JudikaturJustiz8Ob514/95

8Ob514/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juni 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeindeverband A*****, vertreten durch den Verbandsobmann Josef W*****, vertreten durch Dr.Grosch und Partner, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Peter B*****Gesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Albert Feichtner, Rechtsanwalt in Kitzbühel, und die auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten 1) Toni P*****Gesellschaft m.b.H. Co KG, ***** vertreten durch Dr.Bernhard Heitzmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, und

2) Hans K*****Baugesellschaft m.b.H. Co KG, ***** vertreten durch MMag.Dr.Peter Pescoller, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert S 800.000,--) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. Mai 1994, GZ 4 R 106/94-45, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 18. Jänner 1994, GZ 10 Cg 305/93f-36, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und dem auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen zu 1) genannten Nebenintervenienten die mit je S 22.185,-- (einschließlich S 3.697,50 USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei beauftragte als Bauherr die beklagte Partei mit der Erbringung von Architektenleistungen und mit der Bauleitung für das Bauvorhaben Zu- und Umbau des von ihr betriebenen Altenwohnheims. Die beklagte Partei übernahm unter anderem auch die Haftung für Fehler der Bauausführung im Rahmen der örtlichen Bauaufsicht.

Mit den Baumeisterarbeiten wurde die zweite Nebenintervenientin beauftragt; von diesem Auftrag waren auch die Einbringung einer trockenen Kiesschüttung auf den Betondecken, die Einbringung von Telwolle und die Estrichverlegearbeiten umfaßt; die Estrichoberfläche mußte nach dem Auftrag für die Verlegung von PVC- und Spannteppichböden geeignet sein.

Die erste Nebenintervenientin wurde mit der Verlegung der Böden beauftragt, unter anderem mit der Verlegung der Linoleumböden im Bereich der Zimmer und Gänge.

In der Folge traten verschiedene Bauschäden, insbesondere Putzrisse und Schäden am Fußboden (Blasenbildung im Linoleum) auf, die durch das Einbringen einer nassen Kiesschüttung durch die Baufirma (zweite Nebenintervenientin) entstanden. Der von der beklagten Partei mit der örtlichen Bauleitung betraute Mitarbeiter gab den Arbeitnehmern der zweiten Nebenintervenientin zwar die Anweisung, über Nacht und über das Wochenende den Kies abzudecken, überprüfte jedoch nicht, ob dies tatsächlich geschah. Unter Tags war der Kies jedenfalls nicht abgedeckt. Die Behebung dieser Schäden erfordert einen Aufwand von insgesamt S 171.501,50, wobei S 41.000,-- auf die Beseitigung der Risse und S 130.501,50 auf die Sanierung der Böden entfallen. Weiters hat sie ein Ausquartieren der Heimbewohner der betroffenen Zimmer sowie einen Teil des Pflegepersonals auf einen Tag zur Folge; die Kosten werden sich pro Person auf S 350,-- bis S 400,-- belaufen und wurden vom Berufungsgericht unter Zugrundelegung der Anzahl der 35 Heiminsassen gemäß § 273 ZPO mit S 14.000,-- bestimmt.

Die Schäden wurden noch nicht behoben und zwar einerseits, weil sich die beklagte Partei und die beiden Nebenintervenienten nicht über die Aufteilung der Kosten der Schadensbehebung einigen konnten und, andererseits, weil die beklagte Partei die Schadensbehebung mit der Begründung ablehnt, daß sie nicht wisse, welche weiteren Schadenbehebungsarbeiten noch erforderlich sein werden.

Eine Restforderung der beklagten Partei an "Honorar" in Höhe von S 50.000,-- ist noch offen. Die zweite Nebenintervenientin mußte der klagenden Partei eine Bankgarantie beibringen, die diese einen Tag vor Ablauf, nämlich am 1.12.1992, in der Höhe von S 336.607,89 in Anspruch nahm.

