JudikaturJustiz9Ob246/97k

9Ob246/97k – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Februar 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer, Dr.Spenling, Dr.Hradil und Dr.Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Wolfgang Tsch*****, wider die beklagte Partei Dr.Ingrid R*****, vertreten durch Dr.Günther Riess, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 68.167,20 sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 6.Juni 1997, GZ 2 R 239/97d-11, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 6.Februar 1997, GZ 12 C 2286/96t-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.058,88 bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin S 676,48 USt) und die mit S 4.871,04 bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin S 811,84 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das vom Kläger wegen eines behaupteten Honoraranspruches angerufene Bezirksgericht Innsbruck erließ wider die in Deutschland wohnhafte Beklagte aufgrund der Mahnklage einen Zahlungsbefehl, gegen den diese fristgerecht Einspruch erhob, darin den behaupteten Anspruch dem Grunde und der Höhe nach bestritt und einwendete, dem Kläger nie einen Auftrag erteilt zu haben.

In dem die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 6.2.1997 vorbereitenden Schriftsatz sowie in dieser wandte die Beklagte vorerst die örtliche Unzuständigkeit des Bezirksgerichtes Innsbruck sowie die fehlende inländische Gerichtsbarkeit ein und bestritt neuerlich das Klagebegehren.

Das Erstgericht erklärte sich mit Beschluß vom 6.2.1997 für örtlich unzuständig und wies die Klage mit der Begründung zurück, daß keiner der vom Kläger geltend gemachten Gerichtsstände des Erfüllungsortes (§ 88 JN) bzw der gelegenen Sache (§ 91 JN) noch der für Streitigkeiten um unbewegliches Gut vorgesehene Gerichtsstand (§ 81 JN) vorliege.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Rekurs des Klägers zwar nichts Stichhältiges gegen die Entscheidung des Erstgerichtes vorzubringen vermöge, die Sache aber in den Anwendungsbereich des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl 1996/448 = "Lugano-Übereinkommen") falle. Die anwaltlich vertretene Beklagte habe sich durch ihren fristgerechten und begründeten Einspruch gegen den Zahlungsbefehl bereits in das Verfahren eingelassen, ohne darin einen Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen. Das angerufene Bezirksgericht Innsbruck sei daher gemäß Art 18 des Übereinkommens jedenfalls zuständig geworden.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses abzuändern.

Die klagende Partei beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil zur Frage der Streiteinlassung im Mahnverfahren im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH und Art 18 LGVÜ keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt.

Der Rekurs ist auch berechtigt.

Gemäß Art 18 LGVÜ wird ein Gericht eines Vertragsstaates, das nach den Vorschriften des Übereinkommens an sich unzuständig ist, dann zuständig, wenn der Beklagte sich auf das Verfahren vor diesem Gericht vorbehaltlos einläßt. Demnach wird das Gericht zuständig, wenn der Beklagte "verhandelt", ohne den Mangel der internationalen Zuständigkeit zu rügen (Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel, Rz 7 zu Art 18 LGVÜ; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht5 , Rz 7 zu Art 18 EuGVÜ). Die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Beklagte die Einrede der Unzuständigkeit erheben kann, richtet sich nach einhelliger Auffassung nach dem innerstaatlichen Verfahrensrecht (Czernich/Tiefenthaler aaO Rz 5 zu Art 18; Kropholler aaO Rz 6 zu Art 18; Schlosser, EuGVÜ, Rz 2 zu Art 18; Gottwald in Münchener Kommentar zur Zivilprozeßordnung III 1648).

Für das inländische Recht vertritt die herrschende Meinung aber die Auffassung, daß im bezirksgerichtlichen Mahnverfahren der schriftliche Einspruch des Beklagten gegen den Zahlungsbefehl, selbst wenn er bereits - wie hier - ein Sachgegenvorbringen mit Beweisanboten enthält, noch keine Streiteinlassung iS des § 104 Abs 3 JN darstellt. Dies wird daraus abgeleitet, daß trotz eines solchen Einspruchs bei Versäumung der anschließenden Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung durch den Beklagten immer noch ein echtes Versäumungsurteil gemäß § 442 Abs 1 ZPO ergehen kann; eine Heilung der Unzuständigkeit tritt daher nach dieser Auffassung in diesem Falle erst durch qualifizierte Sacheinlassung des Beklagten bei der ersten mündlichen Streitverhandlung oder in einem vorher aufgetragenen vorbereitenden Schriftsatz ein (JBl 1992, 331 = EvBl 1992/8; Mayr in Rechberger, ZPO Rz 15 zu § 104 JN; Fucik in Rechberger, ZPO Rz 6 zu § 453 mwN).

