JudikaturJustiz9Ob58/14s

9Ob58/14s – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. September 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache von G***** L*****, vertreten durch Dr. Christa Scheimpflug, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufhebung der Sachwalterschaft, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. April 2014, GZ 44 R 171/14v, 44 R 172/14s, 44 R 173/14p 940, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Erstgericht bestellte mit Beschluss vom 19. 11. 2012 (Bd XIV, ON 829) einen Sachverständigen im Wesentlichen zur Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Besachwalterung des Revisionsrekurswerbers noch gegeben sind. Dessen Anträge auf (sofortige) Beendigung der Sachwalterschaft (ON 857, 859, 860, 865, 873, 874, 892, 893) wurden von den Vorinstanzen abgewiesen.

2. In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs bringt der Revisionsrekurswerber vor, dass das Erstgericht entgegen seiner Erklärung nicht Univ. Prof. Dr. Peter Gathmann, sondern Univ. Doz. Dr. Kurt Meszaros zum Sachverständigen bestellt habe. Er habe ein Privatgutachten von Univ. Prof. Dr. Peter Gathmann erstellen lassen, das nicht zur Entscheidung über die von ihm beantragte sofortige Aufhebung der Sachwalterschaft herangezogen worden sei.

2.1. Als verfahrensleitende Beschlüsse sind Sachverständigenbestellungsbeschlüsse nicht gesondert anfechtbar (§ 45 AußStrG; s auch RIS Justiz RS40607 [T17, T23]). Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Bestellung des Gerichtssachverständigen nun im Zusammenhalt mit der Entscheidung über die sofortige Aufhebung der Sachwalterschaft anfechtbar ist, wäre für den Revisionsrekurswerber nichts gewonnen: Da das Gericht an nicht selbständig anfechtbare verfahrensleitende Beschlüsse nicht gebunden ist (§ 40 AußStrG), wäre es hier umso weniger gehalten gewesen, eine bloß in Aussicht genommene Person zum Sachverständigen zu bestellen.

2.2. Privatgutachten kommen auch im Verfahren außer Streitsachen als Beweismittel in Betracht (RIS Justiz RS0006272 [T6]). Alleine mit Privatgutachten kann jedoch kein Sachverständigenbeweis geführt werden (RIS Justiz RS0040363, RS0040636), den das Erstgericht hier aber im Sinn des § 128 Abs 2 AußStrG für erforderlich erachtete. Die Frage, ob ein Gutachten einzuholen ist und inwieweit ihm gefolgt werden kann, betrifft im Übrigen die Beweiswürdigung, die im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht aufgegriffen werden kann (s RIS Justiz RS0007236 [T7]; RS0043320 [T27]).

3. In seiner Rechtsrüge meint der Revisionsrekurswerber, das Rekursgericht sei zur Beurteilung gelangt, dass er in seinem wohlverstandenen Interesse auch künftig der Hilfe eines Sachwalters im Umfang des bisherigen Wirkungskreises bedürfe. Diese Beurteilung werde aber durch die dem Gerichtssachverständigen gestellten Fragen nicht zu klären sein, da sie nicht auf seinen Fall abstellten.

Dem liegt ein Missverständnis zugrunde. Vor dem Hintergrund der vom Revisionsrekurswerber zugestandenen Tatsache, dass er nicht zur Untersuchung durch den Gerichtssachverständigen erschien, führte das Rekursgericht lediglich aus, dass es in seinem wohlverstandenen Interesse liege, eine Befundaufnahme durch den Sachverständigen zu ermöglichen. Die Erörterung des Gerichtsgutachtens oder eine Auseinandersetzung mit dem Privatgutachten zu beantragen, steht dem Revisionsrekurswerber frei.

4. Zur Anregung eines Gesetzesprüfungsverfahrens ist mangels Ausführungen, welche Norm aus welchem Grund geprüft werden möge, nicht Stellung zu nehmen.

5. Auch die Ausführung des Revisionsrekurswerbers, dass der von ihm selbst verfasste außerordentliche Revisionsrekurs, der bereits im Akt erliege, als neuerlich vorgelegt gelte, bedarf keiner Stellungnahme. Wie bereits in der Entscheidung 9 Ob 18/11d ausgeführt, sind im Rechtsmittelverfahren vor dem Obersten Gerichtshof Verweise im Rechtsmittel auf Ausführungen in anderen Schriftsätzen unzulässig und unbeachtlich (RIS Justiz RS0043616; RS0007029; RS0043579).

6. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG ist der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

7. Infolge Unzulässigkeit des Rechtsmittels erübrigte sich die Durchführung eines Verbesserungsverfahrens für den Rechtsmittelschriftsatz, den der Rechtsvertreter entgegen § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 nur im Postweg und nicht im Elektronischen Rechtsverkehr einbrachte (s RIS Justiz RS0128266 [T1]).

Rechtssätze
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  • RS0128266OGH Rechtssatz

    03. März 2022·3 Entscheidungen

    Gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 sind Rechtsanwälte nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26). Für Eingaben eines Rechtsanwalts ab dem maßgeblichen Stichtag 1. 5. 2012 (§ 98 Abs 15 Z 1 GOG), die auf dem Postweg und nicht im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht werden, ist demnach ein Verbesserungsverfahren durchzuführen. Die bisherige Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0124215; RS0124335; RS0124555), die in der nicht auf elektronischem Weg eingebrachten Eingabe keinen die geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindernden Formmangel erkannte und von einem folgenlosen Verstoß gegen eine reine Ordnungsvorschrift ausging, kann infolge Änderung der Rechtslage für solche Eingaben seit 1. 5. 2012 nicht mehr aufrecht erhalten werden. In gewollter Abkehr von dieser Judikatur müssen die im neu gefassten § 89c Abs 5 GOG idF BGBl I 2012/26 genannten ERV‑Teilnehmer/innen in Hinkunft den elektronischen Rechtsverkehr zwingend verwenden. Das gesetzwidrige Absehen von der Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs durch zur Nutzung Verpflichtete soll ‑ als Verletzung einer zwingend einzuhaltenden Formvorschrift (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26) ‑ zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen.