JudikaturJustiz9ObA147/02m

9ObA147/02m – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Hötzl und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Hans-Jörg Vogl, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Thomas G*****, Wirtschaftsberater und selbständiger Handelsvertreter, ***** vertreten durch Plankel, Mayrhofer, Schneider Partner, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 22.000,--), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innnsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. Mai 2002, GZ 15 Ra 37/02g-9, womit der Rekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. März 2002, GZ 33 Cga 34/92k-5, teilweise zurückgewiesen wurde (Punkt I A des angefochtenen Beschlusses), in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird in seinem Punkt I A einschließlich der darauf entfallenden Kostenentscheidung und in seinem Punkt I B hinsichtlich der Wiedergabe des zufolge der Zurückweisung des Rekurses unverändert übernommenen Teils der erstgerichtlichen Entscheidung (Pkt 1a, b) aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung in diesem Umfang aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom 4. März 2002 (ON 5) erließ das Erstgericht eine einstweilige Verfügung folgenden Inhalts:

"Zur Sicherung der Ansprüche der klagenden und gefährdeten Partei auf Unterlassung vertrags- und gesetzwidriger Handlungen wird der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei ab sofort bei sonstiger Exekution untersagt:

a) Während des aufrechten Vertragsverhältnisses mit der klagenden Partei, somit bis zum 31. März 2002, für einen Mitbewerber der klagenden Partei, insbesondere die Firma A*****, die Firma Ar***** GmbH bzw die Firma A***** Marketing GmbH, auf welche Weise auch immer, tätig zu werden;

b) Verträge, die über Vermittlung des Agenten oder eines anderen A*****-Agenten zustande gekommen sind, auszuspannen. Diese einstweilige Verfügung gilt bis zur Rechtskraft des über die gleichzeitig eingebrachte Unterlassungsklage ergehenden Urteils, soweit sie nicht ohnedies auf Grund ihres Inhalts mit 31. 3. 2002 endet."

Gegen diese Entscheidung erhob der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei Rekurs und beantragte die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, dass der Provisorialantrag abgewiesen werde.

Das Rekursgericht wies mit Beschluss vom 7. 5. 2002 (ON 9) den Rekurs, soweit damit der im Tenor des angefochtenen Beschlusses enthaltene Ausspruch zu lit a und zu lit b, insoweit sich der darin enthaltene Unterlassungsbefehl auf den Gültigkeitszeitraum bis 31. 3. 2002 bezog, angefochten wurde, zurück (Punkt I A); im Übrigen gab es dem Rekurs Folge, indem es den darauf gerichteten Sicherungsantrag, dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei auch für den Zeitraum nach Ablauf des Vertragsverhältnisses mit der klagenden Partei, somit ab 1. 4. 2002, zu untersagen, Verträge, die über Vermittlung des Agenten oder eines anderen A***** zustande gekommen seien, auszuspannen, abwies. Es begründete die Zurückweisung damit, dass im Zeitpunkt der Vorlage der Rechtsmittelakten an das Rekursgericht und der Entscheidung des Rekursgerichtes die Frist, während welcher ein Teil der erlassenen einstweiligen Verfügung gültig sein sollte, bereits abgelaufen sei. Nach ständiger Rechtsprechung und überwiegender Lehre setze jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse, voraus, sei es doch nicht Sache der Rechtsmittelinstanz, rein theoretische Fragen zu entscheiden. Die Beschwer müsse sowohl bei Einlangen des Rechtsmittels als auch noch im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung vorliegen. Der Entscheidung des Rekursgerichtes komme hinsichtlich des von der Anfechtung umfassten Spruchteils (lit a des erstgerichtlichen Beschlusses) zufolge bereits erfolgtem Wegfall der Gültigkeitsdauer der bekämpften Provisorialmaßnahme keine praktische Bedeutung mehr zu; es mangle somit dem Rekurs des Beklagten an einer für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderlichen Beschwer. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige, der Revisionsrekurs nach § 402 Abs 4 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO, § 78 EO - vorbehaltlich des § 528 Abs 2a ZPO - nicht zulässig sei. Das Rekursgericht sei bei seiner Entscheidung von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht abgewichen.

Gegen den zurückweisenden Teil dieser Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Aktenwidrigkeit mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Sicherungsantrag abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Zulässigkeit:

Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 31. 8. 1999, 5 Ob 159/99i, aufgezeigt hat, bildet § 402 Abs 1 letzter Satz EO die einzige Ausnahme von der gemäß § 402 Abs 4 iVm § 78 EO anzuwendenden Bestimmung des § 528 ZPO. Ein Revisionsrekurs im Provisorialverfahren gegen die Zurückweisung eines Rekurses durch das Rekursgericht ist daher nicht jedenfalls, sondern nur unter den - mit der Einschränkung nach § 402 Abs 1 letzter Satz EO - sonstigen Voraussetzung des § 528 ZPO zulässig. Neben einem EUR 20.000 übersteigenden Wert des Entscheidungsgegenstandes bedarf es daher auch des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO.

Eine solche Rechtsfrage ist im vorliegenden Fall gegeben, weil das Rekursgericht in seiner Entscheidung von der ständigen Rechtsprechung abgewichen ist; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der Klägerin und gefährdeten Partei keine Revisionsrekursbeantwortung freizustellen war. Es entspricht völlig einhelliger Rechtsprechung, dass dann, wenn das Rekursgericht in einem Provisorialverfahren ein Rechtsmittel ohne sachliche Prüfung aus formellen Gründen zurückweist, damit kein Erkenntnis über die Anordnung oder Aufrechterhaltung einer Sicherungsmaßnahme iSd § 402 Abs 1 EO vorliegt, sodass der Rekursgegner am Verfahren über den Rekurs gegen den zweitinstanzlichen Zurückweisungsbeschluss nicht zu beteiligen ist (RIS-Justiz RS0005674, zuletzt 5 Ob 20/00b).

Zur Rechtsrüge:

Entgegen der Rechtsauffassung des Rekursgerichtes nimmt die Tatsache, dass ein einstweiliges Verbot wegen Zeitablaufes überholt ist, dem Antragsgegner insbesondere im Hinblick auf Ersatzansprüche nach § 394 EO noch nicht die für die Sachentscheidung über seinen Rekurs erforderliche Beschwer (stRsp RIS-Justiz RS0005521, insbesondere SZ 72/101, zuletzt 6 Ob 22/02g).

Das Rekursgericht wird daher unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund in der Sache selbst zu entscheiden haben. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO iVm §§ 402 Abs 4, 78 EO.