JudikaturJustiz9ObA121/05t

9ObA121/05t – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Juli 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien

1. Mag. Tina T*****, Angestellte, ***** 2. Veronika S*****, Angestellte, ***** und 3. Susanne G*****, Landesbeamtin, *****, alle vertreten durch Raits Ebner Rechtsanwälte GmbH, Salzburg, gegen die beklagte Partei Angestelltenbetriebsrat des Betriebes Museum ***** (richtig: „Museum ***** Betriebsgesellschaft mbH"), vertreten durch Dr. Sabine Berger, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen Anfechtung einer Betriebsratswahl, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Mai 2005, GZ 11 Ra 25/05h-10, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. November 2004, GZ 20 Cga 141/04v-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit EUR 306,70 (darin EUR 51,12 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Museum ***** war ursprünglich ein Landesmuseum des Landes Salzburg und wurde vom Amt der Salzburger Landesregierung verwaltet. Im Oktober 2003 wurde das Museum von der Museum ***** Betriebsgesellschaft mbH übernommen. Die früher im Museum beschäftigt gewesenen Landesbeamten und Landesvertragsbediensteten wurden an ihren bisherigen Arbeitsplätzen aufgrund eines zwischen dem Land Salzburg und der GmbH abgeschlossenen Personalübernahmevertrages weiterbeschäftigt. An der Tätigkeit der Mitarbeiter änderte sich dadurch nichts. Auch der Landesvertragsbedienstesten- bzw Beamtenstatus der Mitarbeiter wurde nicht verändert. Die GmbH nahm in der Folge weitere Mitarbeiter auf, die in einem privatrechtlichen Angestelltenverhältnis zu ihr stehen. Am 1. 7. 2004 und 19. 7. 2004 waren insgesamt 38 Dienstnehmer im Betrieb des Museums beschäftigt, davon 19 Landesbedienstete, die übrigen waren Angestellte; zwei oder drei Mitarbeiter waren auf freier Dienstvertragsbasis tätig, eine Mitarbeiterin im Rahmen eines vom AMS finanzierten Akademikertrainings. Die Erstklägerin ist seit 1. 11. 2003 Angestellte der GmbH, die Zweitklägerin seit 1. 6. 2004. Die Drittklägerin ist seit 1986 Beamtin des Landes Salzburg und war immer im Museum beschäftigt.

