JudikaturJustiz9Ob85/14m

9Ob85/14m – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. April 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. E***** Z*****, vertreten durch Bichler Zrzavy Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei W***** N***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ralph Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Beseitigung, Unterlassung und Feststellung (Revisionsinteresse: Feststellung), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Oktober 2014, GZ 11 R 79/14i 33, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die von der Beklagten behaupteten Verfahrensmängel wurden geprüft, liegen jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Abschluss der Vereinbarungen Beil ./2 und ./I wurde vom Erstgericht ohnedies festgestellt (Ersturteil S 11, 12). Deren Auslegung ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung (RIS Justiz RS0043369). Beil ./3 brächte der Beklagten keinen Mehrwert, weil sie sich diesbezüglich nur auf den darin enthaltenen Verweis auf die „Allgemeinen Bedingungen für den Zugang zum Verteil(er)netz der W***** S***** GmbH“ beruft. Das ist aber Beil ./I.

2. Dass das Berufungsgericht den Urteilsspruch dahin präzisierte, dass die Beklagte „ nur“ bis zum Ablauf des 30. 9. 2016 zur Inanspruchnahme des verfahrensgegenständlichen Gebäudes zum Betrieb einer Transformatorstation berechtigt ist, stellt keinen Verstoß gegen § 405 ZPO dar. Es ist vielmehr berechtigt, dem Urteilsspruch eine klare und deutliche Fassung zu geben, wenn sich Letztere im Wesentlichen mit dem Begehren deckt (RIS Justiz RS0039357). Die Spruchfassung des Berufungsgerichts war hier auch zweckmäßig, weil sie allfälligen Fehlinterpretationen des Urteilsspruchs durch die Beklagte vorbeugt, ist diese doch daran interessiert, dem Ablauf des 30. 9. 2016 eine andere Bedeutung, nämlich die Möglichkeit einer dann entgeltlichen Weiternutzung des Gebäudes nach dem 30. 9. 2016, beizumessen.

3. Dem Kläger kann deshalb auch ein Feststellungsinteresse nicht abgesprochen werden. Prozessökonomischer Zweck der Feststellungsklage ist es, die Rechtslage dort zu klären, wo ein von der Rechtsordnung anerkanntes Bedürfnis zur Klärung streitiger Rechtsbeziehungen besteht, sei es, um weitere Streitigkeiten zu vermeiden, sei es um eine brauchbare Grundlage für weitere Entscheidungen zu treffen (RIS Justiz RS0037422). Das ist etwa dann der Fall, wenn der Beklagte ein Recht des Klägers hartnäckig bestreitet (RIS Justiz RS0037422 [T5]) oder wenn der Beklagte ein Recht ernsthaft behauptet, sodass es zweckmäßig ist, den für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu beenden, die Anmaßung als Ursache der bestehenden Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, das angemaßte Recht zu beweisen oder aufzugeben (RIS Justiz RS0038974). Hier beharrt die Beklagte nach wie vor darauf, über den 30. 9. 2016 hinaus die Transformatoranlage auf dem Grundstück des Klägers nutzen zu dürfen. Diesem ist daher nicht nur für den Fall eines beabsichtigten Verkaufs der Liegenschaft ein aktuelles („alsbaldiges“) Interesse daran zuzugestehen, zu wissen, ob und welche Servitut besteht.

4. Das Ausmaß der Dienstbarkeit richtet sich nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere der Zweck der Dienstbarkeit zu beachten ist (RIS Justiz RS0011720). Bei der Auslegung eines Servitutsbestellungsvertrags ist zunächst vom Wortlaut auszugehen; dem von den Parteien beim Vertragsabschluss beigelegten Verständnis gebührt jedoch der Vorrang. Lässt sich ein solches übereinstimmendes Verständnis nicht ermitteln, dann hat eine normative Interpretation unter besonderer Berücksichtigung des Zwecks der Servitutseinräumung stattzufinden (RIS Justiz RS0107851). Die Auslegung des Umfangs der Dienstbarkeit ist aber eine Frage des Einzelfalls (RIS Justiz RS0011720 [T7]) und stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde. Derartiges ist nicht ersichtlich:

Die Beklagte meint, Zweck der Dienstbarkeit sei die Stromversorgung in der Umgebung der Transformatorstation, was eine Interpretation dahin, dass die Dienstbarkeit befristet sei, verbiete. Die Befristung von zehn Jahren bestimme nur, dass die Servitut für diese Zeit unentgeltlich zu sein habe.

Gegen ihren Standpunkt spricht allerdings Punkt V.6. der AGB für den Zugang zum Verteilernetz (Beil ./I), wonach dann, wenn für die Herstellung oder Änderung des Netzanschlusses sowie wegen der Änderung des Ausmaßes der Netznutzung die Errichtung einer Transformatorstation (eines Niederspannungsraumes) notwendig ist, die W***** S***** (Rechtsvorgängerin der Beklagten) verlangen kann, dass der Netzkunde einen geeigneten Raum oder Platz unentgeltlich zur Verfügung stellt und auf Bestandsdauer duldet (lit a). Dass der Netzkunde jedenfalls den Bestand und Betrieb noch zehn Jahre ab Auflösung des Vertrags unentgeltlich zuzulassen hat (lit d), spricht dafür, dass die Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung der Netzdienstleistungen für den örtlichen Bereich über die Vertragsdauer hinaus ohnedies angemessen berücksichtigt wurde (vgl auch Punkt V.5.). Hätte nach Ablauf von zehn Jahren lediglich die Unentgeltlichkeit wegfallen sollen, wäre von der Beklagten eine entsprechende Regelung zu erwarten gewesen. Lit a) und d) gelten im Übrigen auch für bereits errichtete Transformatorstationen (lit e).

Dass in den Urkunden Beilagen ./2 und ./3 nur die (Anschluss )Adresse H*****gasse *****, nicht aber die Adresse K*****gasse ***** erwähnt wird, bestreitet die Beklagte nicht. Ihr Argument, in den diesen Verträgen zugrunde liegenden AGB Beil ./I sei von der „Anlage“ des Kunden die Rede, die sich nicht bloß auf einer einzigen Liegenschaft befinden müsse, ist jedoch nicht zielführend, weil daraus, wie dargelegt, kein über die Dauer von zehn Jahren abgeleitetes Recht der Beklagten zur Nutzung der Transformatorenstation abzuleiten ist.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten daher zurückzuweisen.

Rechtssätze
4