JudikaturJustiz9ObA100/03a

9ObA100/03a – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. September 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie durch die fachkundigen Laienrichter Eveline Umgeher und Gerhard Prochaska als weitere Senatsmitglieder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Edmund R*****, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter im Konkurs der ***** W***** KEG, vertreten durch Proksch Partner OEG, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Sladan D*****, vertreten durch Dr. Herbert Holzinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 984, ), infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 28. Mai 2003, GZ 7 Ra 47/03p 11, mit dem das Urteil des Arbeits und Sozialgerichtes Wien vom 25. Oktober 2002, GZ 4 Cga 188/02y 6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 266,69 (darin EUR 44,45 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit rechtskräftigem Zahlungsbefehl des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 17. 7. 2001 wurde die Gemeinschuldnerin schuldig erkannt, dem Beklagten S 53.352,82 samt 8,5 % Zinsen seit 12. 4. 2001 sowie Verfahrenskosten von S 7.424,88 binnen 14 Tagen zu zahlen. Aus der Wiedergabe der Klagebehauptungen im Feld "weiteres Vorbringen" im Zahlungsbefehl ergibt sich, dass der Kapitalbetrag als Bruttoforderung geltend gemacht wurde. Im über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffneten Konkursverfahren meldete der Beklagte eine Forderung in Höhe von insgesamt EUR 5.154,18 an, die in EUR 3.877,30 an Kapital, EUR 338,73 an Zinsen bis Konkurseröffnung und EUR 938,15 an Kosten (einschließlich zwischenzeitig aufgelaufener Exekutionskosten) aufgeschlüsselt wurde. Im Anmeldungsverzeichnis wurde - wie auch bei anderen Dienstnehmern der Gemeinschuldnerin - in der Anmerkungsspalte festgehalten, dass eine titulierte Bruttoforderung angemeldet wurde. Weiters wurde festgehalten, dass die Forderung mit EUR 4.170,18 festgestellt und im Umfang von EUR 984, - (vom Masseverwalter) bestritten wurde. Unstrittig ist, dass dem Beklagten unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge aus der angemeldeten Bruttoforderung zuzüglich Zinsen und Kosten eine Nettoforderung von EUR 4.170,18 zusteht.

Der klagende Masseverwalter begehrte die Feststellung, dass die in Höhe von EUR 5.154,18 angemeldete Konkursforderung nur mit einem Teilbetrag von EUR 4.170,18 zu Recht, im Übrigen (also mit EUR 984, ) hingegen nicht zu Recht bestehe. Der Sachverhalt sei vollkommen unstrittig. Der Beklagte habe sich geweigert, seine angemeldete Forderung um EUR 984, - einzuschränken, sodass dem Masseverwalter keine andere Möglichkeit bleibe, als die Feststellung des Nichtbestehens der Forderung in diesem Umfang zu begehren. Der Beklagte hätte sich bei der Anmeldung seiner Forderung auf die Nettobeträge beschränken müssen. Ansonsten entstünde die rechtliche Situation, dass im Anmeldeverzeichnis eine höhere titulierte Forderung aufscheine als dem Beklagten tatsächlich zustehe, weil ja die Lohnnebenkosten von den entsprechenden öffentlichen Stellen selbst angemeldet würden und sohin im Umfang der vom Dienstgeber zu tragenden Lohnnebenkosten Doppelanmeldungen vorlägen.

Der Beklagte vertrat die Auffassung, er sei berechtigt, auch im Konkurs den Bruttobetrag geltend zu machen. Ein Bruttobegehren und das diesem entsprechende Nettobegehren sei als ident anzusehen. Der Masseverwalter habe den der Bruttoforderung entsprechenden Nettobetrag anerkannt, womit die angemeldete Forderung in Wahrheit gar nicht zum Teil bestritten, sondern vielmehr vollinhaltlich anerkannt sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es sei unstrittig, dass Arbeitnehmer ihre Forderungen mit dem Bruttobetrag anmelden könnten. In der Geltendmachung einer Bruttoforderung werde die Absicht deutlich, nur den um die gesetzlichen Abzüge verminderten Betrag für sich selbst in Anspruch zu nehmen. Es liege daher keine teilweise Doppelanmeldung vor, wenn diese Abzugsposten ihrerseits von den dazu berechtigten Gläubigern angemeldet werden. Habe aber der Masseverwalter die Nettoforderung anerkannt, müsse vom Gläubiger die Forderung "auf netto" eingeschränkt werden, da ansonsten der Differenzbetrag weiterhin im Anmeldungsverzeichnis aufscheinen würde. Die Forderungsanmeldung sei auch nicht ausdrücklich mit einem Bruttobetrag erfolgt, da an Kapital ohne näheren Hinweis - ein Betrag von EUR 3.877,30 angemeldet worden sei.

