JudikaturJustiz9Ob56/09i

9Ob56/09i – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. September 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj N***** W*****, geboren am 22. Dezember 1998, Schüler, *****, vertreten durch Lechner Wirleitner Oberlindober Niedermayr, Rechtsanwälte in Steyr, gegen die beklagte Partei mj Andreas G*****, geboren am 8. Oktober 1998, Schüler, *****, vertreten durch Schmidberger-Kassmannhuber-Schwager Rechtsanwalts- Partnerschaft in Steyr, wegen Feststellung (Streitwert 20.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. März 2009, GZ 1 R 44/09k-15, womit das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 30. Dezember 2008, GZ 4 Cg 91/08b-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass - unter Berücksichtigung der mangels Anfechtung bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile - das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 541,97 EUR (darin 90,33 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.910,27 EUR (darin 123,71 EUR USt und 1.168 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 12. 1. 2008 spielten der am 22. 12. 1998 geborene Kläger und der am 8. 10. 1998 geborene Beklagte mit selbst gebastelten Utensilien Pfeil und Bogen. Ein vom Beklagten abgeschossener Pfeil traf den Kläger am Auge. Dieser erlitt dadurch eine schwere Augenverletzung mit Dauerfolgen, künftige Schäden sind nicht auszuschließen. Zugunsten des Beklagten besteht eine Haftpflichtversicherung mit einer Versicherungssumme in Höhe von 740.000 EUR.

Der Kläger begehrte die Feststellung, dass der Beklagte aus dem Unfall vom 12. 1. 2008 dem Kläger für alle künftigen Schäden in vollem Umfang schadenersatzpflichtig ist. Er stützte sein Begehren sowohl auf § 1310 erster Fall als auch dritter Fall ABGB. Der Beklagte wendete zunächst ein 50 % Mitverschulden des Klägers ein und anerkannte 50 % des Klagebegehrens. Er ergänzte in einer Folgetagsatzung (AS 25) sein Vorbringen dahin, dass für den Fall, dass das Gericht die Haftung auf § 1310 dritter Fall ABGB stütze, die Haftung des Beklagten jedenfalls mit der Versicherungssumme, somit 740.000 EUR begrenzt sei.

Das Erstgericht stellte fest, dass der Beklagte dem Kläger für alle künftigen Schäden zu 85 % schadenersatzpflichtig sei, wobei die Haftung mit der Versicherungssumme von 740.000 EUR begrenzt sei. Die Feststellung einer Haftung für weitere 15 % künftiger Schäden und soweit die Haftung über die Versicherungssumme von 740.000 EUR hinausgehe, wies es ab. Rechtlich vertrat es die Auffassung, dass sich der Kläger Leistungen aus der Unfallversicherung anrechnen lassen müsse und daher von einer Haftung von 85 % des Beklagten auszugehen sei. Das Erstgericht stützte die Haftung ausdrücklich nur auf § 1310 dritter Fall ABGB.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte das Feststellungsurteil dahin ab, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für 50 % aller künftigen unfallskausalen Schäden in vollem Umfang und für weitere 35 % aller künftigen Schäden begrenzt mit der Versicherungssumme von 740.000 EUR zu haften. Es vertrat die Auffassung, dass die Begrenzung der Haftung des Beklagten für 85 % künftiger unfallskausaler Schäden des Klägers den nach § 1310 dritter Fall ABGB anzustellenden Billigkeitserwägungen entspreche. Allerdings habe das Erstgericht das Anerkenntnis hinsichtlich 50 % künftiger Schäden nicht beachtet, insbesondere, dass dieses Anerkenntnis unbedingt und ohne Beschränkung auf eine Haftpflichtversicherungssumme erfolgt sei. Infolge dieses Anerkenntnisses betreffe der Einwand der Haftungsbegrenzung mit der Versicherungssumme nur den darüber hinausgehenden Haftungsbetrag, nämlich weitere 35 %, für die der Beklagte hafte. Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die Revision nicht zulässig sei, gab jedoch einem Abänderungsantrag des Beklagten nach § 508 ZPO Folge und änderte den Zulassungsausspruch dahin ab, dass die Revision zulässig sei. Es führte dazu aus, dass im späteren Vorbringen des Beklagten betreffend eine Haftungsbeschränkung auf 740.000 EUR Versicherungssumme auch eine teilweise Rücknahme des Anerkenntnisses erkannt werden könne und die Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Rücknahme eines Prozessanerkenntnisses nicht einheitlich sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die vom Berufungsgericht bestätigte Teilabweisung (Haftung des Beklagten für 15 % künftiger unfallskausaler Schäden) vom Kläger nicht mehr bekämpft wird und daher rechtskräftig ist. Unstrittig ist die grundsätzliche Haftung des Beklagten nach § 1310 dritter Fall ABGB. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist daher, ob das Teilanerkenntnis (50 %) ohne Begrenzung mit einer Höchstsumme gilt bzw ob im späteren Einwand des Beklagten, dass eine Begrenzung seiner Haftung mit der Haftpflichtversicherungs-Höchstsumme vorzunehmen sei, ein Teil-Widerruf des Anerkenntnisses liegt.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist diesem Vorbringen des Beklagten ein (Teil )Widerruf des Anerkenntnisses dahin zu entnehmen, dass auch für den zunächst unbedingt anerkannten Haftungsteil die Begrenzung mit der Versicherungssumme gelten solle. Zwar trifft es zu, dass ein Teil der älteren Rechtsprechung - auf diese bezieht sich auch der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung - die Möglichkeit eines Widerrufs des Prozessanerkenntnisses verneinte. Die jüngere Rechtsprechung trägt jedoch in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre (Rechberger in Rechberger ZPO3 § 395 ZPO Rz 1 iVm § 394 ZPO Rz 1; Deixler-Hübner in Fasching/Konecny2 III § 395 ZPO Rz 16; Rechberger/Simotta Zivilprozessrecht7 Rz 619) dem Umstand Rechnung, dass das prozessuale Anerkenntnis als eine den Regeln des Prozessrechts unterliegende Prozesserklärung nur auf die Gestaltung des Prozessrechtsverhältnisses gerichtet und daher auch widerrufbar ist (9 ObA 248/91; 2 Ob 145/99h; 1 Ob 264/02h). Strittig ist insoweit nur (1 Ob 264/02h), ob die Unwiderruflichkeit des Prozessanerkenntnisses erst mit Fällung des Anerkenntnisurteils oder bereits mit der darauf gerichteten Antragstellung des Gegners eintritt. Diese Kontroverse kann aber hier auf sich beruhen, weil der Kläger einen Antrag auf Fällung eines Anerkenntnisurteils ausdrücklich (AS 11) nicht gestellt hat. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass aus dem Rechtssatz der jüngeren Entscheidung 2 Ob 96/08v der Eindruck gewonnen werden könnte, es werde wieder die generelle Unwiderruflichkeit eines Prozessanerkenntnisses vertreten; aus dem Volltext ergibt sich aber eindeutig der Verweis auf die Rechtsprechungslinie, die eine Widerrufsmöglichkeit nur nach Fällung eines Anerkenntnisurteils verneint (RIS-Justiz RS0040883). Die Wirksamkeit des Teilwiderrufs des Anerkenntnisses des Beklagten führt im Ergebnis dazu, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens auf § 43 Abs 1 ZPO, hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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