JudikaturJustiz8Ob71/14w

8Ob71/14w – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Oktober 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Peter Hauswirth, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach R***** R*****, verstorben am *****, zuletzt wohnhaft in *****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator und Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei R***** R***** junior, *****, dieser vertreten durch Dr. Ott, Mag. Klein, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 12. März 2014, GZ 38 R 331/13b 19, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 7. August 2013, GZ 4 C 260/12z 15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 297,41 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 49,57 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft in Wien. Der verstorbene R***** R***** senior war Hauptmieter einer Wohnung in diesem Haus.

Die Klägerin kündigte diese Wohnung, gestützt auf die Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 Z 3 erster und zweiter Fall sowie Z 5 MRG, gerichtlich zum 30. 6. 2012 auf und begehrte die Räumung dieser Wohnung.

Mit Beschluss vom 12. 6. 2012 bestellte das Erstgericht als Verlassenschaftsgericht in der Verlassenschaftssache nach dem verstorbenen R***** R***** senior seinen Sohn R***** R***** junior zum Verlassenschaftskurator zur Vertretung des Nachlasses im Kündigungsverfahren und einem allenfalls anschließenden Exekutionsverfahren.

Die gerichtliche Aufkündigung wurde dem Verlassenschaftskurator durch Hinterlegung am 19. 6. 2012 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 10. 7. 2012 erklärte R***** R***** junior der sich in diesem Schriftsatz weder als Verlassenschaftskurator bezeichnete noch inhaltlich auf diese Funktion hinwies seinen Beitritt als Nebenintervenient auf Seiten der Beklagten mit der Begründung, er habe das Mietrecht an der aufgekündigten Wohnung kraft Eintritts erworben. Er erstattete Einwendungen gegen die Aufkündigung, in denen er unter Hinweis auf sein Eintrittsrecht die mangelnde Passivlegitimation der Beklagten einwendete und auch das Vorliegen des Kündigungsgrunds des § 30 Abs 1 Z 3 MRG bestritt.

Die Klägerin bestritt die Eintrittsberechtigung des Nebenintervenienten in das Bestandverhältnis nach § 14 Abs 3 MRG und die Zulässigkeit der Einwendungen, weil diese nicht vom Verlassenschaftskurator im Namen der Verlassenschaft, sondern vom Nebenintervenienten im eigenen Namen erhoben worden seien. Bei Untätigkeit der Verlassenschaft seien die vom einfachen Nebenintervenienten erhobenen Einwendungen unzulässig.

Das Erstgericht hob die gerichtliche Aufkündigung auf und wies das Klagebegehren auf Räumung der Wohnung ab. Der Nebenintervenient sei gemäß § 14 Abs 3 MRG berechtigt, in den Mietvertrag des verstorbenen Vaters einzutreten, sodass der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG nicht vorliege. Auch die weiteren geltend gemachten Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 Z 3 erster und zweiter Fall MRG seien nicht verwirklicht.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, führte es aus, dass der gemäß § 14 Abs 3 MRG Eintrittsberechtigte dem gegen die Verlassenschaft gerichteten Kündigungsverfahren zwar nur als einfacher Nebenintervenient beitreten könne. Unter den Voraussetzungen des § 19 Abs 1 ZPO sei aber nicht nur der streitgenössische, sondern auch der einfache Nebenintervenient berechtigt, zur Unterstützung der Hauptpartei Prozesshandlungen, daher auch Einwendungen gegen eine gerichtliche Aufkündigung, geltend zu machen. Ein nach dieser Bestimmung relevanter Widerspruch der Beklagten liege hier nicht vor, weil diese weder auf Einwendungen gegen die Aufkündigung verzichtet noch diese zurückgenommen habe. Die bloße Untätigkeit der Beklagten schade nicht. Die vom Nebenintervenienten erhobenen Einwendungen seien daher wirksam, sodass weder eine Nichtigkeit noch eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz vorliege.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob der einfache Nebenintervenient bei Untätigkeit der Hauptpartei selbständig Einwendungen erheben könne, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die (nur) von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin, die nicht berechtigt ist.

1. Der Eintritt des Nebenintervenienten setzt ua gemäß § 17 Abs 1 ZPO einen zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit voraus. Im Bestandverfahren ist nach der Rechtsprechung davon auszugehen, dass die Streitanhängigkeit (§ 232 ZPO) durch die auch im vorliegenden Fall erfolgte Zustellung der Aufkündigung an den Beklagten bewirkt wird (SZ 10/55 = Judikatenbuch Nr 31; 1 Ob 111/67 = SZ 40/82; 1 Ob 673/86; RIS Justiz RS0036834). Ab diesem Zeitpunkt ist eine Nebenintervention im Verfahren zulässig. Diese Voraussetzungen liegen hier unstrittig vor. Die Wirksamkeit des Beitritts des Nebenintervenienten ist nicht strittig.

