JudikaturJustiz8ObS200/02y

8ObS200/02y – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. November 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Oedendorfer und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in den verbundenen Sozialrechtssachen der klagenden Parteien 1) Erwin T*****, Angestellter, *****, 2) Ing. Herbert T*****, Angestellter, *****, beide vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei IAF-Service GmbH, 7000 Eisenstadt, Neusiedlerstraße 10, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen 1) EUR 33.316,53 netto sA, 2) EUR 48.359,40 netto sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. Juni 2002, GZ 8 Rs 169/02k-12, womit über Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. Dezember 2001, GZ 17 Cgs 195/01i, 17 Cgs 329/01w-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie

als Teilurteil zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig,

Text

Entscheidungsgründe:

Beide Kläger waren seit Jahren bei der A***** GmbH (in der Folge: GmbH) angestellt, beide sind mit dem Gründer und dem Geschäftsführer des Unternehmens verwandt, beide sind an der Gesellschaft beteiligt (Erstkläger: zunächst 12,5 %, ab 1996 25 %; Zweitkläger: zunächst 12,5 %, dann 18,75 %, ab 1996 25 %). Über die GmbH wurde am 23. 3. 1999 der Konkurs eröffnet.

Das Arbeitsverhältnis der Erstklägers begann mit 2. 9. 1985 und dauerte mit einer Unterbrechung in der Zeit vom 19. 12. 1998 bis 14. 2. 1999 bis zum Austritt des Erstklägers wegen Vorenthaltens von Entgelt am 31. 3. 1999. Die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses erfolgte auf Grund einer Arbeitgeberkündigung, wobei vereinbart wurde, dass die Auflösungsansprüche gestundet und die Vordienstzeiten auf das neue Arbeitsverhältnis angerechnet werden. Das Gehalt des Erstklägers betrug zuletzt S 46.951 brutto 14 mal jährlich. Zum 31. 3. 1999 hatte er noch einen offenen Urlaubsanspruch von 32 Werktagen. Das Arbeitsverhältnis des Zweitklägers begann am 12. 7. 1976 und dauerte mit Unterbrechungen vom 20. 12. 1997 bis zum 23. 3. 1998 und vom 19. 12. 1998 bis 14. 2. 1999 bis zum Austritt des Zweitklägers wegen Vorenthaltens von Entgelt am 31. 3. 1999. In der Zeit vom 9. 7. 1992 bis zum 1. 12. 1997 war er Geschäftsführer der GesmbH. Sein Gehalt betrug zuletzt S 53.879 brutto 14 mal jährlich. Zum 31. 3. 1999 hatte er noch einen offenen Urlaubsanspruch von 44 Werktagen. Auch bei ihm wurde anlässlich der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit vom 19. 12. 1998 bis 14. 2. 1999 vereinbart, dass die Auflösungsansprüche gestundet und die Vordienstzeiten auf das neue Arbeitsverhältnis angerechnet werden (Beil 13 im verbundenen Akt 17 Cgs 329/01w).

Vor der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses wurden die laufenden Entgeltansprüche der beiden Kläger erfüllt. Allerdings waren ihnen im großen Umfang Überstunden nicht abgegolten worden, sodass sie zum Stichtag 31. 12. 1998 über Guthaben von jedenfalls 5.284,5 bzw jedenfalls 10.075,5 Überstunden verfügten. Dies hatten sie hingenommen, um die Liquidität des Unternehmens nicht zu belasten. Es war geplant, die Überstundenguthaben durch Zeitausgleich (bei Arbeitsmangel) oder durch entsprechende Zahlungen (im Falle von Überschüssen) abzugelten. Ab Beginn des mit 15. 2. 1999 begründeten Arbeitsverhältnis erhielt die beiden Kläger keinerlei Zahlungen mehr. Die Anträge der Kläger auf Insolvenz-Ausfallgeld wurden von der Beklagten zur Gänze abgelehnt. In diesen Anträgen hatten die Kläger ua für Überstunden S 1,217.727,26 bzw S 2,623.725,49 begehrt. Der Zweitkläger hatte eine Abfertigung in der Höhe von 9 Monatsentgelten geltend gemacht.

