JudikaturJustiz8ObS185/02t

8ObS185/02t – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. März 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Schenk und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gatien G*****, vertreten durch Dax-Klepeisz-Klimburg-Schuszter Rechtsanwaltspartnerschaft GmbH in Eisenstadt, wider die beklagte Partei IAF-Service GmbH, 7000 Eisenstadt, Neusiedler Straße 10, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen EUR 32.441,15 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Mai 2002, GZ 8 Rs 125/02i-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. September 2001, GZ 23 Cgs 55/00v-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionswerber hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger schloss mit Bernd D***** und einem weiteren Gesellschafter, dessen Klage auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld zwischenzeitig rechtskräftig abgewiesen wurde, am 15. 6. 1998 einen Gesellschaftsvertrag über die Errichtung einer Kommanditerwerbsgesellschaft. Diese wurde unter der Firma F***** KEG am 6. 8. 1998 zu FN ***** mit Sitz in der politischen Gemeinde Wien im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien eingetragen. Für den Kläger und den weiteren Gesellschafter war die Kommanditerwerbsgesellschaft Arbeitgeber. Diese KEG mit Sitz in Wien ist nicht gelöscht und weiterhin im Firmenbuch eingetragen, es ist über sie auch kein Konkursverfahren eröffnet worden.

Mit Beschluss vom 6. 5. 1999 wies das Landesgericht Eisenstadt den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen einer B***** KEG mit Sitz in Mattersburg gemäß § 71 KO mangels kostendeckenden Vermögens ab.

Mit Bescheid vom 28. 10. 1999 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Bezahlung von Insolvenz-Ausfallgeld in Höhe von ATS

446.400 brutto sA mit der maßgeblichen Begründung ab, bei dem Kläger habe es sich um einen leitenden Angestellten gehandelt, dessen Ansprüche gemäß § 1 Abs 6 Z 3 IESG ausgeschlossen seien. Mit seiner am 30. 11. 1999 beim Erstgericht zu Protokoll gegebenen Klage begehrte der Kläger, die Beklagte zur Zahlung des bescheidmäßig abgelehnten Betrags schuldig zu erkennen. Er sei nicht leitender Angestellter gewesen, sondern bloß Kommanditist der Gesellschaft, der von der Führung der Geschäfte ausgeschlossen gewesen sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, eine Konkurseröffnung oder ein nach § 1 Abs 1 IESG gleichgestellter Tatbestand liege hinsichtlich der Arbeitgeberin des Klägers nicht vor.

Das Gericht zweiter Instanz gab mit dem angefochtenen Urteil der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Ein Beschluss über die Abweisung eines Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der F***** KEG, FN ***** existiere nicht. Das Vorliegen eines solchen werde vom Berufungswerber auch nicht ernstlich behauptet, sondern von diesem erkennbar die Rechtsauffassung vertreten, dass der hinsichtlich der B***** KEG ergangene Beschluss auf Abweisung des Konkurseröffnungsantrages rechtlich so zu beurteilen sei, als wenn er sich auf die erstgenannte KEG beziehe. Eine Erstreckung der Wirkungen des Beschlusses auf diese KEG ohne zuvor erfolgte Berichtigung der Bezeichnung komme aber schon infolge der Rechtskraft des Abweisungsbeschlusses nicht in Frage.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt. Voraussetzung des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld ist gemäß § 1 Abs 1 IESG unter anderem, dass über das Vermögen des Arbeitgebers im Inland der Konkurs eröffnet wird oder dieser Tatsache gleichzusetzende vom Gesetz aufgezählte Maßnahmen getroffen werden. Sowohl der Begriff des Arbeitnehmers wie auch jener des Arbeitgebers orientiert sich im Rahmen des IESG am Arbeitsvertragsrecht (Schwarz/Reissner/Holzer, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz4, 42; 9 ObS 26/93; WBl 1995, 36). Unter Arbeitgeber im Sinn des Arbeitsvertragsrechts und damit auch im Sinn des § 1 Abs 1 IESG ist nach dem hiebei anzuwendenden § 1151 Abs 1 ABGB jene Person zu verstehen, der sich der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung verpflichtet hat (8 ObS 2049/96y mwH).

Sowohl die OHG (§ 124 HGB) als auch die KG (§ 161 Abs 2 HGB) nehmen, individualisiert durch ihre Firma, als Gesellschaft am Rechts- und Prozessrechtsverkehr teil und können Sachenrechte erwerben. Es ist daher heute im Wesentlichen nicht mehr strittig, dass Personengesellschaften des Handelsrechts Dienstgeber sein können (8 ObS 2049/96y; 9 ObA 21/99z ua). Auch die Kommandit-Erwerbsgesellschaft (KEG) ist eine Personengesellschaft des Handelsrechts, auf die gemäß § 4 Erwerbsgesellschaftengesetz (EGG) die Vorschriften des HGB über die OHG und die KG anzuwenden sind (vgl auch 4 Ob 308/99v). Auch die KEG wird durch ihre Firma individualisiert (§ 2 EGG).

Im Verfahren ist nicht strittig, dass Arbeitgeber des Klägers die F***** KEG, FN *****, war. Der Revisionswerber vermeint allerdings, dass sich der Beschluss, mit dem der Antrag auf Konkurseröffnung mangels Vermögens abgewiesen wurde, auf diese seine Arbeitgeberin beziehe. Davon kann schon deshalb keine Rede sein, weil die Anknüpfung des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld an die Konkurseröffnung gemäß § 1 Abs 1 IESG insoweit Tatbestandswirkung entfaltet, dass es eines Beschlusses hinsichtlich des Arbeitgebers bedarf, ohne dass diese Entscheidung weiter zu überprüfen wäre (8 ObS 45/95). Ein derartiger Beschluss liegt aber unstrittig nicht vor. Der Antrag auf Konkurseröffnung wurde in Ansehung eines nicht existenten Gebildes abgewiesen. Eine eine nicht vorhandene (nicht existente) Partei betreffende Gerichtsentscheidung ist ein rechtliches Nichts, das keine Wirkungen entfalten kann (10 ObS 233/98g; Fasching LB2 Rz 329). Ein derartiger Nichtbeschluss kann nicht beliebig einem existenten Rechtssubjekt zugeordnet werden. Abgesehen von dieser Überlegung zeitigte die vom Kläger gewünschte Vorgangsweise einerseits das Ergebnis, dass die Beklagte Lohnzahlungen für ein nach dem Firmenbuchstand nicht im Sinn des § 1 Abs 1 IESG betroffenes Unternehmen zu erbringen hätte und brächte andererseits die Beklagte um ihre Regressansprüche gemäß § 11 IESG. Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Anhaltspunkte für einen Kostenzuspruch an den Kläger nach Billigkeit im Sinn des § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG sind im Verfahren nicht hervorgekommen.