2. Die Rechtsprechung, die dem Untermieter im Kündigungsverfahren gegen den Hauptmieter die Stellung eines streitgenössischen Nebenintervenienten einräumt (SZ 10/55; 8 Ob 56/66; RIS Justiz RS0035538; kritisch dazu Schubert in Fasching/Konecny² II/1 § 20 ZPO Rz 5; Iby in Fasching/Konecny² IV/1 § 568 Rz 16, jeweils mwH), erachtet die Nebenintervention des Untermieters im Bestandverfahren auch dann als zulässig, wenn der Aufgekündigte selbst keine Einwendungen erhoben hat (RIS Justiz RS0035992; Schubert aaO; ebenso auch Deixler Hübner , Die Nebenintervention im Zivilprozess, 63, die dem Untermieter jedoch lediglich die Stellung eines einfachen Nebenintervenienten zubilligt, aaO 210 ff). Jedenfalls für den streitgenössischen Nebenintervenienten wurde damit im Ergebnis die Möglichkeit, Einwendungen gegen die Aufkündigung auch ohne Beteiligung der Hauptpartei zu erheben, bereits bejaht.

3. Dem hier unter Berufung auf seine Eintrittsberechtigung gemäß § 14 Abs 3 MRG einschreitenden Nebenintervenienten kommt unstrittig nur die Stellung eines einfachen Nebenintervenienten zu (SZ 18/33 = 2 Ob 114/36; 2 Ob 607/92; RIS Justiz RS0035603; Deixler Hübner aaO 212).

4. Gemäß § 19 Abs 1 ZPO ist auch der einfache Nebenintervenient berechtigt, zur Unterstützung „seiner“ Hauptpartei Angriffs und Verteidigungsmittel geltend zu machen und Prozesshandlungen vorzunehmen. Dazu gehört aber etwa auch die Erhebung eines Einspruchs gegen einen Zahlungsbefehl (3 Ob 51/05d) oder die Erhebung eines auch eigenständigen Rechtsmittels gegen eine Entscheidung durch den Nebenintervenienten ( Schubert in Fasching/Konecny² II/1 § 19 Rz 8; RIS Justiz RS0035520). Gemäß § 19 Abs 1 letzter Satz ZPO sind solche Prozesshandlungen wirksam, soweit sie nicht mit Prozesshandlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen (RIS Justiz RS0035472). Insofern besteht daher kein Grund, die Berechtigung auch des einfachen Nebenintervenienten, Einwendungen gegen die Aufkündigung iSd § 562 Abs 1 ZPO zu erheben, in Frage zu stellen.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass in der bloßen Nichterstattung von Einwendungen insbesondere unter den hier gegebenen Umständen weder ein Verzicht noch eine ausdrückliche Zurücknahme der Einwendungen durch die Hauptpartei liegt, ist zutreffend (SZ 4/79; RIS Justiz RS0035992) und wird von der Revisionswerberin nicht substantiiert bestritten.

5. Richtig ist, dass Einwendungen des Nebenintervenienten nur das Rechtsverhältnis der Hauptpartei zum Gegner betreffen können, sodass Einwendungen des Nebenintervenienten kraft eigenen Rechts ausgeschlossen sind (RIS Justiz RS0035474; Schubert aaO § 19 Rz 4). Hier hat allerdings der Nebenintervenient ohnehin Einwendungen erhoben, die das Rechtsverhältnis der Hauptpartei zum Gegner betreffen, indem er unter Hinweis auf seine Eintrittsberechtigung die mangelnde Passivlegitimation der beklagten Hauptpartei und das Vorliegen des Kündigungsgrunds des § 30 Abs 2 Z 3 MRG bestritten hat.

7. Aus dem Umstand, dass dem gemäß § 14 Abs 3 MRG Eintrittsberechtigten nach der Rechtsprechung die Möglichkeit offen steht, sein Eintrittsrecht allenfalls auch noch im Räumungsexekutionsverfahren gegen die Verlassenschaft mit einer Klage gemäß § 37 EO durchzusetzen (vgl RIS Justiz RS0000921; 2 Ob 607/92), ist daher für die Klägerin nichts zu gewinnen.

8. Inhaltlich hat die Klägerin die Eintrittsberechtigung des Nebenintervenienten in das Bestandverhältnis schon in zweiter Instanz nicht mehr bestritten. Damit ist nicht nur der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG nicht gegeben, sondern es ist auch die Verlassenschaft des verstorbenen Mieters in Ansehung des weiteren geltend gemachten Kündigungsgrundes (dessen Verneinung überdies ebenfalls schon in zweiter Instanz nicht mehr bestritten wurde) nicht passiv legitimiert (RIS Justiz RS0070723; 1 Ob 1733/95).

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.