JudikaturJustiz9Ob98/01d

9Ob98/01d – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Neumayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei KR Dr. Gerda M*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Erika F*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Mag. Martin Paar, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 316.978,22 sA, über die Revision (Revisionsinteresse S 190.311,56) der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 12. Dezember 2000, GZ 15 R 196/00d-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29. August 2000, GZ 4 Cg 19/99i-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 10.560,-- (darin S 1.760,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Franz F***** starb am 3. 2. 1998 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung. Die Beklagte ist seine Witwe, die Klägerin eine Tochter aus einer früheren Ehe. Der Nachlass wurde den Streitteilen sowie Günther F*****, einem Sohn des Erblassers, zu je einem Drittel auf Grund des Gesetzes eingeantwortet. Das Inventar weist Aktiva von insgesamt S 159.471,72 und Passiva von S 417.602,41, zusammen eine Nachlassüberschuldung in Höhe von S 258.130,69 aus. Bereits mit Notariatsakt vom 1. 6. 1981 hatte der Erblasser der Beklagten seinen Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ *****, GB ***** D*****, mit der Maßgabe geschenkt, dass die Erfüllung dieser Schenkung erst nach dem Ableben des Geschenkgebers erfolgen sollte (Schenkung auf den Todesfall); gleichzeitig hatten der Erblasser und die Beklagte einen weiteren Notariatsakt geschlossen, in welchem der Erblasser der Beklagten verschiedene Fahrnisse um S 30.000,-- verkauft sowie weitere Gegenstände schenkungsweise übertragen hatte; diesen Fahrnissen kam im Zeitpunkt des Todes des Erblassers kein relevanter materieller Wert mehr zu. Der Wert der Gesamtliegenschaft betrug im Todeszeitpunkt S 2,8 Mio.

Im Jahre 1990 hatte der Erblasser noch über Sparguthaben in Höhe von S 780.000,--, verteilt auf drei Sparbücher, verfügt. Die Vorinstanzen konnten nicht feststellen, dass sich diese Sparbücher im Zeitpunkt des Todes noch in der Verfügungsmacht des Erblassers befunden hätten oder aber die Beklagte diese Sparbücher an sich gebracht oder darüber verfügt hätte.

Aus dem offenen Grundbuch über die Katastralgemeinde D***** ergibt sich, dass die hier streitgegenständliche Liegenschaftshälfte der beklagten Partei bereits vor Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz eingeantwortet wurde.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von S 316.978,22 sA. Sie brachte im Wesentlichen vor, dass bei der Berechnung ihrer erbrechtlichen Ansprüche richtigerweise von einem Aktivnachlass in Höhe von S 1,901.869,31 (rechnerisch richtig S 2,001.869,31) ausgegangen werden müsse. Dabei seien einerseits die Schenkungen des Erblassers an die Beklagte mit S 1,4 Mio für die Liegenschaftshälfte und S 80.000,-- für die geschenkten Fahrnisse in Anschlag zu bringen; weiters habe der Erblasser Sparbücher mit einem Einlagestand von S 780.000,-- besessen, welche sich die Beklagte angeeignet habe. Von diesen Aktiven sei die Nachlassüberschuldung in Höhe von S 258.130,69 in Abzug zu bringen. Der Klägerin stehe daher als "anteilige Erbportion bzw Pflichtteil" (Ergänzung) ein Sechstel des gesamten Aktivnachlasses, somit S 316.978,22 zu. Trotz Zahlungsaufforderung habe die Beklagte nicht geleistet (im Revisionsverfahren stützt die Klägerin ihre Ansprüche auf Ergänzung des Pflichtteils nicht mehr auf Fahrnisschenkungen oder von der Beklagten übernommene Sparbuchguthaben).

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Hinsichtlich der (im Revisionsverfahren einzig noch strittigen) Anrechnung der auf den Todesfall geschenkten Liegenschaftshälfte bestritt sie jedweden diesbezüglichen Anspruch der Klägerin. Auf Grund des Altersunterschiedes (von ca 30 Jahren) sei es für den Erblasser im Zeitpunkt der Schenkung vorhersehbar gewesen, dass die Beklagte einmal seine Pflege übernehmen werde. Tatsächlich habe er in den letzten 8 Jahren auch an der Parkinson'schen Krankheit gelitten. Die Schenkung habe daher der Erfüllung einer sittlichen Pflicht entsprochen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Schenkung auf den Todesfall nach nunmehr ständiger Rechtsprechung für die Berechnung des Pflichtteils wie ein Vermächtnis zu behandeln sei. Werde dem Noterben der Pflichtteil nicht oder nicht vollständig ausgemessen, müssten sowohl die Erben als auch die Legatare anteilsmäßig zur vollständigen Entrichtung beitragen. Es obliege den Erben, die Kürzung der Legate vorzunehmen und zuviel Geleistetes zurückzuverlangen. Hingegen komme dem Pflichtteilsberechtigten kein direktes Klagerecht gegenüber dem Legatar (hier: dem Schenkungsempfänger) zu. Richtigerweise hätte daher die Klägerin zunächst als gesetzliche Erbin den ihr zustehenden Rückforderungsanspruch dadurch geltend machen müssen, dass sie die geschenkte Liegenschaftshälfte zurückverlangt hätte; einer direkten klageweise Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches stehe aber die mangelnde Passivlegitimation der Beklagten als "Legatarin" entgegen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es die Beklagte für schuldig erkannte, der Klägerin S 190.311,56 sA zu zahlen. Das Mehrbegehren von S 126.666,66 sA wies es (unangefochten) ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Beklagte im vorliegenden Fall sehr wohl legitimiert sei, weil sie einerseits Erbin und andererseits als auf den Todesfall Beschenkte einer Legatarin gleichzuhalten sei, welche für die nicht ausreichend Bedeckung des Pflichtteils der Klägerin mitaufkommen müsse. Die Klägerin habe ihren Anspruch keineswegs nur als Pflichtteilsergänzungsklage, sondern auch als direkte Rückforderungsklage gegenüber der Beklagten deklariert, sie mache daher auch von ihrem Recht Gebrauch, als Erbin die Legatarin direkt in Anspruch zu nehmen. Die Sonderkonstellation, dass sie sowohl Miterbin als auch Pflichtteilsberechtigte sei, nehme der Klägerin nicht das Recht des Durchgriffs auf die Beklagte. Auch mache die Klägerin nicht mehr als die Quote geltend, auf welche sie Anspruch habe, sodass es nicht darauf ankomme, dass ein weiterer Miterbe einen solchen Anspruch für sich nicht verfolge. Das Berufungsgericht verneinte weiter, dass die Schenkung auf den Todesfall in Erfüllung einer sittlichen Pflicht des Erblassers gegenüber der Beklagten erfolgt wäre.