Die klagende Partei begehrt die Feststellung, daß ihr das beklagte Planungsbüro für jeden Schaden hafte, der ihr aufgrund einer mangelhaften Bauausführung, Planung und Bauaufsicht hinsichtlich des im Jahre 1988 errichteten, näher bezeichneten Altenwohn- und Pflegeheims entstehe; hilfsweise begehrt sie die Zahlung von S 171.501,50 sA.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete - soweit dies für das Revisionsverfahren noch wesentlich ist - ein, daß das Feststellungsbegehren unzulässig sei, weil eine Leistungsklage möglich sei und keine weiteren Schäden entstehen könnten. Ursache der Schäden sei die feuchte Schüttung durch die zweite Nebenintervenientin, die beklagte Partei treffe kein Verschulden. Hinsichtlich des Eventualbegehrens auf Zahlung wendete sie ein, allfällige Ansprüche seien jedenfalls mehr als abgedeckt, da die klagende Partei die von der zweiten Nebenintervenientin gestellte Bankgarantie mit S 336.607,89 abgerufen habe.

Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualbegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, daß der klagenden Partei das Feststellungsinteresse fehle, weil die Sanierungskosten mit S 171.501,50 feststünden und die Kosten für die Ausquartierung der Heiminsassen abschätz- und bestimmbar seien, sodaß die klagende Partei ein Leistungsbegehren erheben könne. Auch das hilfsweise gestellte Leistungsbegehren sei allerdings nicht berechtigt. Die beklagte Partei hafte nur für die Sanierung der Linoleumböden in Höhe von S 130.501,50 und die damit verbundenen Übersiedlungskosten der Heiminsassen, und zwar mit der zweiten Nebenintervenientin zur ungeteilten Hand. Da dieser Betrag bereits durch die Inanspruchnahme der Bankgarantie der zweiten Nebenintervenientin mehr als abgedeckt sei, sei auch das Leistungsbegehren abzuweisen. Wenn auch das gegenständliche Urteil keine Bindungswirkung im Rechtsverhältnis zwischen der klagenden Partei und der zweiten Nebenintervenientin entfalte und diese grundsätzlich Rückforderungsansprüche im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme ihrer Bankgarantie haben könnte, ändere dies nichts daran, daß, soweit die Schuld der zweiten Nebenintervenientin gegenüber der klagenden Partei zu Recht bestehe, von einer Zahlung im Sinne einer Erfüllung der Schuld auszugehen sei, für die die beklagte Partei solidarisch mit der zweiten Nebenintervenientin hafte. Es käme daher darauf an, in welcher Höhe eine Forderung aus den von der zweiten Nebenintervenientin zu vertretenden Baumängeln zugunsten der klagenden Partei bestehe, ob für diese Forderung auch die beklagte Partei solidarisch hafte und ob diese Forderung durch die Inanspruchnahme der Bankgarantie zumindest abgedeckt oder sogar überzahlt worden sei. Alle drei Fragen seien zu bejahen. Das Abrufen der Bankgarantie der zweiten Nebenintervenientin habe auch im Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen die Wirkung einer Zahlung und damit einer Tilgung der Schuld, die die klagende Partei gegen die beklagte Partei geltend mache.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Klagsstattgebung hinsichtlich des Hauptbegehrens, hilfsweise hinsichtlich des Eventualbegehrens, abzuändern; hilfsweise stellt sie auch einen Aufhebungsantrag.

Die beklagte Partei und die erste Nebenintervenientin beantragen in der ihnen jeweils freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Die klagende Partei gründet die Zulässigkeit ihrer Revision ua zurecht darauf, daß oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, was rechtens sei, wenn sich in einem mangels Bindungswirkung zulässigen Rückforderungsprozeß der zweiten Nebenintervenientin gegen die hier klagende Partei wegen unberechtigter Inanspruchnahme der Bankgarantie durch diese herausstellen sollte, daß dies zutreffe und sie daher den erhaltenen Betrag ganz oder teilweise der zweiten Nebenintervenientin zurückzahlen müßte, sodaß sich die von den Vorinstanzen angenommene Tilgungswirkung durch Erfüllung der Schuld durch den Solidarschuldner als unrichtig herausstellen würde. Durch die Abrufung der Bankgarantie der zweiten Nebenintervenientin könne jedenfalls dann, wenn diese der Abrufung nicht zugestimmt habe, ihre Forderung gegen die beklagte Partei nicht getilgt sein, weil sie sonst im Fall der erfolgreichen Rückforderung durch die zweite Nebenintervenientin ihre Forderung gegen die beklagte Partei infolge Verjährung nicht mehr durchsetzen könnte. Sie meint offensichtlich - wenn sie das auch nicht sehr deutlich zum Ausdruck bringt - ein rechtliches Interesse an der Feststellung der grundsätzlichen Haftung der beklagten Partei deshalb zu haben, weil sie bei Klagsstattgebung dann durch dreissig Jahre noch erfolgreich eine Leistungsklage erheben könnte.

