JudikaturJustiz9ObA335/00f

9ObA335/00f – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. März 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Erich Reichelt und Mag.Dr. Martha Seböck als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 27.472,50 (darin S 4.578,75 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens, dies sind je klagender Partei S 1.962,32, binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagenden Parteien begannen am 4. 9. 1995 mit dem Besuch der Schule für Gesundheit- und Krankenpflege in W*****, deren Rechtsträger die beklagte Partei ist, um die vierjährige Krankenpflegeausbildung zu absolvieren.

Gemäß § 11 Abs 3 des KrPflG, BGBl 1961/102, setzte die beklagte Partei das monatliche Taschengeld für Pflegeschüler(innen) für das zweite Ausbildungsjahr mit S 2.580, für das dritte Ausbildungsjahr mit S 3.569 und für das vierte Ausbildungsjahr mit S 5.020 fest. Vor Beginn des zweiten und dritten Ausbildungsjahres erhielten die klagenden Parteien schriftliche Bestätigungen über den Schulbesuch, aber auch darüber, dass das monatliche Taschengeld derzeit im zweiten Ausbildungsjahr S 2.580, im dritten Ausbildungsjahr S 3.569 und im vierten Ausbildungsjahr S 5.020 betrage und das Mittagessen als Sachbezug gewertet werde.

Mit Beschluss vom 11. 7. 1997 setzte der Gemeinderat der Stadtgemeinde W***** das Taschengeld für Krankenpflegeschüler(innen) ab dem Schuljahr 1997/98 um 50 % gegenüber der bisherigen Höhe herab. Als die Kläger und Klägerinnen zu Beginn des vierten Ausbildungsjahres die Schulzeitbestätigungen erhielten, enthielten diese auch folgende Mitteilung: "Das Taschengeld beträgt im vierten Ausbildungsjahr monatlich S 2.510". Vor der Beschlussfassung war die Personalvertretung des AÖKH W***** zur Kürzung des Taschengeldes für Krankenpflegeschüler(innen) angehört worden. Für die klagenden Parteien, welche im vierten Ausbildungsjahr nur noch den Betrag von S

2.510 monatlich erhielten, ergab sich daraus der (der Höhe nach außer Streit stehende) Minderbetrag von je S 29.957,67.

Mit ihren Klagen begehren die Kläger jeweils den Zuspruch dieses Betrages samt Nebengebühren. Sie begründeten ihre Begehren inhaltsgleich damit, dass ihnen bei Abschluss ihrer Lehr- und Ausbildungsverträge die von der beklagten Partei gemäß § 11 Abs 3 KrPflG festgesetzten Entschädigungen, so insbesondere auch der Betrag von S 5.020 monatlich für das vierte Ausbildungsjahr, bekanntgegeben worden seien und die Höhe dieser Entschädigungen somit zum Bestandteil des Vertrages geworden sei. Die zitierte Bestimmung ermächtige Rechtsträger von Krankenpflegeschulen nicht, die Entschädigungen während eines aufrechten Ausbildungsverhältnisses, welches vier Jahre dauere, einseitig herabzusetzen.

Die beklagte Partei beantragte, die Klagebegehren abzuweisen. Wenngleich es sich bei den Ausbildungsverträgen um solche privatrechtlicher Natur handle, sei die Festsetzung der Entschädigungen gemäß § 11 Abs 3 KrPflG im öffentlichen Recht begründet. Diese Entschädigung sei somit der vertraglichen Gestaltung entzogen; vielmehr handle es sich dabei um ein gebundenes Ermessen des Rechtsträgers. Diesem sei es lediglich nicht gestattet, das Taschengeld überhaupt zu streichen bzw auf einen derart geringen Betrag zu reduzieren, welcher der Fürsorgepflicht des Rechtsträgers (der Ausbildungsstätte) gegenüber den Auszubildenden widerspreche und überdies sachlich nicht gerechtfertigt sei. Derartige Umstände lägen hier aber nicht vor. Die Reduzierung sei berechtigt, weil Krankenpflegepersonal derzeit keinen Mangelberuf darstelle und darüber hinaus die finanzielle Situation des AÖKH W***** äußerst angespannt sei.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass zwischen den Streitteilen (zumindestens konkludent) die Vereinbarung zustande gekommen sei, dass die Kläger im vierten Ausbildungsjahr Anspruch auf eine Entschädigung von S 5.020 monatlich hätten. Eine verfassungskonforme Auslegung der Bestimmung des § 11 Abs 3 des KrPflG könne nur zu dem Ergebnis führen, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, einseitig vom Vertrag abzuweichen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es vertrat ebenfalls die Auffassung, dass eine privatrechtliche Verpflichtung der Beklagten bestanden habe, die Entschädigungen in der ursprünglich festgesetzten Höhe zu zahlen, zumal die vierjährige Ausbildungszeit als Einheit zu betrachten sei und die Kläger bei Eingehen ihres Ausbildungsverhältnisses davon ausgehen durften, im vierten Ausbildungsjahr zumindest den Betrag von S 5.020 monatlich an Entschädigung zu erhalten.

