JudikaturJustiz8ObA25/17k

8ObA25/17k – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. August 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Timea Pap und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Susanne Kuen, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in Mödling, wegen 69.600 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 24. Februar 2017, GZ 10 Ra 96/16k 30, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 24 Abs 1 HVertrG 1993 gebührt dem Handelsvertreter unter den dort genannten Voraussetzungen ein angemessener Ausgleichsanspruch. Nach § 24 Abs 3 Z 2 leg cit besteht der Anspruch dann nicht, wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis wegen eines schuldhaften, einen wichtigen Grund nach § 22 darstellenden Verhaltens des Handelsvertreters aufgelöst hat.

Das einen wichtigen Grund nach § 22 HVertrG 1993 darstellende Verhalten des Handelsvertreters entfaltet daher seine ausgleichsschädigende Wirkung nur, wenn es schuldhaft gesetzt wurde. Grundsätzlich liegt es am Unternehmer, die Tatsache der Vertragsverletzung zu behaupten und zu beweisen (RIS Justiz RS0111006). Wenn aber das erwiesene vertragswidrige Verhalten das Verschulden des Handelsvertreters indiziert, ist es gemäß § 1298 ABGB Sache des klagenden Handelsvertreters, sein mangelndes Verschulden unter Beweis zu stellen (RIS Justiz RS0125452; insbesondere 9 ObA 59/09f mwN zur Verteilung der Behauptungs und Beweislast in der älteren Rechtsprechung). Gelingt dem klagenden Handelsvertreter allerdings der Gegenbeweis, kann der durch den Unternehmer erbrachte Nachweis der Nichtzahlung der Verkaufserlöse allein als Verschuldensbeweis nicht mehr ausreichen (9 ObA 59/09f).

2. Die Frage, was als wichtiger Grund für die Auflösung eines Handelsvertretervertrags bzw eines Tankstellenpachtvertrags (vgl 9 ObA 18/09a) anzusehen ist, kann nur im Einzellfall beurteilt werden (RIS Justiz RS0108379). Dass die Verletzung zentraler Vertragspflichten eines „Tankstellenpächters“, wie die Weiterleitung der Erlöse aus dem Treibstoffverkauf, grundsätzlich zur vorzeitigen Auflösung berechtigt, wird aber in der Revision ohnehin nicht bestritten. Die Revision geht jedoch davon aus, dass den Kläger mangels gewinnbringender Führbarkeit der Tankstelle kein Verschulden an der Nichtzahlung trifft.

Auch die Beurteilung des Verschuldens ist letztlich eine solche des Einzelfalls (vgl RIS Justiz RS0087606).

Richtig ist, dass der Oberste Gerichthof in der Entscheidung 8 ObA 45/08p das Nichtabführen von Verkaufserlösen als nicht schuldhaft qualifizierte, weil die Tankstelle unter den vertraglichen Bedingungen nicht gewinnbringend zu führen gewesen sei und der dortige Kläger zwar zahlungswillig, aber nicht zahlungsfähig gewesen sei.

Wenn die Revision auf die Parallelität der Sachverhalte dieser und der vorliegenden Rechtssache hinweist, übergeht sie, dass in der Vorentscheidung der Kläger sich auf eine über einen längeren Zeitraum verschlechternde Ertragslage berief und für die Zahlungschwierigkeiten trotz Bemühen und Einbeziehung der Hausbank keine Lösung gefunden werden konnte. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger dagegen das Jahr 2014 mit unerwartet hohem Gewinn (72.000 EUR) abgeschlossen. Der Zahlungsverzug (15.996,95 EUR) trat dessen ungeachtet bereits Ende Februar 2015 auf, wobei der Kläger selbst für Jänner und Februar von Verlusten aufgrund des Entfalls des Automatengeschäfts von insgesamt ca 6.000 EUR ausgeht. Über einen (rückwirkend in Kraft zu setzenden) Vertrag mit günstigeren Konditionen wurde bereits konkret gesprochen. Dass der Kläger konkrete Schritte setzte, um die (allenfalls ratenweise) Abführung der mehrfach eingemahnten Treibstofferlöse doch noch möglich zu machen, wurde nicht einmal behauptet. Vor diesem Hintergrund ist die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Zahlungsverzug auch als schuldhaft anzusehen ist, nicht korrekturbedürftig.

3. Da diese Beurteilung die vom Kläger selbst angegebenen Verluste berücksichtigt, waren dazu Feststellungen nicht notwendig. Die Erhebung höherer kalkulatorischer Verluste war schon deshalb nicht erforderlich, da dazu vom Kläger in erster Instanz kein konkretes Vorbringen erstattet wurde. Da das Verfahren im Wesentlichen ausschließlich die Frage des Verschuldens des Klägers am Zahlungsverzug behandelte und dabei von Anfang an auch die wirtschaftliche Führbarkeit des Unternehmens thematisiert wurde, geht auch der Vorwurf der Überraschungsentscheidung ins Leere.

4. Die außerordentliche Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Rechtssätze
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