JudikaturJustiz9Ob10/04t

9Ob10/04t – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Februar 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernst P*****, vertreten durch Weidacher, Imre Imre Rechtsanwaltpartnerschaft OEG in Gleisdorf, wider die beklagte Partei Volksbank S***** reg. GenmbH, ***** vertreten durch Dr. Wolfgang Poleschinski, Rechtsanwalt in Hartberg, wegen 124.000.-- EUR sA infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 25. November 2003, GZ 5 R 168/03w-20, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 31. Juli 2003, GZ 23 Cg 2/03f-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Unternehmer und steht seit 1989 mit der beklagten Partei in Geschäftsverbindung. In diesem Rahmen wurden dem Kläger Kredite gewährt, zu deren Besicherung der Kläger sämtliche jeweils in seinen Depots erliegenden Wertpapiere verpfändete. Die Verpfändung der Wertpapiere wurde für die Dauer der Geschäftsverbindung bzw. bis zur vollständigen Abdeckung aller der beklagten Partei gegenüber bestehenden Verpflichtungen vereinbart. Weiters verpflichtete sich der Kläger, innerhalb der von der beklagten Partei gestellten Frist entweder weitere ihr als Pfand genehme Wertpapiere in entsprechender Höhe zu verpfänden, falls die aushaftenden Haupt- und Nebenverbindlichkeiten des Kredites über 50 % des Kurswertes der verpfändeten Wertpapiere steigen sollten, oder den Kredit in dem Maße abzudecken, dass die "Belehnungsgrenze" wiederhergestellt ist. Die Auswahl der in den Depots erliegenden Wertpapiere oblag dem Kläger, der auch stets als Fachmann im Umgang mit Aktien auftrat und seitens der beklagten Partei jegliche Beratung ablehnte. Es wurde ihm dennoch am 20. April 1995 der "Risiko-Kodex für Veranlagungen" ausgefolgt. Der Kläger erteilte die einzelnen Kauf-und Verkaufsaufträge an die beklagte Partei. Die Kurswerte der verpfändeten Wertpapiere bzw. das Ausmaß der Belehnung wurden regelmäßig von Mitarbeitern der beklagten Partei geprüft. Im Rahmen einer neuerlichen Kreditgewährung wurde die "Belehnungsgrenze" mit Vereinbarung vom 4. Juni 2002 auf 125 % ausgedehnt; der Kläger verpflichtete sich bei Übersteigen dieser Grenze weitere Sicherheiten ehestens nachzubringen und stimmte vorab einem Verkauf der verpfändeten Wertpapiere durch die beklagte Partei zu. Ab dem 3. September 2002 wurde das Belehnungsausmaß von 125 % ständig überschritten, und zwar wegen der ungünstigen Kursentwicklung der Aktien einer bestimmten AG, die die wichtigsten Aktien in den Depots des Klägers waren. Am 3. September 2002 waren die enormen Kursverluste dieser Aktien noch nicht vorhersehbar. Am 9. September 2002 informierte ein Mitarbeiter der beklagten Partei den Kläger vom Überschreiten der "Belehnungsgrenze". Der Kläger erteilte am 10. September 2002 einen Verkaufsauftrag über 800 Stück der Aktien der genannten AG, sprach sich am 11. September 2002 vorerst gegen einen Verkauf weiterer Aktien aus und forderte die beklagte Partei bei telefonischen Gesprächen zwischen 12. und 14. September 2002 unter Androhung einer Klagsführung auf, die Aktien nicht zu rasch zu verkaufen. Am 18. September 2002 stimmte der Kläger dem Verkauf seiner Aktien bis auf 4.000 Stück zu.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren auf Ersatz des Schadens, der sich aus der Differenz eines möglichen Verkaufserlöses zum tatsächlichen Verkaufserlös ergebe, ab. Aus der Vereinbarung vom 4. Juni 2002 könne keine Pflicht zur Verständigung des Klägers abgeleitet werden, da diese eine Schutzbestimmung zugunsten der beklagten Partei darstelle; der beklagten Partei sei keine Verletzung ihrer Aufklärungs- und Beratungspflichten vorwerfbar. Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, welche sich mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig erweist.

