JudikaturJustiz9Nc28/22z

9Nc28/22z – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Juli 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon. Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der gefährdeten Partei P* E*, gegen den Gegner der gefährdeten Partei M* K*, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung, über das Ersuchen um eine Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt zwischen den Bezirksgerichten Neusiedl am See (AZ 6 C 373/22x) und Kirchdorf an der Krems (AZ 2 C 190/22h), den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Zur Führung des Verfahrens ist das Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems zuständig.

Der Beschluss des Bezirksgerichts Kirchdorf an der Krems vom 11. April 2022, 2 C 190/22h 20, wird aufgehoben.

Text

Begründung:

[1] Die gefährdete Partei stellte an das Bezirksgericht Neusiedl am See einen auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gerichteten Antrag. Darin bezeichnete sie den Wohnort des Gegners der gefährdeten Partei mit *.

[2] Mit rechtskräftigem Beschluss vom 11. November 2020 erklärte sich das angerufene Gericht für örtlich unzuständig und überwies das Verfahren gemäß § 44 Abs 1 JN an das Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems, in dessen Sprengel der Gegner der gefährdeten Partei seinen allgemeinen Gerichtsstand habe.

[3] Das Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems erklärte sich mit rechtskräftigem Beschluss vom 11. 4. 2022 ebenfalls für örtlich unzuständig, weil der (mit Beschluss des Bezirksgerichts Neusiedl am See vom 10. 12. 2020 berichtigte) Wohnort des Beklagten „*“ nicht im Gerichtssprengel des überwiesenen Gerichts liege.

[4] Das Bezirksgericht Neusiedl am See legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt zwischen den Bezirksgerichten Neusiedl am See und Kirchdorf an der Krems vor.

Dazu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

[5] Bei der Entscheidung über negative Kompetenzkonflikte ist auf eine allfällige Bindungswirkung des ersten Beschlusses Bedacht zu nehmen. Um Kompetenzkonflikte nach Möglichkeit von vornherein auszuschließen, nimmt der Gesetzgeber in Kauf, dass allenfalls auch ein an sich unzuständiges Gericht durch eine unrichtige Entscheidung gebunden wird (RS0046391; 10 Nc 27/20g). Das Adressatgericht kann daher nicht seine Unzuständigkeit mit der Begründung aussprechen, das überweisende Gericht sei zuständig (RS0046315 [T2, T3]; RS0081664 [T3]). Im Falle der Überweisung gemäß § 44 Abs 1 JN bleibt der Überweisungsbeschluss für das Adressatgericht solange maßgebend, als dieser nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert wird (RS0081664).

[6] Diese Bindungswirkung hat das Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems missachtet. Sein Beschluss, mit dem es sich für örtlich unzuständig erklärte und deshalb den Antrag zurückwies, ist – ohne auf die Frage seiner Richtigkeit einzugehen (RS0002439 [T2, T9]) – aufzuheben.

Rechtssätze
3