Diese Forderungen hatten sie auch im Konkurs angemeldet. Mit ihren nunmehrigen Klagen begehren die Kläger Insolvenz-Ausfallgeld in Höhe von S 458.445,39 netto sA bzw. S 665.439,94 netto sA. Ihre Überstundenforderungen sind im Klagebegehren nicht mehr enthalten. Der Zweitkläger hat seine Abfertigungsansprüche im Hinblick auf seine mehrjährige Tätigkeit als Geschäftsführer reduziert und begehrt nunmehr eine Abfertigung in der Höhe von 6 Monatsgehältern.

Im Einzelnen setzen sich die Klageforderungen wie folgt zusammen:

Erstkläger:

Gehalt 15. 2. bis 31. 3. 1999

S 41.516,09

anteilige Sonderzahlungen 1. 1. bis 31. 3. 1999

S 6.866,97

Abfertigung - 4 Monatsentgelte

S 205.958,39

Kündigungsentschädigung 1. 4. bis 30. 6. 1999

S 99.506,55

Urlaubsentschädigung (5,45 Wo. alt, 63 Werkt. neu)

S 104.597,42

Zweitkläger:

Gehalt 15. 2. bis 31. 3. 1999

S 48.059,20

anteilige Sonderzahlungen 15. 2. bis 31. 3. 1999

S 7.759,01

Kündigungsentschädigung bis 30. 6. 1999

S 114.731,66

Abfertigung - 6 Monatsgehälter

S 354.523,80

Urlaubsentschädigung 12 Wochen

S 140.366,27

Die Beklagte wendet dagegen ein, dass die Kläger in ihrem Antrag auf

Insolvenz-Ausfallgeld noch Überstundenentgelte von S 1,217.727,26 bzw

S 2,623.725,49 geltend gemacht hätten. Daraus sei ersichtlich, dass

sie einen Teil ihres Entgelts über Jahre hinweg hätten stehen lassen.

Damit sei von einer sittenwidrigen Überwälzung des Finanzierungsrisikos auf den IAG-Fonds auszugehen. Ein "Fremdvergleich" zeige, dass ein "gewöhnlicher" Arbeitnehmer, der auf seine Entgeltansprüche zur Bestreitung seines Lebensunterhalts angewiesen sei, Überstundenentgelte in dieser Höhe nicht stehen gelassen hätte. Damit gebühre den Klägern überhaupt kein Insolvenz-Ausfallgeld. Zudem hätten die Kläger durch das Stehenlassen ihrer Forderungen der GmbH ein eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen gewährt und der Gesellschaft die Konfrontation mit Beendigungsansprüchen erspart, was die Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld ebenfalls ausschließe.

Zum Begehren des Erstklägers brachte die Beklagte überdies vor, dass das für die Abfertigung beantragte Insolvenz-Ausfallgeld auch deshalb nicht zustehe, weil die Anrechnung von Vordienstzeiten im Ausmaß von 13 Jahren, 3 Monaten und 16 Tagen auf das am 16. 3. 1999 begonnene Arbeitsverhältnis auf einer Einzelvereinbarung beruhe, die in den letzten 6 Monaten vor der Konkurseröffnung abgeschlossen worden sei. In der Tagsatzung vom 22. 10. 2001 stellten die Parteien aber außer Streit, dass der Abfertigungsanspruch des Erstklägers "durch die allfällige Aussetzung des Dienstverhältnisses vom 19. 12. 1998 bis 14. 2. 1999 nicht verändert" worden sei.

Hinsichtlich des Zweitklägers wurde ein vergleichbarer Einwand nicht erhoben. Stattdessen wurde seiner Forderung entgegen gehalten, dass für die Abfertigung, soweit sie auf die Zeitspanne seiner Geschäftsführerperiode entfalle, kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld bestehe.

Dem Vorbringen der Kläger ist überdies zu entnehmen, dass von der Unterbrechung der Arbeitsverhältnisse alle Arbeitnehmer der Gesellschaft betroffen gewesen seien. Dieses Vorbringen blieb unwidersprochen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es wertete die Arbeitsverhältnisse der Kläger als atypisch und daher insgesamt aus dem Schutzbereich des IESG fallend. Es sei eine sittenwidrige Verlagerung des Finanzierungsrisikos der Arbeitgeberin auf den IAF beabsichtigt gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die Revision zulässig sei. Es verneinte in der Berufung geltend gemachte Verfahrensmängel unter Hinweis auf die Erörterung der Rechtsrüge, ging aber dann auf diese Rüge, die es als nicht gehörig ausgeführt erachtete, nicht ein. Dessen ungeachtet erachtete es die Revision als zulässig, weil "die Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG im vorliegenden Fall gegeben" seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kläger mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes die in der Berufung enthaltene und vom Berufungsgericht nicht behandelte Rechtsrüge zulässig ausgeführt ist, zumal klar erkennbar ist, dass die Kläger die Auffassung der Erstgerichtes, ihre Arbeitsverhältnisse seien atypisch und daher nicht gesichert, als nicht nachvollziehbar und nicht begründet bekämpfen.

Die Revision ist auch berechtigt.

Dem Erstgericht ist grundsätzlich beizupflichten, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dem Arbeitnehmer zwar freisteht, auch wenn er kein Entgelt erhält, im Betrieb seines Arbeitgebers zu verbleiben, dass jedoch ein solches Arbeitsverhältnis - wenn die Frist erheblich überschritten wird, die ein durchschnittlicher Arbeitnehmer im Betrieb geblieben wäre ("Fremdvergleich") - den Charakter eines "typischen" Arbeitsverhältnisses verliert. Ein derartiges Arbeitsverhältnis ist zur Gänze aus dem Schutzbereich des IESG ausgenommen. In diesem Fall gebührt - zumindest für die Zeit bis zum Wirksamwerden der hier noch nicht anzuwendenden Novelle BGBl I 42/2000 - überhaupt kein Insolvenz-Ausfallgeld, und zwar auch nicht für etwaige Beendigungsansprüche (Arb 12.034; Arb 12.027; WBl 2000/216 uva; zuletzt etwa 8 ObS 182/02a). Zweck des IESG in seinem Kernbereich ist es, die Arbeitnehmer vor dem Verlust ihrer Ansprüche zu bewahren, auf die diese zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts angewiesen sind (SZ 61/254; SZ 65/15 uva; zuletzt 8 ObS 182/02a). Mit diesem Zweck ist es aber nicht vereinbar, längst zurückliegende (weil lange stehen gelassene) Ansprüche, die mit der Sicherung des laufenden Lebensunterhalts in keinerlei Zusammenhang mehr gebracht werden können, dem Schutzzweck des IESG zu unterstellen.

Entgegen der Meinung des Erstgerichtes kommt diese Rechtsprechung jedoch im hier zu beurteilenden Fall nicht zum Tragen. Der vorliegende Fall ist nämlich davon gekennzeichnet, dass die beiden Kläger jene Bezüge, die üblicherweise einem Arbeitnehmer zur Bestreitung seines Lebensunterhalts dienen - nämlich die laufenden Gehälter - immer ausgezahlt erhalten haben. Nur in den letzten sechs Wochen des Arbeitsverhältnisses erhielten sie keine Zahlungen mehr. Dieser Zeitraum ist aber zu kurz, um insofern von einem atypischen Verhalten auszugehen. Stehengelassen wurden nur die Ansprüche der Kläger aus den von ihnen erbrachten Mehrleistungen, was von vornherein nur aus ihrer Rolle als Gesellschafter der Arbeitgeber-Gesellschaft erklärbar war und deklariert mit dem Willen erfolgte, der Gesellschaft Liquidität zuzuführen (zur daraus resultierenden Problematik iSd Eigenkapitalersatzrechtes siehe unten). In dieser Situation kann aber von einen Arbeitnehmer-Gesellschafter nicht verlangt werden, nur wegen der Notwendigkeit, als Gesellschafter der Gesellschaft Kapital (im Wegen des Stehenlassen der Abgeltung von Mehrleistungen) zuzuführen, den Austritt aus dem Arbeitsverhältnis zu erklären, obwohl - von den Überstundenentgelten abgesehen - sämtliche daraus resultierenden Ansprüche laufend erfüllt werden. Dass diese Situation keinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld für die stehen gelassenen Überstunden begründen kann, trifft zu; dies wird aber von den Klägern ohnedies nicht mehr begehrt. Von den Überstundenansprüchen abgesehen erweisen sich aber die Arbeitsverhältnisse der Kläger nicht als atypisch, sodass kein Grund besteht, sie zur Gänze aus dem Schutzbereich des IESG auszunehmen.

Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass die Rechtsprechung eine Trennung von laufendem "kreditierten" Entgelt und Beendigungsansprüchen nicht vorgenommen und sämtlichen Ansprüchen die Anerkennung versagt hat (WBl 2000/214; uva; zuletzt etwa 8 ObS 311/99i). Diese Haltung der Rechtsprechung betraf Ansprüche, die nur ausgehend von einer fiktiven Verhaltensweise hätten errechnet werden können, während im hier zu beurteilenden Fall - so wie in der Entscheidung 8 ObS 112/01f - eine klare Trennung zwischen dem laufend gezahlten Entgelt und den kreditierten Mehrleistungen möglich ist. Ferner ging es in den oben zitierten Entscheidungen darum, dass bei einem früheren Austritt des Arbeitnehmers wegen der vorenthaltenen Entgelte auch die Beendigungsansprüche früher zu zahlen gewesen wären, während hier die laufenden Entgelte regelmäßig gezahlt wurden (8 ObS 112/01f).

Auch die Beurteilung des Sachverhaltes im Lichte des Eigenkapitalersatzrechtes führt zu keiner anderen Beurteilung:

Nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind die im deutschen Recht zu § 32a dGmbHG entwickelten Grundsätze über Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen - in Analogie zu § 74 Abs 1 GmbHG - auch im österreichischen Recht heranzuziehen. Dem Gesellschafter, der der kreditunwürdigen Gesellschaft anstelle der erforderlichen Zuführung von Eigenkapital lediglich ein Darlehen gewährt, soll es nicht ermöglicht werden, dadurch das Finanzierungsrisiko auf die Gläubiger abzuwälzen.

Darlehensgewährungen durch einen Gesellschafter einer kreditunwürdigen GmbH werden daher dem Rückzahlungsverbot in Analogie zu § 74 Abs 1 GmbHG unterstellt. Solche Darlehen dürfen daher bis zur nachhaltigen Sanierung der Gesellschaft weder mittelbar noch unmittelbar zurückgezahlt werden. Diese Grundsätze gelten auch in der Insolvenz und in der Liquidation der Gesellschaft und führen dazu, dass Ansprüche aus Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen hinter die Ansprüche der übrigen Gläubiger zurückzutreten haben (vgl jüngst 8 ObS 249/00a; ecolex 2000/295 ([Mazal]; jeweils mwN etwa SZ 64/53; SZ 66/8; SZ 69/208; DRdA 1997, 289; RIS-Justiz RS0054372; RS0060076 uva). Einem im Zeitpunkt der Kreditunwürdigkeit gewährten Gesellschafterdarlehen gleichgestellt sind Finanzplankredite - dies sind Gesellschafterdarlehen, die planvoll als Eigenkapitalersatz gegeben werden (ecolex 2000/295 [Mazal]; ÖBA 1997, 307; ecolex 1998, 331, DRdA 1997, 289). Die Regeln über das Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen werden nicht nur auf die Gewährung von Krediten in der Krise angewendet, sondern auch auf solche "Kredite", die der Gesellschaft in nicht kritischer Zeit gewährt, aber in der Krise "stehengelassen" worden sind, weil auch in der Stundung von Forderungen eine dem Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen gleichwertige Art der Zuführung von Liquidität an die Gesellschaft liegt (ecolex 2000/295 [Mazal]; RdW 1994, 143; SZ 70/232). Nach ständiger Rechtsprechung wird auch das Stehenlassen von Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis durch einen Arbeitnehmer der GmbH, der zugleich auch deren Gesellschafter ist und die Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft erkennen konnte, als Eigenkapitalersatz qualifiziert (8 ObS 249/00a; ecolex 2000/295 [Mazal]). Allerdings ist dem Gesellschafter aufgrund der im § 69 Abs 2 KO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers eine angemessene, 60 Tagen jedenfalls nicht überschreitende Überlegungsfrist ab Eintritt der für ihn erkennbaren Krise für die Entscheidung zuzubilligen, ob er die Kredithilfe belässt oder durch Abzug der Mittel (bzw durch Geltendmachung der Forderung) die Liquidation der Gesellschaft beschleunigt (SZ 70/232; ecolex 2000/295 [Mazal]).

Der Beklagten ist beizupflichten, dass nach dieser Rechtsprechung - geht man davon aus, dass die Kläger die Krise der GesmbH erkennen konnten - das Stehenlassen der Überstundenansprüche als eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen zu qualifizieren ist. Steht doch dem Arbeitnehmer dann, wenn - wie hier - bei Überstundenarbeit der Zeitpunkt des Ausgleichs nicht im Vorhinein vereinbart wird, nach 13 Wochen zwingend (vgl § 19g AZG) der Anspruch auf Konsumation des Zeitausgleichs unter Anwendung von § 19f Abs 2 AZG zu. Von einer konkreten Vereinbarung des Zeitpunktes des Zeitausgleiches kann hier aber nicht die Rede sein. Schon aus diesem Grund kommt die Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld für die Überstundenansprüche der Kläger nicht in Betracht (8 ObS 112/01f). Dem kommt in diesem Verfahren aber keine Bedeutung zu, weil die Kläger für die insoweit stehen gelassenen Ansprüche ohnedies kein Insolvenz-Ausfallgeld geltend machen. Der im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld für das laufende Entgelt ab 15. 2. 1999 bis 31. 3. 1999 sowie für die Beendigungsansprüche stellt hingegen kein Eigenkapital ersetzendes Gesellschafterdarlehen dar, weil diese Beträge nicht der Gesellschaft im Sinne der dargestellten Rechtsprechung bewusst zugeführt wurden. Dass die Kläger unter den gegebenen Umständen wegen des Stehenlassens der Überstundenabgeltung nicht zum Austritt verhalten waren, wurde bereits ausgeführt. Damit kann aber auch von einem Stehenlassen der Beendigungsansprüche nicht die Rede sein. Da - wie bereits gezeigt - die Überstundenansprüche von den übrigen Ansprüchen der Kläger klar getrennt werden können, steht daher der Umstand, dass sie der Gesellschaft durch Stehenlassen der Überstundenabgeltung Eigenkapital ersetzende Darlehen gewährt haben, der Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld für die verfahrensgegenständlichen Ansprüche nicht entgegen.

Die an Gehalt, anteiligen Sonderzahlungen und Kündigungsentschädigung geltend gemachten Ansprüche der Kläger wurden von der Beklagten der Höhe nach nicht bestritten; es sind auch keine die Richtigkeit der Berechnungen der Kläger in Frage stellenden Umstände hervorgekommen. Dies gilt auch für die geltend gemachten Abfertigungsansprüche, allerdings mit der Einschränkung, dass die Beklagte dem Begehren des Zweitbeklagten entgegengehalten hat, er habe nicht berücksichtigt, dass die Zeit seiner Geschäftsführertätigkeit seinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld für die Abfertigung nicht erhöhen könne. Diesem (schon im Verwaltungsverfahren erhobenen) Einwand hat allerdings der Zweitkläger ohnedies bereits mit seiner Klage Rechnung getragen, in der er nur mehr Abfertigung in der Höhe von sechs Monaten geltend macht.

Die Unterbrechung der Arbeitsverhältnisse der Kläger in der Zeit vom 19. 12. 1998 bis zum 14. 2. 1999 steht dem Zuspruch der für die Abfertigung begehrten Beträge nicht entgegen. Die Beendigung der bis zum 19. 12. 1998 bestehenden Arbeitsverhältnisse erfolgte nämlich unter der ausdrücklichen Zusage der Anrechnung der Vordienstzeiten für die bereits damals in Aussicht genommenen neuen Arbeitsverhältnisse, die in der Folge tatsächlich mit 15. 2. 1999 begründet wurden. Gemäß § 3 Abs 3 IESG ist die einzelvertragliche Anrechnung von Vordienstzeiten der Berechnung des Insolvenz-Ausfallgeldes unter Bedachtnahme auf § 1 Abs 3 Z 2 IESG der nur insoweit zugrunde zu legen, als es es sich um die Anrechnung von tatsächlich geleisteten Beschäftigungszeiten handelt oder solche Zeiten nicht bereits bei früheren Beendigungsansprüchen berücksichtigt wurden. Da es sich hier um tatsächlich geleistete und vorher nicht berücksichtigte Vordienstzeiten handelt, bleibt daher nur zu prüfen, ob § 1 Abs 3 Z 2 IESG der Berücksichtigung der Vordienstzeiten entgegensteht.