Da nach der oben dargestellten Rechtslage für die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Einrede des Mangels der internationalen Zuständigkeit erhoben werden kann, das inländische Recht maßgebend ist, stellt daher der - wenn auch begründete - Einspruch der Beklagten gegen den Zahlungsbefehl noch keine zuständigkeitsbegründende Einlassung iS Art 18 LGVÜ dar (der gegenteiligen, nicht näher begründeten Meinung von Czernich/Tiefenthaler aaO Rz 8 zu Art 18 ist nicht zu folgen).

Es bedarf daher der Prüfung, ob nach den insoweit maßgebenden Bestimmungen des LGVÜ, das innerhalb seines Anwendungsbereiches das innerstaatliche Recht ersetzt (Lechner/Mayr, Das Übereinkommen von Lugano 35; Mayr in Rechberger, ZPO, Rz 12 zu § 28 JN), die internationale Zuständigkeit zu bejahen ist.

Nach der Grundregel des Art 2 LGVÜ hat der Kläger den Beklagten in dessen (Wohn )Sitzstaat zu klagen. Vor anderen Gerichten als denen des Wohnsitzstaates kann der Beklagte nur dann geklagt werden, wenn eine besondere Zuständigkeit nach den Art 5 bis 18 LGVÜ besteht (Art 3 Abs 1 LGVÜ; Mayr aaO Rz 12 zu § 28 JN).

Von den besonderen Zuständigkeiten des LGVÜ kommt im vorliegenden Fall nur jene des Art 5 Z 1 (Gerichtsstand des Erfüllungsortes für Vertragsstreitigkeiten) in Betracht, den der Kläger mit der Behauptung der Vereinbarung des Erfüllungsortes in Österreich auch in Anspruch genommen hat.

Der Gerichtsstand nach Art 5 Z 1 LGVÜ geht über den Anwendungsbereich des vergleichbaren § 88 Abs 1 JN wesentlich hinaus; er stellt auf den Ort ab, an dem der Vertrag nach der Parteienvereinbarung oder - mangels einer solchen - nach dem Gesetz zu erfüllen ist. Dabei ist jener Ort maßgebend, an dem die konkret eingeklagte Leistung zu erfüllen war oder zu erfüllen gewesen wäre (Czernich/Tiefenthaler aaO Rz 12 zu Art 5; Mayr aaO Rz 16 zu § 88 JN; Kropholler aaO Rz 12 ff zu Art 5; Gottwald aaO 1598; IPRax 1987, 366; 4 Ob 233/97m = ÖJZ-LSK 1998/23 f). Haben die Parteien keinen Erfüllungsort vereinbart, bestimmt diejenige Rechtsordnung den Erfüllungsort, die auf den zugrundeliegenden Vertrag anwendbar ist (Czernich/Tiefenthaler aaO Rz 15 zu Art 5; Kropholler aaO Rz 16 zu Art 5).

Eine Vereinbarung eines in Österreich gelegenen Erfüllungsortes hat der Kläger - wie schon das Erstgericht ausgeführt hat - nicht nachgewiesen. Im Gegensatz zu den dazu erstatteten Ausführungen im Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung findet sich im von ihm (in Fotokopie) vorgelegten Anbot keinerlei Hinweis auf eine solche Vereinbarung. Außerdem könnte sich der Kläger auf eine (nach dem Rekursvorbringen im Kaufanbot enthaltene) Vereinbarung zwischen den Parteien des (beabsichtigten) Kaufvertrages nicht berufen.

Damit wäre iS der oben dargestellten Rechtslage die internationale Zuständigkeit nur dann zu bejahen, wenn die eingeklagte Forderung des Klägers nach dem infolge § 36 IPRG anwendbaren österreichischen Recht am Sitz des Klägers - und damit in Österreich - zu erfüllen wäre. Das ist aber nicht der Fall, weil Geldschulden gemäß § 905 Abs 1 ABGB im Zweifel Schickschulden sind (Reischauer in Rummel ABGB**2 Rz 14 zu § 905 mwN), sodaß Erfüllungsort der Wohnsitz des Schuldners ist (Reischauer aaO Rz 6 zu § 905). Da der Wohnsitz der Beklagten in Deutschland liegt, kann daher aus Art 5 Z 1 LGVÜ die internationale Zuständigkeit des Erstgerichtes nicht abgeleitet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
6