen des § 23 AngG gegeben, stünde dem Kläger auch ein Anspruch auf Abfertigung zu.

Richtig ist, daß Anspruchsgrundlage der Abfertigung neben der Dauer grundsätzlich die Auflösung des Dienstverhältnisses ist und nicht eine bestimmte Art der Beendigung, die nur ausnahmsweise zum Verfall führen kann. Dabei muß aber jede behauptete Beendigungsart für sich geprüft werden (Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, ArbR3 I, 182; Berger in Runggaldier, Abfertigungsrecht (1991) 258 f). Der Kläger stützt seinen Anspruch in erster Linie darauf, daß von vorneherein nur ein mit seiner Ernennung befristetes Dienstverhältnis vorgelegen sei. Dieser Ansicht kann nicht beigepflichtet werden. Eine Befristung muß zwar nicht kalendermäßig erfolgen, der Zeitpunkt des Endes des Dienstverhältnisses muß aber jedenfalls objektiv bestimmbar und vorhersehbar sein (vgl Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser, ArbR3 I, 250; Schwarz-Löschnigg ArbR4 188 ff, 498; Arb 8.843 uva), so daß der Endzeitpunkt der willkürlichen Beeinflussung durch die Vertragsparteien entzogen ist. Gerade das war aber bezüglich des Dienstverhältnisses des Klägers nicht der Fall. Auch wenn er zur Erfüllung der Eintragungsvoraussetzungen (§ 117 Abs 2 NO) die ernste Absicht haben mußte, das Berufsziel zu erreichen (vgl Wagner aaO § 117a Erl 10.2), stand es ihm frei (hingegen Kündigungsausschluß bei befristeten Dienstverhältnissen), seinen Dienstgeber zu wechseln, was er auch schon getan hat, und es war insbesondere seiner Willkür anheim gestellt, sich für eine ausgeschriebene Stelle zu bewerben oder nicht. Es blieb auch völlig offen, ob und wann seine Bewerbungen letztlich erfolgreich sein würden. Insoferne unterscheidet sich das Dienstverhältnis eines Notariatskandidaten grundlegend vom Ausbildungsverhältnis eines Lehrlings, das gemäß § 14 Abs 1 BAG spätestens mit Ablauf der im Lehrvertrag vereinbarten Dauer der Lehrzeit endet (AM Halbhuber-Vospernik aaO 41).

Lag aber ein unbefristetes Dienstverhältnis vor, wäre die (allenfalls rechtliche) Unmöglichkeit der weiteren Dienstleistung (§ 878 ABGB) noch grundsätzlich kein Tatbestand, der ipso jure zur Beendigung des Dienstverhältnisses führen mußte (vgl Martinek-Schwarz, Abfertigung-Auflösung des Arbeitsverhältnisses, 62). Den Bestimmungen der Notariatsordnung ist auch kein gesetzlicher Endigungsgrund zu entnehmen. Es kommt vielmehr auf die allgemein arbeitsrechtlich vorgegebenen Lösungsmöglichkeiten an (vgl Wagner aaO § 118a Erl 1.1 f; Kostner, Handkomm 333 f, 341 f; ders. Ergänzungsband 61). Wertet man das Erklärungsverhalten der Parteien ist mitzuberücksichtigen, daß zwischen dem Ausbildungsnotar und dem Kandidaten auch im Hinblick auf den gesamten Berufsstand ein besonderes Verhältnis besteht, das die Kandidateneigenschaft von einem schlichten Angestelltenverhältnis abhebt. So ist es etwa Standessitte, daß ein ungekündigter Kandidat, der beabsichtigt, seinen Posten zu wechseln, noch vor Abschluß des neuen Dienstvertrages mit dem künftigen Ausbildungsnotar seinem bisherigen davon Mitteilung macht (vgl Wagner aaO 265 und 274). Insoferne erfährt auch die allgemeine Interessenwahrungspflicht (Treuepflicht) eine entsprechende Ausformung durch die Standessitte.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen setzte der Beklagte keinerlei Erklärungsverhalten, aus dem seine Absicht, das Dienstverhältnis mit dem Kläger zu beenden, zu entnehmen wäre. Die Endigungsgründe der Entlassung sowie der Dienstgeberkündigung und der einvernehmlichen Auflösung, bei der Willensübereinstimmung darüber erzielt hätte werden müssen, das Dienstverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen aufzulösen, scheiden sohin aus. Der Beklagte nahm die Erklärungen des Klägers lediglich zur Kenntnis. Hingegen war es allein das Bestreben des Klägers, das Angestelltenverhältnis zum Beklagten zu beenden, um als selbständiger Notar tätig zu werden.

Diese Absicht gab er bereits mit seiner Bewerbung um das ausgeschriebene Notariat zu erkennen, wobei diese Bewerbung aber noch nicht als Kündigung des Dienstverhältnisses aufgefaßt werden kann, da der Bewerbungserfolg ungewiß war und das Bewerbungsgesuch noch keine an den Beklagten gerichtete Willenserklärung auf Beendigung des Dienstverhältnisses darstellt. Anders verhält es sich bereits mit der Mitteilung des Klägers an den Beklagten, daß er ernannt worden sei. Diese Mitteilung geht über den Rahmen einer bloßen Wissenserklärung hinaus, da sie im besonderen Verhältnis der Parteien auch die Ankündigung mitenthielt, daß der Kläger zufolge der Ernennung nicht mehr für den Beklagten tätig sein werde. Eine zwangsläufige Beendigung des Dienstverhältnisses des Notariatskandidaten ist dem Gesetz dazu allerdings nicht zu entnehmen. Den neuernannten Notar trifft gemäß § 18 Abs 1 NO lediglich die Pflicht, binnen der Frist von drei Monaten ab der Zustellung des Ernennungsdekrets bzw ab dem in Dekret genannten Wirksamkeitstag seine Kanzlei am Amtssitz zu eröffnen, widrigens er als auf die ihm verliehene Stelle verzichtend angesehen wird. Die auslaufende Tätigkeit des erstmalig ernannten Notars (vor seinem Amtsantritt) bei seinem bisherigen Ausbildungsnotar ist bis dahin als praktische Verwendung iSd § 6 Abs 2 NO anzusehen (vgl Wagner aaO § 18 Erl 1.1 mit Hinweis auf Kostner, 97, der meint, daß die Ernennung zum Notar erst mit Amtsantritt wirksam werde, 3.1 und 3.2). Es trifft daher nicht zu, daß kein Notariatskandidat in der Lage sei, sein Dienstverhältnis ordnungsgemäß zu kündigen und daß für eine Kündigung auch kein Anlaß bestehe.

Wie der Kläger selbst einräumt, erwiderte er auf die Frage des Beklagten, wie lange er noch bleiben werde, daß er noch bis knapp vor Ostern bleibe. Über den offenen Urlaub sei nicht gesprochen worden. Er habe einige Tage vor dem 31.3.1991 aufgehört und noch einige Urlaubstage verbraucht (S 39 dA). Daraus folgt, daß der Kläger über das Dienstverhältnis einseitig disponierte und auch Erklärungen über dessen Beendigung abgab (......... bleibe noch bis knapp vor Ostern). Es ist daher den Vorinstanzen beizupflichten, daß der Kläger keinen vorzeitigen Austritt (nicht ident mit dem "Austritt" nach § 117 Abs 4 NO) erklärte, sondern das Dienstverhältnis durch Kündigung zum 31.3.1991 löste. Entgegen seiner Ansicht sind für eine Kündigung weder die Einhaltung der Kündigungsfrist noch des Termines an sich wesentlich (Floretta aaO 263). Auch die Verwendung des Wortes "Kündigung" ist nicht erforderlich. Es genügte vielmehr jede Äußerung, aus der für den Beklagten deutlich, bestimmt und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise die Absicht des Klägers zu erkennen war, das Dienstverhältnis mit Ablauf einer bestimmten Frist zu beenden (vgl Arb 9.142 uva). Diese Beendigungserklärung des Klägers erfolgte auf die Frage des Beklagten, wie lange er noch bei ihm bleiben werde. Zufolge dieser Kündigung steht dem Kläger gemäß § 23 Abs 7 AnG keine Abfertigung zu.

Die Kostenentscheidung ist in §§ 41 und 50 ZPO begründet.