Das Berufungsgericht erklärte überdies die Revision für zulässig, weil zur Frage, ob eine einseitige Herabsetzung der Entschädigung für Krankenpflegeschüler(innen) durch den Schulerhalter zulässig sei, noch keine Rechtsprechung vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass sämtliche Klagebegehren abgewiesen werden.

Die Revisionswerberin hält nach wie vor an ihrer Ansicht fest, dass die Bestimmung des § 11 Abs 3 KrPflG öffentlich rechtlicher Natur sei und somit keinen privatrechtlichen Anspruch der Kläger auf eine Entschädigung in einer bestimmten Höhe begründen könne. Darüber hinaus sei § 11 Abs 3 KrPflG so zu interpretieren, dass die Entschädigung während der Dauer des Ausbildungsverhältnisses sowohl erhöht als auch herabgesetzt werden könne, insbesondere - so wie im vorliegenden Fall - vor Beginn eines neuen Ausbildungsjahres.

Die klagenden Parteien beantragten, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Vor Eingehen in die Sache selbst ist darauf zu verweisen, dass - wie im Folgenden noch klargestellt werden wird - eine Arbeitsrechtssache im Sinn des § 50 Abs 1 Z 1 ASGG nicht vorliegt, weil die Beklagte während der Ausbildungszeit nicht Arbeitgeberin der Kläger und Klägerinnen war und auch kein ein Arbeitsverhältnis betreffender Vorvertrag geschlossen wurde. Da sich die qualifiziert vertretenen Parteien jedoch rügelos in die Verhandlung eingelassen haben, kann dieser Umstand nicht mehr berücksichtigt werden (§ 37 Abs 1 ASGG iVm § 260 Abs 4 ZPO; 8 ObA 144/00k).

Auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt ist das Bundesgesetz betreffend die Regelung des Krankenpflegefachdienstes, des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste (KrPflG), allerdings in der Fassung BGBl 872/1992 anzuwenden, weil das dieses ersetzende Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) gemäß § 117 Abs 1 erst mit 1. 9. 1997 in Kraft trat und vor dem 1. 9. 1997 begonnene Ausbildungen im Krankenpflegefachdienst, welche zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen waren, nach den bisher geltenden Bestimmungen des KrPflG fortzusetzen und abzuschließen sind (§ 116 Abs 1 leg cit).

Zwischen den Parteien ist unstrittig (vgl auch Arb 8622), dass der Ausbildungsvertrag zwischen den klagenden Parteien einerseits und der beklagten Partei andererseits als Rechtsträgerin der Krankenpflegeschule, welche dem AÖKH W***** angeschlossen ist, privatrechtlicher Natur ist, wobei sich der Rechtsträger zu einer bestimmten Ausbildung und die klagenden Parteien dazu verpflichtet haben, sich einer solchen Ausbildung zu unterziehen (Arb 8622). Hingegen ist der Rechtsauffassung der beklagten Partei, beim Entschädigungsanspruchs des § 11 Abs 3 KrPflG handle es sich um einen im öffentlichen Recht begründeten Anspruch, nicht beizupflichten. Schon in den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage betreffend das KrPflG, 345 der Blg.NR. IX GP (S 18) heißt es, dass die Rechtsträger, die für die Erteilung einer Bewilligung zur Errichtung und Führung von Krankenpflegeschulen in Betracht kommen können, nicht näher angeführt sind, um im vorhinein allen sich ergebenden Notwendigkeiten gerecht zu werden. Wörtlich heißt es dazu:

"Es wird sich hiebei vornehmlich um Gebietskörperschaften, Stiftungen, öffentliche Fonds und sonstige juristische Personen handeln, die an der Heranbildung qualifizierter Krankenpflegepersonen für den Betrieb der Krankenanstalten interessiert sind. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass der Rechtsträger der Krankenpflegeschule keineswegs mit dem Rechtsträger der Krankenanstalt ident sein muss, an der die Ausbildungsstätte errichtet ist." Weiters bestimmt § 8 Abs 1 des KrPflG, dass dann, wenn die Schule nicht von einer Gebietskörperschaft geführt wird, der Aufnahmekommission auch ein Vertreter der gesetzlichen Interessenvertretung der Dienstgeber anzugehören habe.

Sowohl aus den Materialien zu § 7 aber auch aus § 8 KrPflG selbst wird somit deutlich, dass der Gesetzgeber keineswegs unterstellte, dass eine Festsetzung im Sinne des § 11 Abs 3 KrPflG als hoheitsrechtlicher Akt aufzufassen sei, zumal schon damals Krankenpflegeschulenträger denkbar waren, welche nicht mit Hoheitsgewalt ausgestattet waren. Dazu kommt, dass insbesondere die mangelnde gesetzliche Determinierung und die mangelnde Vorgabe zur Erlassung von Hoheitsakten (vgl zur Förderungsverwaltung: 7 Ob 187/99x mwN) Indizien für das Vorliegen eines im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung zu vollziehenden Bereiches sind.

Der Umstand, dass der Gemeinderat der beklagten Partei den entsprechenden Beschluss über die Festsetzung der Entschädigung fasste, gibt auch keinen Hinweis in Richtung eines öffentlichrechtlichen Aktes, weil es sich dabei lediglich um einen notwendigen Prozess interner Willensbildung handelt.

Der Entschädigungsanspruch für Krankenpflegeschüler(innen) wurde erstmals in § 9 Abs 1 des KrPflG BGBl 1949/93 aufgenommen. Der Ausschussbericht (837 der Blg.NR V GP) gibt als Motiv der Neuregelung an, dass die Qualität des Krankenpflegepersonals zurückgegangen sei, und führt sodann aus: "Neben internatsmäßiger Ausbildung für die Krankenpflege gibt es gegenwärtig auch Schulen und Kurse, für die die heranzubildenden Krankenpflegepersonen Schulgeld zahlen müssen. Durch das Ausscheiden reichsdeutscher Angehöriger ist der Schwesternberuf ein Mangelberuf geworden. Die Krankenanstalten waren gezwungen, unausgebildetes Hilfspersonal einzustellen." Ob zwar der Ausschussbericht auf den neu eingeräumten Entschädigungsanspruch nicht näher eingeht (- wie in der Folge auch das KrPflG 1961 -) wird doch deutlich, dass es dem Gesetzgeber vorrangig darum gegangen ist, damit einen echten Anreiz für die Teilnahme an einer Krankenpflegeausbildung zu schaffen, um den Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal abzuhelfen. Ein weiteres Motiv für den Entschädigungsanspruch liegt möglicherweise darin, dass im Rahmen des praktischen Unterrichts eine sehr umfangreiche Verpflichtung zur Dienstleistung besteht (Erste Krankenpflegeverordnung BGBl 1973/634), die wiederum dem die Schule beherbergenden Krankenhaus zugute kommt (Resch, Ersatz von Ausbildungskosten für nichtärztliches Personal in RdM 1984, 42 f). Nach dem zitierten Autor belegen die Materialien, dass es dem Gesetzgeber offenbar nicht darum gegangen ist, Entgelt für eine im Rahmen der Ausbildung erbrachte Dienstleistung zu regeln, sondern primär, um Anreize zu schaffen, damit sich Österreicher (und bestimmte Gleichgestellte) der an sich kostspieligen Ausbildung in der Krankenpflege unterziehen. Nach Resch (aaO), wurde die Situation, dass vor der Neuregelung für die Ausbildung sogar Schulgeld zu zahlen gewesen sei, offenbar als Missstand gesehen. Weiter heißt es dort:

"Räumt das Krankenpflegegesetz den Auszubildenden für die Teilnahme an der Ausbildung Anspruch auf eine Entschädigung ein, kann dies nur so zu verstehen sein, dass damit die Ausbildungszeit besonders abgegolten wird, und dass umgekehrt die Kosten der Ausbildung nicht auf den Auszubildenden überwälzt werden sollen."