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Revisionswerber ausführt, sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht seien entgegen seinem klaren Vorbringen davon ausgegangen, er wolle die beklagte Partei wegen einer nicht ordnungsgemäßen Aufklärung und Beratung im Zusammenhang mit Anlagegeschäften in Anspruch nehmen, wogegen er doch eine Verletzung der (allgemeinen) Sorgfaltspflicht gemäß § 1299 ABGB geltend mache, übersieht er, dass gerade die von den Vorinstanzen erörterten Aufklärungs- und Beratungspflichten als Teil der eine Bank treffenden erhöhten Schutz- und Sorgfaltspflichten anzusehen sind, unabhängig davon, ob es sich um ein Anlagegeschäft handelt.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gilt eine Bank als Sachverständiger im Sinne des § 1299 ABGB und hat für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns einzustehen, wobei die Entscheidung, ob das Verhalten der Bank im konkreten Fall diesem Sorgfaltsmaßstab genügt, nach den Umständen des Einzelfalles zu treffen ist; relevant sind insbesondere die Informationsbedürftigkeit des Kunden und die Art des jeweiligen Rechtsgeschäftes. Ein strenger Maßstab ist an die Sorgfalt anzulegen, die die Bank bei Effektengeschäften gegenüber dem Kunden anzuwenden hat (RIS-Justiz, RS0026135; RS0029601). Die in § 1299 ABGB normierte Sorgfaltspflicht von Banken besteht gerade auch in einer Aufklärungs- und Beratungspflicht, die den Kunden, dem einschlägige Kenntnisse fehlen, schützen oder ihn vor einer offenkundigen Fehlentscheidung bewahren sollen (RIS-Justiz, RS0026135; 7 Ob 140/02t).

Ausgehend von der dargelegten Rechtsprechung und den Feststellungen der Vorinstanzen kann der beklagten Partei nicht angelastet werden, den Kläger nicht ausreichend informiert oder beraten zu haben, da zum einen der Kläger aufgrund seiner eigenen Kenntnisse keiner umfassenden Beratung bedurfte und diese auch ablehnte und zum anderen die Kursentwicklung der Aktien nicht vorhersehbar war, sodass daher der beklagten Partei auch nicht vorgeworfen werden kann, es verabsäumt zu haben, den Kläger zu warnen.

Die vom Kläger erachtete Sorgfaltspflichtverletzung könnte daher nur im Unterlassen des Verkaufs der Aktien zu einem früheren Zeitpunkt bestehen. Darin kann jedoch schon deshalb keine Sorgfaltspflichtverletzung liegen, weil der beklagten Partei nicht vorgeworfen werden kann, einen solchen Verkauf nicht entgegen dem ausdrücklich erklärten Widerstand des sachkundigen Klägers durchgeführt zu haben. Mit seinen Revisionsausführungen, er hätte bei einer früheren Verständigung (am 4. oder 5. September 2002) "in welcher Form auch immer" reagieren können, legt der Kläger auch nicht schlüssig dar, inwieweit der in seinem Vermögen eingetretene Nachteil durch bestimmte Dispositionen verhindert worden wäre, zumal er auch in der Folge von der Möglichkeit weitere (ausreichende) Sicherheiten beizubringen, keinen Gebrauch machte und sich nach eigenen Angaben über die Kursentwicklung stets auf dem Laufenden gehalten hatte. Er behauptet auch nicht, daran gehindert gewesen zu sein, im maßgeblichen Zeitraum selbst Aktien aus seinem Depot zu verkaufen und mit dem Erlös die Kreditverbindlichkeiten zu verringern. Wenn er davon in der Hoffnung auf eine günstige Kursentwicklung Abstand genommen hat, ist nicht zu sehen, inwieweit dasselbe (passive) Verhalten der beklagten Partei - die nicht primär die Vermögensinteressen des Klägers zu wahren hatte - ihm gegenüber rechtswidrig sein sollte (vgl dazu etwa Hofmann in Rummel II³ § 1371 Rz 4a; 8 Ob 118/03s OLG Wien, ÖBA 1999, 398).

Die Vorinstanzen legten die Vereinbarung vom 4. Juni 2002 als eine "Schutzbestimmung" zugunsten der Bank aus, aus der keine Verpflichtung der Bank zu sofortiger Verständigung abzuleiten ist. Ob eine Vereinbarung im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz, RS0042936), was hier nicht der Fall ist. Auch aus den in der Revision angeführten Entscheidungen lässt sich für den Standpunkt des Klägers nichts gewinnen: Der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 6 Ob 575/87 (= SZ 61/216) liegt ein Sachverhalt zugrunde, der mit dem verfahrensgegenständlichen keinerlei Gemeinsamkeiten aufweist. Die Entscheidung zu 10 Ob 2299/96b, die Aufklärungspflichten anlässlich des Erwerbes von Wertpapieren betrifft, ist auch schon deswegen nicht hilfreich, weil der Kläger gerade moniert, die befassten Gerichte hätten sich zu Unrecht ausschließlich mit Aufklärungs- und Beratungspflichten bei derartigen Geschäften befasst.