JudikaturJustiz8ObA138/02f

8ObA138/02f – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Juli 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Hans-Jörg Vogl, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Christian S*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Dr. Herwig Mayrhofer, Dr. Robert Schneider und Dr. Manuela Schipflinger, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 22.000,--), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. Mai 2002, GZ 15 Ra 44/02m-10, womit der Rekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. März 2002, GZ 35 Cga 27/02w-6, teilweise zurückgewiesen wurde (Punkt I A des angefochtenen Beschlusses), in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird in seinem Punkt I A einschließlich der darauf entfallenden Kostenentscheidung aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung in diesem Umfang aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung:

Mit einstweiliger Verfügung vom 14. März 2002 (ON 6) untersagte das Erstgericht dem Beklagten ab sofort

1.) bis zum 31. 3. 2002, für Mitbewerber der Klägerin, insbesondere die Firma "A*****" Feldkirch sowie die Firma "A***** GmbH" Graz und die Firma "C***** GmbH" Graz, auf welche Weise auch immer, tätig zu sein und tätig zu werden;

2.) Verträge, die über Vermittlung des Beklagten oder eines anderen klägerischen Agenten zustande gekommen sind, auszuspannen. Diese einstweilige Verfügung gelte bis zur Rechtskraft des über die gleichzeitig eingebrachte Unterlassungsklage ergehenden Urteils, soweit sie nicht ohnedies auf Grund ihres Inhalts mit 31. 3. 2002 enden werde.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht den dagegen erhobenen Rekurs des Beklagten, soweit damit der im Tenor des erstinstanzlichen Beschlusses enthaltene Ausspruch zu Punkt 1. und zu Punkt 2., insoweit sich der darin enthaltene Unterlassungsbefehl auf den Gültigkeitszeitraum bis 31. 3. 2002 beziehe, angefochten wird, zurück (Punkt I A); im Übrigen gab es dem Rekurs Folge, indem es den Sicherungsantrag, dem Beklagten auch für den Zeitraum nach Ablauf des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin, somit ab 1. 4. 2002, zu untersagen, Verträge, die über Vermittlung des Agenten oder eines anderen A*****-Agenten zustande gekommen seien, auszuspannen, abwies. Es begründete die Zurückweisung damit, dass im Zeitpunkt der Vorlage der Rechtsmittelakten an das Rekursgericht und der Entscheidung des Rekursgerichtes die Frist, während welcher ein Teil der erlassenen einstweiligen Verfügung gültig sein sollte, bereits abgelaufen sei. Nach ständiger Rechtsprechung und überwiegender Lehre setze jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse, voraus, sei es doch nicht Sache der Rechtsmittelinstanz, rein theoretische Fragen zu entscheiden. Die Beschwer müsse sowohl bei Einlangen des Rechtsmittels als auch noch im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung vorliegen. Der Entscheidung des Rekursgerichtes komme hinsichtlich des von der Anfechtung umfassten Spruchteils zufolge bereits erfolgtem Wegfall der Gültigkeitsdauer der bekämpften Provisorialmaßnahme keine praktische Bedeutung mehr zu, es mangle somit dem Beklagten an einer für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderlichen Beschwer. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und dass der Revisionsrekurs nach § 402 Abs 4 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO, § 78 EO nicht zulässig sei.

Gegen den zurückweisenden Teil dieser Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Aktenwidrigkeit mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Sicherungsantrag abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

Zur Zulässigkeit:

Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 31. 8. 1999, 5 Ob 159/99i, aufgezeigt hat, bildet § 402 Abs 1 letzter Satz EO die einzige Ausnahme von der gemäß § 402 Abs 4 iVm § 78 EO anzuwendenden Bestimmung des § 528 ZPO. Ein Revisionsrekurs im Provisorialverfahren gegen die Zurückweisung eines Rekurses durch das Rekursgericht ist daher nicht jedenfalls, sondern nur unter den - mit der Einschränkung nach § 402 Abs 1 letzter Satz EO - sonstigen Voraussetzungen des § 528 ZPO zulässig. Neben einem EUR 20.000 übersteigenden Wert des Entscheidungsgegenstandes bedarf es daher auch des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO.

Eine solche Rechtsfrage ist im vorliegenden Fall zu bejahen, weil das Rekursgericht in seiner Entscheidung von der ständigen Rechtsprechung abgewichen ist.

Vorweg ist klarzustellen, dass der Klägerin keine Revisionsrekursbeantwortung freizustellen war: Es entspricht völlig einhelliger Rechtsprechung, dass dann, wenn das Rekursgericht in einem Provisorialverfahren ein Rechtsmittel ohne sachliche Prüfung aus formellen Gründen zurückweist, kein Erkenntnis über die Anordnung oder Aufrechterhaltung einer Sicherungsmaßnahme iSd § 402 Abs 1 EO vorliegt, sodass der Rekursgegner am Verfahren über den Rekurs gegen den zweitinstanzlichen Zurückweisungsbeschluss nicht zu beteiligen ist (RIS-Justiz RS0005674, zuletzt 5 Ob 20/00b).

Zur Rechtsrüge:

Entgegen der Rechtsauffassung des Rekursgerichtes nimmt die Tatsache, dass ein einstweiliges Verbot wegen Zeitablaufes überholt ist, dem Antragsgegner insbesondere im Hinblick auf Ersatzansprüche nach § 394 EO noch nicht die für die Sachentscheidung über seinen Rekurs erforderliche Beschwer (stRsp RIS-Justiz RS0005521, insbesondere SZ 72/101, zuletzt 6 Ob 22/02g).

Das Rekursgericht wird daher unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund in der Sache selbst zu entscheiden haben. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO iVm §§ 402 Abs 4, 78 EO.