Nach dieser Bestimmung gebührt Insolvenz-Ausfallgeld für solche Ansprüche nicht, die auf einer Einzelvereinbarung beruhen, die - soweit hier von Interesse - in den letzten sechs Monaten vor der Konkurseröffnung abgeschlossen wurden, soweit die Ansprüche über den durch Gesetz, Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung zustehenden Anspruch oder die betriebsübliche Entlohnung hinausgehen oder auf sonstigen Besserstellungen beruhen, wenn die höhere Entlohnung sachlich nicht gerechtfertigt ist. Damit soll verhindert werden, dass kurz vor Konkurseröffnung (oder dem gleichgestellten Tatbestand) überhöhte, nicht betriebsübliche Entgeltansprüche zu Lasten des IAF vereinbart werden. Entscheidendes Kriterium für die sachliche Rechtfertigung einer höheren, über dem betriebsüblichen Niveau liegenden Entlohnung ist die Bedeutung der Arbeit des jeweiligen Arbeitnehmers und auch der damit verbundene Arbeitseinsatz für das Unternehmen. So sind auch jene Fälle zu berücksichtigen, in denen an bereits beschäftigt Arbeitnehmer Gehaltserhöhungen gewährt werden, um ansonsten unvermeidbaren größeren Schaden vom Unternehmen abzuwenden, sofern dahinter nicht die Absicht steht, den IAF durch Abschluss eines Vertrages zu seinen Lasten zu missbrauchen (Liebeg, IESG² Rz 253 zu § 1).

Nach dem insoweit unwidersprochenen Klagevorbringen wurden hier die Arbeitsverhältnisse aller Arbeitnehmer unter Stundung der Beendigungsansprüche mit der Absicht beendet, nach einer gewissen Zeit neue Arbeitsverhältnisse mit den bisherigen Arbeitnehmern zu begründen. Es ist aber klar, dass gerade Schlüsselarbeitskräfte zu einer derartigen Vorgangsweise nur bereit sind, wenn ihre Ansprüche auch durch Anrechnung der im Unternehmen zurückgelegten Vordienstzeiten gesichert sind. Vor diesem Hintergrund stellt die Anrechnung der ohnedies im Unternehmen zurückgelegten Vordienstzeiten - besonders bei den Klägern, deren Tätigkeit schon auf Grund ihres Umfangs für die GesmbH von großer Bedeutung war - eine im Interesse der Unternehmensfortführung gesetzte Maßnahme dar, die als sachlich gerechtfertigt iSd § 1 Abs 3 Z 2 IESG zu qualifizieren ist. Auch das für die Abfertigung begehrte Insolvenz-Ausfallgeld war daher zuzusprechen, sodass sich insgesamt aus dem Titel Gehalt, anteilige Sonderzahlungen, Kündigungsentschädigung und Abfertigung Gesamtansprüche des Erstklägers von S 353.848,- (EUR 25.715,14) und des Zweitklägers von S 525.073,67 (EUR 38.158,59) errechnen. In Stattgebung der Revision waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen in ein diese Beträge zusprechendes Teilurteil abzuändern.

Der darauf bezogene Kostenvorbehalt gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG iVm § 2 Abs 1 ASGG und § 52 ZPO.

Teilweise nicht berechtigt erweisen sich aber die Forderungen der Kläger aus dem Titel der Urlaubsentschädigung. Nach den Feststellungen sind ihre zum Zeitpunkt der Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse offenen Urlaubsansprüche deutlich geringer, als von ihnen angegeben. Zur Vornahme der notwendigen Berechnungen waren daher hinsichtlich der darauf entfallenden Klagebegehren (S 104.597,42 = EUR 7.601,39 sowie S 140.366,27 = EUR 10.200,81) die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung an die erste Instanz zurückzuverweisen (§ 510 Abs 1 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG iVm § 2 Abs 1 ASGG und § 52 ZPO.

Rechtssätze
11