Am 17. 6. 2004 hängten zwei Angestellte, nämlich Dr. Andrea D***** und Frau F***** gemeinsam die Kundmachung über die Einberufung einer Gruppenversammlung (Betriebsversammlung) zur Wahl des Wahlvorstandes eines Angestellten-Betriebsrates aus, wobei die Versammlung am 1. 7. 2004 12,00 Uhr stattfinden sollte. Zur Betriebsversammlung am 1. 7. 2004 erschienen 13 angestellte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, weiters ein Gewerkschafts- und ein Arbeiterkammervertreter als Spezialisten für die Durchführung einer Betriebsratswahl. Bei der Versammlung wurde ein Wahlvorschlag eingebracht, der Dr. Andrea D*****, Dr. Eleonora L***** und Mag. Sandra S***** als Mitglieder und Dr. Susanne R***** und Mag. Elisabeth I***** als Ersatzmitglieder vorschlug. Da sich die Initiatoren der Betriebsratswahl noch nicht im Klaren darüber waren, ob die im Museum ***** beschäftigten Landesbeamten und -vertragsbediensteten ebenfalls wahlberechtigt seien und ob allenfalls auch freie Mitarbeiter aktiv wahlberechtigt wären, somit die Gesamtanzahl der allenfalls wahlberechtigten Dienstnehmer fraglich war, entschied man sich dafür, einen aus drei Mitgliedern und zwei Ersatzmitgliedern bestehenden Wahlvorschlag einzubringen. Da von der Geschäfsführung der GmbH unterschiedliche Mitarbeiterlisten übermittelt wurden, trat Frau Dr. D***** auch mit einem Personalvertreter des Amtes der Landesregierung in Kontakt, um abzuklären, ob die Landesbediensteten an der Wahl teilnehmen könnten. Inoffizielle Gespräche mit Landesbediensteten hatten ergeben, dass diese lieber von der Personalvertretung vertreten sein wollten und fürchteten, bei der Teilnahme an einer Betriebsratswahl zu sehr in den betriebsverfassungsrechtlichen Einflussbereich zu gelangen. Schließlich entschlossen sich die Mitglieder des Wahlvorstandes, die Landesbediensteten nicht in die Liste der Wahlberechtigten aufzunehmen. Die Wahl wurde für 19. 7. 2004 ausgeschrieben, wobei ausgeführt wurde, dass zwei Mitglieder in den Betriebsrat zu wählen seien. Die Liste der Wahlberechtigten erhielt die Namen von 16 Mitarbeitern, welche als Angestellte im Museum beschäftigt waren. Am 6. 7. 2004 reichte die „Liste 1" einen Wahlvorschlag beim Wahlvorstand ein, in der Dr. D*****, Dr. L*****, Mag. S***** und Mag. I***** als Wahlwerber aufschienen, als Vertreterin Dr. R*****. Am 8. 7. 2004 übergab die Zweitklägerin einem Mitglied des Wahlvorstandes einen Wahlvorschlag mit der Bezeichnung „Liste 2" mit Dr. L*****, Mag. I*****, Mag. S***** sowie der Erstklägerin als Wahlwerberinnen. Als Vertreterin schien die Zweitklägerin auf. Das Mitglied des Wahlvorstandes Frau Dr. L***** teilte sowohl per E-Mail als auch telefonisch der Zweitklägerin mit, dass drei von den vier auf dem Wahlvorschlag aufscheinenden Personen nicht bereit seien, auch auf der „Liste 2" zu kandidieren. Zu einer formellen Zurückweisung des Wahlvorschlages kam es nicht, er lag jedoch am Wahltag nicht auf. Die Klägerinnen begehren die Ungültigerklärung der Betriebsratswahl vom 19. 7. 2004, weil wesentliche Bestimmungen des Wahlverfahrens und leitende Grundsätze des Wahlrechtes verletzt worden seien, wodurch letztlich auch das Wahlergebnis beeinflusst worden sei (§ 59 ArbVG). Soweit für das Revisionsverfahren noch relevant, brachten sie unter anderem vor, dass die Wahlkundmachung und die aufgelegte Wählerliste nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen habe, weil in die Liste der Wahlberechtigten nicht alle im Betrieb Beschäftigten, nämlich nur die Angestellten der GmbH, nicht aber die in einem Dienstverhältnis zum Land Salzburg stehenden Personen aufgenommen worden seien.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Die Dienstnehmer, die in einem Dienstverhältnis zum Land Salzburg gestanden seien, seien richtigerweise nicht in die Liste der Wahlberechtigten aufgenommen worden, weil in dem zwischen dem Land Salzburg und der GmbH abgeschlossenen Personalübernahmevertrag festgehalten worden sei, dass die Vertretung der Interessen der Landesbediensteten der Personalvertretung des Amtes der Salzburger Landesregierung obliege. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass auch die Beamten und Vertragsbediensteten, sofern sie zumindest sechs Monate im Museum tätig waren, den Arbeitnehmerbegriff des § 36 ArbVG erfüllten und somit sowohl aktiv als auch passiv zur Betriebsratswahl wahlberechtigt gewesen wären. Durch die Nichtaufnahme der Beamten und Vertragsbediensteten in die Wählerliste seien somit wesentliche Bestimmungen des Wahlverfahrens verletzt worden, die alle drei Klägerinnen zur Anfechtung berechtigten.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Ergänzend führte es aus, dass das Unterlassen eines Einspruchs gegen die Wählerliste keine Beschränkung des Anfechtungsrechts nach § 59 Abs 1 ArbVG zur Folge habe, weil Bestimmungen der Betriebsratswahlordnung nicht in der Lage seien, die weitergehenden Anfechtungsrechte nach § 59 ArbVG einzuschränken (9 ObA 22/91 = SZ 64/14 uva). Schon der Verstoß bei der Anlegung der Wählerliste führe zur erfolgreichen Anfechtung der Wahl, ohne dass es darauf ankomme, ob die Nichtberücksichtigung einer weiteren Wahlwerbergruppe ebenfalls einen erheblichen Mangel der Wahl darstelle. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob Beamte und Vertragsbedienstete, die in einem betriebsratspflichtigen Betrieb nach dessen Ausgliederung als zugeteilte Dienstnehmer tätig blieben, von der Wahlberechtigung und Wählbarkeit ausgeschlossen seien, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Im Falle von „Ausgliederungen" aus dem öffentlichen Bereich ist es dem Bundesgesetzgeber möglich, im Bedarfsfall für ausgegliederte Unternehmungen auch eigenständige gesetzliche Regelungen der innerbetrieblichen Interessenvertretung zu schaffen und zwar gestützt auf den Kompetenztatbestand „Arbeitsrecht" gemäß Art 10 Z 11 B-VG (Alvarado-Dupuy „Betriebliche Interessenvertretungen in ausgegliederten Einrichtungen" in Kropf, „Ausgliederungen aus dem öffentlichen Bereich", 136). Im Landesbereich sind solche Gestaltungsmöglichkeiten für den Landesgesetzgeber durch die Verfassung (Art 21 Abs 2 B-VG) abgeschnitten. Jede Ausgliederung aus dem Dienststellenverband der Landesverwaltung, die zu einer betrieblichen Struktur führt, beseitigt die Regelungsbefugnis des Landes für die innerbetriebliche Interessenvertretung im ausgegliederten Bereich. Abweichungen vom ArbVG, sei es auch nur in Form von zweckmäßigen Übergangsbestimmungen, könnten daher nur vom Bund geregelt werden (Alvarado - Dupuy aaO). Dieser Rechtslage trägt das Salzburger Landes-Personalvertretungsgesetz, LGBl Nr 1/1992 in der derzeit geltenden Fassung dadurch Rechnung, dass es im § 1 Abs 3 lit a Bedienstete in Betrieben im Sinn des Art 21 Abs 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes ausdrücklich ausnimmt.