Das Berufungsgericht änderte die erstgerichtliche Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung ab und ließ die ordentliche Revision zu. Die Anmeldung einer Bruttoforderung sei auch im Konkurs zulässig. Selbst bei Geltendmachung des Nettobetrages anstelle des ursprünglich geforderten Bruttobetrages handle es sich nicht um eine Klageänderung. Dies müsse auch im Konkursverfahren im Rahmen der Anerkennung des den Bruttobetrag entsprechenden Nettobetrages gelten, ohne dass es dabei einer "Einschränkung" bzw "Richtigstellung" auf den Nettobetrag seitens des Gläubigers der titulierten Forderung bedürfte. Dass der Beklagte einen Bruttobetrag angemeldet habe, ergebe sich nicht nur aus der Ausfallgeldanmeldung, sondern auch aus dem Titel sowie noch besonders aus der Anmerkung im Anmeldungsverzeichnis. Ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Differenzbetrages zwischen Brutto und Nettoforderung bestehe nicht.

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der klagende Masseverwalter vertritt die Rechtsauffassung, nur im Falle nicht titulierter Arbeitnehmerforderungen sei die Anmeldung eines Bruttobetrages im Konkurs unbedenklich. Aus der zwingenden konkursrechtlichen Bestimmung des § 110 Abs 2 KO ergebe sich jedoch, dass eine titulierte bestrittene Forderung binnen der vom Konkursgericht gesetzten Frist vom Bestreitenden mit negativer Feststellungsklage bestritten werden müsse, widrigens sie als festgestellt gelte. Das vorliegende Problem stelle sich nur, wenn die vom Dienstnehmer im Konkurs angemeldete Bruttoforderung tituliert ist. In diesem Fall seien nicht nur die dem Dienstnehmer selbst zustehenden Nettoansprüche, sondern auch die Differenz zwischen Netto und Bruttobetrag titulierte und als solche angemeldete Konkursforderungen. Das Unterlassen einer Bestreitung im Umfang des Differenzbetrages würde zu Doppelanmeldungen und Verfälschungen des Konkursergebnisses führen, sofern die Krankenkassen und Finanzämter ihre eigenen Forderungen selbst anmelden.

Dieser Rechtsauffassung ist nicht zu folgen. Es entspricht ganz herrschender Judikatur, dass ein Dienstnehmer nicht nur berechtigt ist, den Bruttolohn klageweise geltend zu machen (RIS Justiz RS0000636), sondern dass auch für die Anmeldung von Arbeitnehmerforderungen im Konkurs keine anderen Anforderungen zu stellen sind, als an die klageweise Geltendmachung in einem außerhalb eines Konkurses geführten Rechtsstreit, sodass auch die Anmeldung von Bruttobeträgen zulässig ist (RZ 1991/30, WBl 1992, 125). Soweit ein im Prozess geltend gemachter Bruttobetrag einem im Konkurs angemeldeten Nettobetrag entspricht bzw diesen nicht übersteigt, ist Identität der Begehren im Sinne des § 110 Abs 1 Satz 2 KO gegeben (SZ 67/133, 8 ObA 311/95). An dieser Identität der Begehren kann sich nun entgegen der Auffassung des Revisionswerbers nichts dadurch ändern, dass über die klageweise geltend gemachte Bruttoforderung bereits ein rechtskräftiger Titel vorliegt, was lediglich zu einer Verschiebung der Parteirollen im Prüfungsprozess führt.

Dass der Beklagte seine (Kapital )Forderung in seiner Anmeldung hinreichend deutlich als Bruttoforderung geltend gemacht hat, wird im Revisionsverfahren gar nicht mehr bestritten. Es kann daher mit dem Hinweis darauf sein Bewenden haben, dass spätestens in der Prüfungstagsatzung durch Aufnahme des entsprechenden Vermerkes in der Anmerkungsspalte in Verbindung mit dem unmissverständlichen Titel eine hinreichende Klarstellung erfolgt ist. Die Anmeldung einer Forderung im Konkurs mit einem Bruttobetrag ist nun im Allgemeinen dahin zu interpretieren, dass damit nur der um gesetzlichen Abzüge verminderte (Netto )Betrag in Anspruch genommen wird. Es liegt daher keine teilweise Doppelanmeldung vor, wenn diese Abzugsposten ihrerseits von den dazu berechtigten Gläubigern angemeldet werden (zuletzt 9 ObA 27/03s unter Hinweis auf Konecny in Konecny/Schubert , Rz 3 zu § 103 KO mwN).

Hat nun aber der Beklagte mit seiner Forderungsanmeldung bei richtigem Verständnis nur den (unstrittigen) Nettobetrag von EUR 4.179,18 geltend gemacht, so hat er nicht mehr gefordert, als ihm zusteht. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers besteht kein Anlass, bei der Auslegung von Forderungsanmeldungen bzw der Beurteilung der Identität von Brutto und Nettoforderungen zwischen titulierten und nicht titulierten Arbeitnehmerforderungen zu differenzieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.