JudikaturJustiz9Ob516/95

9Ob516/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. September 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Bauer, Dr.Steinbauer und Dr.Ehmayr als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen Michael J*****, geboren am 5.Dezember 1961, ***** infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Betroffenen gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 17. März 1995, GZ 3 R 81/95-8, womit sein Rekurs gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 20.Februar 1995, GZ SW 13/95-5, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs des Betroffenen unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Aufgrund von Bedenken des Prozeßgerichtes, daß beim Betroffenen die Voraussetzungen des § 273 Abs 1 ABGB vorliegen, leitete das Pflegschaftsgericht im Sinne des § 6a ZPO ein Sachwalterbestellungsverfahren ein, das zur Sachwalterbestellung führte. Dem zum Sachwalter bestellten Rechtsanwalt wurde folgender Aufgabenbereich zugewiesen:

Vertretung in allen rechtlichen Angelegenheiten, auch vor Gericht, Verwaltungsbehörden sowie auch in allen privatrechtlichen Angelegenheiten sowie in Fragen der Wohnungsnahme.

Dieser Beschluß wurde in der Tagsatzung verkündet und dem Betroffenen zu eigenen Handen zugestellt.

Der Betroffene erhob diesen Beschluß Rekurs, in dem er sich sinngemäß gegen die Bestellung eines Sachwalters aussprach.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs mit der Begründung zurück, daß nach der Verkündung des Beschlusses "allseits Rechtsmittelverzicht" erklärt worden sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Betroffenen mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Sachwalterschaftsverfahren einzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig (§ 14 Abs 1 AußStrG) und berechtigt.

Abgesehen von der Problematik eines vor zwingend angeordneter Zustellung einer Entscheidung zu eigenen Handen abgegebenen "Vorausverzichtes" auf ein Rechtsmittel (§ 246 Abs 1 AußStrG; vgl Kodek in Rechberger, ZPO Rz 11 vor § 461; Maurer, Sachwalterrecht 144; SZ 38/74 ua), setzt ein dem Gericht gegenüber abgegebener Rechtsmittelverzicht Prozeßfähigkeit voraus (Fasching Lehrbuch2 Rz 346). Es bildet demnach einen unauflösbaren Widerspruch, wenn einem Betroffenen zwar die Prozeßfähigkeit insoweit aberkannt wird, daß er in allen rechtlichen Angelegenheiten, insbesondere vor Gericht und Verwaltungsbehörden der Vertretung durch einen Sachwalter bedarf, ihm aber andererseits unterstellt wird, er selbst könne in einem gerichtlichen Verfahren wirksam auf Rechtsmittel verzichten. Ein solcher, von einem in diesem Belange prozeßunfähigen Betroffenen abgegebener Rechtsmittelverzicht ist unwirksam. Ungeachtet dieses Mangels steht dem Betroffenen jedoch gemäß § 249 Abs 2 AußStrG die Möglichkeit zu, selbst ein Rechtsmittel gegen den Beschluß über die Bestellung des Sachwalters zu erheben.

Dem Revisionsrekurs ist daher Folge zu geben. Eine Entscheidung in der Sache selbst ist nicht zu treffen, da den allfälligen Ergänzungen im Sinne des § 250 AußStrG durch das Gericht der zweiten Instanz nicht vorgegriffen werden kann.