JudikaturJustiz9ObA148/02h

9ObA148/02h – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Hötzl und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Vogl, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Harald M*****, Wirtschaftsberater und selbständiger Handelsvertreter, *****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel ua, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 22.000,--), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. Mai 2002, GZ 15 Ra 46/02f-10, womit der Rekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. März 2002, GZ 35 Cga 29/02i-6, teilweise zurückgewiesen wurde (Punkt I.A.), in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird in seinem Punkt I.A. einschließlich der darauf entfallenden Kostenentscheidung aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung in diesem Umfang aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erließ gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei in Punkt B. des Beschlusses vom 14. 3. 2002 (ON 6) eine einstweilige Verfügung folgenden Inhalts:

"Dem Beklagten ist es ab sofort untersagt,

1. bis zum 31. 3. 2002 für Mitbewerber der Klägerin, insbesondere die Firma 'A***** Finanzmanagement Roger S*****' F***** sowie die Firma 'A***** Vermögensverwaltung' Gesellschaft mbH G***** und die Firma 'A***** Fondsmarketing' Gesellschaft mbH G*****, auf welche Art auch immer, tätig zu sein und tätig zu werden;

2. Verträge, die über Vermittlung des Beklagten oder eines anderen klägerischen Agenten zustande gekommen sind, auszuspannen. Diese einstweilige Verfügung wird, soweit sie nicht ohnehin auf Grund ihres Inhalts mit dem Ablauf 31. 3. 2002 enden werden wird, bis zur rechtskräftigen Beendigung der derzeit zu 35 Cga 29/02i Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht behängenden Rechtssache erlassen."

Gegen diese einstweilige Verfügung erhob der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei Rekurs und beantragte die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, dass der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen werde; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht den Rekurs, soweit damit der im Tenor des angefochtenen Beschlusses enthaltene Ausspruch zu Punkt B.1. insgesamt und zu Punkt B.2., insoweit sich der darin enthaltene Unterlassungsbefehl auf den Gültigkeitszeitraum bis 31. 3. 2002 bezog, angefochten wurde, zurück (Punkt I.A.); im Übrigen gab es dem Rekurs teilweise Folge, indem es den darauf gerichteten Sicherungsantrag, dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei auch für den Zeitraum nach Ablauf des Vertragsverhältnisses mit der klagenden Partei, somit ab 1. 4. 2002, zu untersagen, Verträge, die über Vermittlung des Agenten oder eines anderen A*****-Agenten zustande gekommen seien, auszuspannen, abwies (Punkt I.B.).

Das Rekursgericht begründete die Zurückweisung damit, dass im Zeitpunkt der Vorlage der Rechtsmittelakten an das Rekursgericht und der Entscheidung des Rekursgerichtes die Frist, während welcher ein Teil der erlassenen einstweiligen Verfügung gültig sein sollte (di bis 31. 3. 2002), bereits abgelaufen sei. Nach ständiger Rechtsprechung und überwiegender Lehre setze jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse, voraus, sei es doch nicht Sache der Rechtsmittelinstanz, rein theoretische Fragen zu entscheiden. Die Beschwer müsse sowohl bei Einlangen des Rechtsmittels als auch noch im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung vorliegen. Der Entscheidung des Rekursgerichtes komme hinsichtlich des von der Anfechtung umfassten Spruchteils zufolge bereits erfolgtem Wegfall der Gültigkeitsdauer der bekämpften Provisorialmaßnahme keine praktische Bedeutung mehr zu; es mangle somit dem Beklagten an einer für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderlichen Beschwer.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,-- übersteige und der Revisionsrekurs nach § 402 Abs 4 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO, § 78 EO nicht zulässig sei. Das Erstgericht sei bei seiner Entscheidung von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht abgewichen. Gegen den zurückweisenden Teil dieser Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei aus dem Grunde der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Sicherungsantrag abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 15. 6. 1999, 5 Ob 159/99i, aufgezeigt hat, bildet § 402 Abs 1 letzter Satz EO die einzige Ausnahme von der gemäß § 402 Abs 4 iVm § 78 EO anzuwendenden Bestimmung des § 528 ZPO (RIS-Justiz RS0112144). Ein Revisionsrekurs im Provisorialverfahren gegen die Zurückweisung eines Rekurses durch das Rekursgericht ist daher nicht jedenfalls, sondern nur unter den - mit der Einschränkung nach § 402 Abs 1 letzter Satz EO - sonstigen Voraussetzungen des § 528 ZPO zulässig. Neben einem EUR 20.000,-- übersteigenden Wert des Entscheidungsgegenstandes bedarf es daher auch des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1

ZPO.

Eine solche Rechtsfrage ist im vorliegenden Fall zu bejahen, weil das Rekursgericht in seiner Entscheidung von der ständigen Rechtsprechung abgewichen ist. Der Revisionsrekurs ist daher zulässig; er ist auch berechtigt.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der Klägerin und gefährdeten Partei keine Revisionsrekursbeantwortung freizustellen war. Es entspricht nämlich einhelliger Rechtsprechung, dass dann, wenn das Rekursgericht in einem Provisorialverfahren ein Rechtsmittel ohne sachliche Prüfung aus formellen Gründen zurückweist, damit kein Erkenntnis über die Anordnung oder Aufrechterhaltung einer Sicherungsmaßnahme iSd § 402 Abs 1 EO vorliegt, sodass der Rekursgegner am Verfahren über den Rekurs gegen den zweitinstanzlichen Zurückweisungsbeschluss nicht zu beteiligen ist (RIS-Justiz RS0005674, zuletzt 5 Ob 20/00b).

Entgegen der Rechtsauffassung des Rekursgerichtes nimmt die Tatsache, dass ein einstweiliges Verbot wegen Zeitablaufes überholt ist, dem Antragsgegner insbesondere im Hinblick auf Ersatzansprüche nach § 394 EO noch nicht die für die Sachentscheidung über seinen Rekurs erforderliche Beschwer (stRsp RIS-Justiz RS0005521, insbesondere SZ 72/101, zuletzt 6 Ob 22/02g).

Das Rekursgericht wird daher unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund in der Sache selbst zu entscheiden haben. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO iVm §§ 402 Abs 4, 78 EO.