Nach der Rechtsprechung (Arb 8622) sieht § 11 Abs 3 KrPflG für Krankenpflegeschüler(innen) ein Entgelt vor. Gemäß § 6 des KrPflG in der letztgültigen Fassung beträgt die mit BGBl 1973/197 festgelegte Ausbildungsdauer in der allgemeinen Krankenpflege vier Jahre. § 8 des KrPflG bestimmt einen einmaligen Aufnahmevorgang, ohne nach einzelnen Ausbildungsjahren zu differenzieren. Wenngleich die Ausbildung selbst in ein erstes bis viertes Ausbildungsjahr aufgegliedert wird, ist dem Berufungsgericht in seiner Rechtsauffassung dahin zuzustimmen, dass von einem einheitlichen Ausbildungsverhältnis auszugehen ist, welches nicht für jedes Ausbildungsjahr aufs Neue begründet wird. Es reicht daher insoweit aus, auf die zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichtes hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Nach den Feststellungen wurden den klagenden Parteien bereits zu Beginn des zweiten Ausbildungsjahres die für das zweite bis vierte Ausbildungsjahr geltenden Entschädigungssätze bekanntgegeben. Gemäß § 11 Abs 3 zweiter Satz KrPflG haben die Krankenpflegeschüler(innen), sofern die Aufnahme in die Krankenpflegeschule nicht unter Erteilung der Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft (§ 9 Abs 7) erfolgt ist, auch Anspruch auf eine monatliche Entschädigung, die nach Anhören der gesetzlichen Vertretung der Dienstnehmer vom Rechtsträger der Krankenpflegeschule ihrer Höhe nach festzusetzen und zu leisten ist. Wenngleich daher der Gesetzgeber die Festsetzung der Höhe dem Rechtsträger der Krankenpflegeschule überlässt und auch eine Differenzierung, etwa nach Jahrgängen, nicht vorschreibt, kann die beklagte Partei aus dieser Bestimmung nicht für sich in Anspruch nehmen, jederzeit für bestehende Ausbildungsverhältnisse bereits festgesetzte Entschädigungen einseitig herabzusetzen. Besteht schon nach dem Gesetz ein Anspruch der Krankenpflegeschüler(innen) gegenüber dem Rechtsträger der Krankenpflegeschule auf Leistung einer Entschädigung, und wird eine solche vom Rechtsträger auch festgesetzt und bei Eingehen des Ausbildungsverhältnisses bekanntgegeben und in der Folge jeweils vor Beginn eines Ausbildungsjahres kommentarlos wiederholt, so kann kein Zweifel daran bestehen, dass damit eine zivilrechtliche Verpflichtung des Rechtsträger der Krankenpflegeschule begründet wurde, von welcher dieser nicht einseitig abweichen kann. Ob bei der Verpflichtung zur Zahlung dieser Entschädigung der Anreiz, sich der Ausbildung zu unterziehen oder die Abgeltung für Dienstleistungen am Krankenhaus überwiegt (- gemäß § 15 der ersten Krankenpflegeverordnung BGBl 1973/634 hat mindestens die Hälfte der Gesamtstundenanzahl von mindestens 5.200 auf die praktische Ausbildung zu entfallen -), kann dahingestellt bleiben, weil aus der Bestimmung des § 11 Abs 3 KrPflG keine Befugnis zum Eingriff in bestehende Ausbildungsverhältnisse zu ersehen ist. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Ermächtigung des Rechtsträgers, vor Eingehen eines neuen Ausbildungsverhältnisses die Entschädigung neu festzusetzen. Anders als in Fällen, wo schon durch einen Arbeitsvertrag dem Dienstgeber ein Änderungsvorbehalt eingeräumt wurde (vgl 9 ObA 77/00i; 8 Ob 220/95 = DRdA 1996/13 uva), ist im vorliegenden Fall ein solches Ermessen des Rechtsträgers nicht gegeben, sodass die Motive der Beklagten für die schon an sich unzulässige Herabsetzung unerheblich und keiner Prüfung dahin zu unterziehen sind, ob billiges Ermessen vorliegt oder nicht.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO begründet.

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