JudikaturJustiz8ObA9/03m

8ObA9/03m – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Februar 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Manuela F*****, vertreten durch John John, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei T***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 7.048,90 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 11. Oktober 2002, GZ 7 Ra 318/02i 28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits und Sozialgerichtes Wien vom 3. Mai 2002, GZ 35 Cga 23/02m 23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,39 (darin EUR 83,23 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund des § 503 Z 3 ZPO liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn die unterlaufene Aktenwidrigkeit die Entscheidungsgrundlagen des Berufungsgerichtes verändert hat (RIS Justiz RS0043271). Nur eine für das Urteil wesentliche Aktenwidrigkeit bildet den Revisionsgrund (RIS Justiz RS0043265). Ob die Klägerin schon auf dem Rückflug Venedig Wien oder wie die vom Berufungsgericht grundsätzlich richtig wiedergegebenen erstgerichtlichen Feststellungen belegen - erst bei dem Gespräch mit dem Flugbetriebsleiter darüber informiert wurde, dass mit dem Flug, für den sie als Flugbegleiterin eingeteilt wurde, "alles in Ordnung sei", ist für die rechtliche Beurteilung, ob die Weigerung der Klägerin als Flugbegleiterin auf dem Flug Wien - Budapest mitzuwirken, ihre Entlassung rechtfertigt, nicht maßgeblich: Das Berufungsgericht hat das Vorliegen des geltend gemachten Entlassungsgrundes nach § 27 Z 4 AngG zweiter Tatbestand zutreffend bejaht. Es reicht aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Der Entlassungsgrund nach § 27 Z 4 AngG zweiter Tatbestand ist verwirklicht, wenn sich der Angestellte beharrlich weigert, seine Dienste zu leisten oder sich den durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigten Anordnungen des Dienstgebers zu fügen. Unter "beharrlich" ist die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des in der Dienstverweigerung zum Ausdruck gelangenden, auf die Verweigerung der Dienste bzw der Befolgung der Anordnung gerichteten Willens zu verstehen. Daher muss sich die Weigerung entweder wiederholt ereignet haben oder von derart schwerwiegender Art sein, dass auf die Nachhaltigkeit der Willenshaltung des Angestellten mit Grund geschlossen werden kann. Nur im ersten Fall bedarf es einer vorangegangenen Ermahnung oder einer wiederholten Aufforderung zur Dienstleistung bzw Befolgung der Anordnung (RIS Justiz RS0029746).

Unstrittig ist, dass die Teilnahme als Flugbegleiterin am Flug der "T***** Airways" von Wien nach Budapest zu den Dienstpflichten der Klägerin gehörte. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Klägerin in Kenntnis des Umstandes, dass ihre Einteilung für diesen Flug als Flugbegleiterin für die Beklagte die letzte Möglichkeit war und trotz der Information, dass es sich bei der Rücklandung des Flugzeuges um eine "normale Rücklandung" gehandelt habe und dass mit dem Flug alles in Ordnung sei, weigerte, als Flugbegleiterin tätig zu werden. Hiezu kommt, dass die Klägerin bei einem Gespräch am Tag nach der Dienstverweigerung vor Ausspruch der Entlassung erklärte, dass sie nochmals so handeln würde.

Für das Vorliegen eines die Entlassung nach § 27 Z 4 AngG ausschließenden Rechtfertigungsgrundes trifft den Dienstnehmer ebenso die Beweislast (8 ObA 45/99x) wie für das Vorliegen von Schuldausschließungsgründen (RIS Justiz RS0029868). Die Klägerin kann ihre Dienstverweigerung nicht damit rechtfertigen, dass zwei weitere Kolleginnen die Teilnahme am Flug ablehnten: Abgesehen davon, dass nicht beide Kolleginnen wie nun in der Revision behauptet - aus Angst ablehnten (eine Kollegin begründete die Ablehnung damit, dass sie einen Prüfungsflug zu absolvieren habe), erreichte die Angst der Klägerin nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen nicht die Intensität, dass die Beurteilung des Vorliegens eines Schuldausschließungsgrundes gerechtfertigt wäre: Die Klägerin hatte nach den Feststellungen bezüglich des Fluges ein "mulmiges" Gefühl, sie litt jedoch nicht an Todesangst. Sie fühlte sich durchaus in der Lage, am (ursprünglich vorgesehenen) Venedigflug teilzunehmen. Dass sich die Klägerin bei ihrer Weigerung in einer derartigen Erregung befand, dass sie den Flug Wien - Budapest oder den Flug Wien Venedig nicht mehr hätte absolvieren können oder es ein Sicherheitsrisiko dargestellt hätte, wenn die Klägerin an dem Flug teilgenommen hätte, war nicht feststellbar. Damit versagt aber auch der Einwand in der Revision, dass der Flugbetriebsleiter der Beklagten bei seinem Gespräch mit der Klägerin die die Beklagte treffende Fürsorgepflicht verletzt habe.

Aus den hervorgehobenen Umständen resultiert, dass der Beklagten infolge des im Sinne des § 27 Z 4 AngG zweiter Fall tatbestandsmäßigen Verhaltens nach der Lage der Umstände die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum nächsten Kündigungstermin nicht zugemutet werden konnte. Dieses Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, das die Abgrenzung zwischen einem in abstracto wichtigen Entlassungsgrund und einem in concreto geringfügigen Sachverhalt ermöglicht (RIS Justiz RS0029009; RIS Justiz RS0028475), ist verwirklicht: Für einen geordneten Flugbetrieb ist unerlässlich, dass die Beklagte darauf vertrauen kann, dass ihre Flugbegleiterinnen nicht wegen eines - objektiv unbegründeten - "mulmigen Gefühls" die Teilnahme an Flügen verweigern. Schließlich ändert auch das in der Revision hervorgehobene Alter der Klägerin an dieser Beurteilung nichts: Die Klägerin war zum Zeitpunkt des zu ihrer Entlassung führenden Vorfalls seit elf Monaten bei der Beklagten als Flugbegleiterin beschäftigt. Dass es sich bei ihrer Dienstverweigerung nicht um einen außergewöhnlichen Vorfall handelte, von dem nach der Lage des Falles eine Wiederholung nicht zu erwarten wäre, zeigt die Feststellung, dass die Klägerin auch bei dem am Tag nach dem Vorfall stattfindenden Gespräch betonte, sie würde nochmals so entscheiden. Für die Beklagte bestand daher nicht nur keine Gewähr, dass sich die Klägerin bei einem vergleichbaren Fall anders verhalten würde; vielmehr musste sie infolge der Äußerung der Klägerin damit rechnen, dass die Klägerin prinzipiell bei Auftreten von in der Folge behobenen technischen Gebrechen ihre Flugteilnahme verweigern würde. Unter Berücksichtigung der maßgebenden Umstände des Gesamtverhaltens der Klägerin (RIS Justiz RS0113899) hat daher das Berufungsgericht zutreffend die Verwirklichung des Entlassungstatbestandes bejaht.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 2 ASGG, §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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