Das Berufungsgericht erachtete eine ordentliche Revision für zulässig, da Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu einer vergleichbaren Konstellation nicht vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.

Die klagende Partei beantragte, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil wohl Rechtsprechung dazu besteht, dass ein pflichtteilsberechtigter Miterbe auf einen anderen Miterben, welcher mit einem Vermächtnis bedacht wurde, im Sinne des § 783 ABGB durchgreifen kann, doch wurde dies für den Fall einer Schenkung auf den Todesfall noch nicht explizit ausgesprochen.

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Nach herrschender Auffassung (SZ 69/58 mwN; RIS-Justiz RS0012882) kann sich auch der kraft Gesetzes berufene Erbe auf sein Pflichtteilsrecht stützen. Der Einwand hinsichtlich einer diesbezüglich fehlenden Aktivlegitimation der Klägerin ist daher verfehlt.

Nach nunmehr gesicherter Rechtsprechung (SZ 69/108 mwN) ist der auf den Todesfall Beschenkte gleich einem Legatar zu behandeln. Wird aber der auf den Todesfall Beschenkte wie ein Legatar behandelt, dann ist er für die Pflichtteilsklage - regelmäßig - nicht passiv legitimiert:

Gemäß § 783 ABGB müssen in allen Fällen, in denen einem Noterben der gebührende Erb- oder Pflichtteil gar nicht, oder nicht vollständig ausgemessen worden ist, sowohl die eingesetzten Erben, als auch die Legatare, nicht jedoch der Ehegatte mit dem gesetzlichen Vorausvermächtnis, verhältnismäßig zur vollständigen Entrichtung beitragen (SZ 69/108 mwN). Sind Vermächtnisse bereits geleistet, dann besteht im Umfang der Beitragspflicht ein in Geld bestehender Rückforderungsanspruch, welcher den erbserklärten Erben entsprechend ihrer Erbquote zukommt (SZ 63/39; SZ 65/73). Ist ein gesetzlicher Erbe Pflichtteilsberechtigter, so ist sein Erbteil, wenn dessen Wert unter jenem des Pflichtteils liegt, aus dem Wert der Vermächtnisse und der übrigen Erbteile auf die Höhe des Pflichtteils zu ergänzen (SZ 63/39). Dies muss auf Grund der Gleichartigkeit auch für Schenkungen auf den Todesfall Geltung haben. Vom Grundsatz, dass der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch zwar an den Nachlass (bzw gegen die Erben) zu richten hat und in der Regel nicht unmittelbar gegen die Vermächtnisnehmer (bzw auf den Todesfall Beschenkte) vorgehen kann, besteht eine wesentliche Ausnahme: Ist nämlich der verkürzte Noterbe zugleich auch Erbe, so kann er selbst zuviel Geleistetes unmittelbar vom Vermächtnisnehmer bzw vom auf den Todesfall Beschenkten zurückfordern (SZ 69/155 = JBl 1997, 166; SZ 65/7 = NZ 1992, 271). Im vorliegenden Fall ist die Beklagte bereits vor Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz durch eine grundbücherliche Einverleibung Eigentümerin der ihr auf den Todesfall geschenkten Liegenschaftshälfte geworden. Gemäß § 783 ABGB ist daher an die Stelle des Kürzungs-(= Reduktions-)anspruches der Erben der in Geld bestehende (teilweise) Rückforderungsanspruch getreten. Nach oben genannten Erwägungen ist somit die Klägerin als pflichtteilsberechtigte Erbin legitimiert, gemäß § 783 ABGB unmittelbar gegen ihre auf den Todesfall beschenkte Miterbin vorzugehen.

Der Einwand der mangelnden Passivlegitimation der Beklagten vermag somit nicht zu überzeugen. Da die von der Klägerin begehrte und vom Berufungsgericht zugesprochene Quote von der Beklagten im Revisionsverfahren der Höhe nach nicht mehr bekämpft wird, ist diese keiner Überprüfung zu unterziehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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