Betriebe eines Unternehmens mit eigener Rechtspersönlichkeit fallen auch dann unter den Geltungsbereich des ArbVG, wenn sie im alleinigen oder mehrheitlichen Eigentum des Bundes (bzw wie hier: des Landes) stehen. Der weite Arbeitnehmerbegriff des § 36 ArbVG stellt grundsätzlich nur auf ein faktisches Beschäftigungsverhältnis ab, das durch persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit gekennzeichnet ist, sodass grundsätzlich auch in private Rechtsträger „ausgegliederte" Beamte (Anmerkung: dies gilt auch für die nicht in das Angestelltenverhältnis übergeführten Vertragsbediensteten) Arbeitnehmer im Sinne der Betriebsverfassung sind, wenn sie in einen Betrieb eingegliedert sind, der in den Geltungsbereich des II. Teils des ArbVG fällt (Germ/Spenling „Versetzungsschutz im privaten Arbeitsrecht und im öffentlichen Dienstrecht - ein Vergleich" in FS Bauer/Maier/Petrag, 200 mwN).

Im vorliegenden Fall kann kein Zweifel daran bestehen, dass auf den Betrieb des in Form einer GmbH geführten Museums die Vorschriften des Arbeitsverfassungsgesetzes grundsätzlich Anwendung finden. Es gelten daher für alle Arbeitnehmer einschließlich der öffentlich-rechtlichen Bediensteten die Vorschriften des II. Teils des Arbeitsverfassungsgesetzes. Auch Beamte und Vertragsbedienstete sind daher Arbeitnehmer im Sinne der Betriebsverfassung, wenn sie - wie hier - in einen Betrieb eingegliedert sind, der in den Geltungsbereich es II. Teils des Arbeitsverfassungsgesetzes fällt (Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller ArbVG II³, 262 f; so auch B. Schwarz „Rechtsprobleme der Ausgliederungen unter besonderer Betonung des öffentlichen Bereichs" in DRdA 2002/351 f; Goricnik „Betriebsverfassungsrechtlicher Versetzungsschutz für ausgegliederte Beamte?" in RdW 2003/170).

Sind daher Beamte oder Vertragsbedienstete dauernd einem Betrieb im Sinn des § 36 ArbVG zugeteilt („verliehen"), sind sie Arbeitnehmer dieses Betriebes im Sinne des § 36 ArbVG. Damit besitzen sie auch das uneingeschränkte aktive und passive Wahlrecht wie andere Dienstnehmer, welche dem ArbVG unterliegen (Alvarado-Dupuy aaO, 138). Vor dem Hintergrund des oben dargestellten zwingenden Betriebsverfassungsrechts ist es daher - entgegen der Meinung der Beklagten - ohne rechtliche Bedeutung, dass sich das Land Salzburg im „Personalübernahmevertrag" vorbehalten hat, dass die Interessenvertretung der in der GmbH tätigen Landesbediensteten weiterhin der Personalvertretung des Amts der Landesregierung unterliegen (§ 5) oder Beamte bzw Landesvertragsbedienstete geäußert haben, lieber von der Landes-Personalvertretung als von einem Betriebsrat vertreten zu werden. Zutreffend ist daher das Berufungsgericht auf diese Argumentation nicht näher eingegangen. Da somit die dem Museum dauernd zugeteilten Beamten und Vertragsbediensteten in die Wählerliste (§§ 14, 15 BRWO) aufzunehmen gewesen wären, dies jedoch unterblieben ist, wurden wesentliche Bestimmungen des Wahlverfahrens verletzt. Das Berufungsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO), dass die Unterlassung eines Einspruchs gegen die Wählerliste nicht geeignet ist, das Anfechtungsrecht nach § 59 ArbVG zu beschränken (9 ObA 22/91 = SZ 64/14 ua). Zur Anfechtung einer Betriebsratswahl wegen Verletzung wesentlicher Bestimmungen des Wahlverfahrens oder leitender Grundsätze des Wahlrechtes sind die Wahlberechtigten befugt. Darunter sind alle Arbeitnehmer des Betriebes zu verstehen, die bei jener Betriebsratswahl, deren Gültigkeit bestritten wird, das aktive Wahlrecht besessen haben. Dabei kommt es nicht auf die vom Wahlvorstand erstellte Wählerliste an. Auch Arbeitnehmer, die gesetzwidrig nicht in die Wählerliste aufgenommen wurden, sind anfechtungsberechtigt (9 ObA 22/91; Schneller in Cerny/Gahleitner/Kundtner/ Preiss/Schneller ArbVG II³, 431 f). Damit kommt auch der Drittklägerin als einem betriebsratspflichtigen Betrieb überlassener Beamtin die von der Beklagten bestrittene Anfechtungslegitimation zu (Schneller aaO).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm § 58 Abs 1 erster Satz ASGG. Da die im Revisionsverfahren obsiegenden Klägerinnen von der Revisionswerberin die Bewertung des Streitwerts mit 1.000 EUR übernommen haben, sind die Kosten auf dieser Basis zuzuerkennen und ist nicht auf den Zweifelsstreitwert nach § 14 lit a RATG (RS0109658) zurückzugreifen.

Rechtssätze
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