Es trifft zu, daß in einem Verfahren, in dem nur einer von mehreren potentiell solidarisch haftenden Schuldnern geklagt wird, das Urteil keine Bindungswirkung hinsichtlich des nicht mitbeklagten Solidarschuldners entfaltet; davon ist das Berufungsgericht aber ohnedies ausgegangen. Die Baufirma (zweite Nebenintervenientin) könnte daher in einem anderen Prozeß, in dem sie Partei ist, die in diesem Prozeß angenommene schuldhafte Verursachung der Mängel durch sie und die dadurch hervorgerufene Solidarhaftung mit der hier beklagten Partei sowie auch die Höhe der Behebungskosten der ihr anzulastenden Mängel bestreiten.

Im vorliegenden Fall hat die Baufirma eine Bankgarantie gegeben, die die klagende Partei abgerufen hat. Damit ist die Forderung der klagenden Partei gegen die Baufirma getilgt (SZ 61/63; Bankarchiv 1991, 293 ua). Weist bei einer solchen abstrakten Garantie das Grundverhältnis (Valutaverhältnis) zwischen dem Dritten (hier der Baufirma) und dem Begünstigten (hier der klagenden Partei) Mängel auf und stünden der klagenden Partei in Wahrheit überhaupt keine oder nicht Ansprüche in dieser Höhe zu, so könnte die Baufirma Bereicherungsansprüche gegen die klagende Partei geltend machen (Koziol, Garantievertrag 85). Es könnte daher - rein theoretisch - , wenn sich in einem allfälligen Kondiktionsprozeß herausstellen sollte, daß die Baufirma für die hier relevanten Baumängel nicht einzustehen hätte, die klagende Partei zur Erstattung des zu Unrecht abgerufenen Garantiebetrages verurteilt werden. Dies hätte zur Folge, daß in diesem Umfang die Tilgungswirkung auch gegenüber der beklagten Partei als Solidarschuldner (§ 1302 letzter Satz iVm § 893 ABGB) wegfallen und ihr gegenüber die Forderung wieder aufleben würde.

Derzeit kommt aber der Abrufung der Bankgarantie der Baufirma die Wirkung einer Zahlung und damit auch der Tilgung der Schuld der beklagten Partei zu. Damit steht derzeit jedenfalls dem Eventualbegehren (Leistungsbegehren) der Umstand der Schuldtilgung entgegen.

Die klagende Partei versucht ihr Feststellungsinteresse mit dem Hinweis zu rechtfertigen, das ihr andernfalls, bei Erhebung einer Leistungsklage nach allfälligem Wiederaufleben der Forderung, der Einwand der Verjährung entgegen gehalten werden könnte.

Es ist zwar richtig, daß diese Gefahr für die klagende Partei bei Erwirkung eines Feststellungsurteils praktisch überhaupt nicht bestünde, weil ein solches für die Dauer von dreissig Jahren die Einrede der Verjährung für Schadensfolgen ausschaltet (SZ 45/8).

Dennoch besteht für die klagende Partei kein Feststellungsinteresse:

Der Beginn der Verjährungsfrist ist gemäß § 1478 ABGB grundsätzlich an die objektive Möglichkeit der Rechtsausübung geknüpft. Die Verjährungsfrist kann daher nicht zu laufen beginnen, solange Mitverpflichtete die volle Leistung erbringen (1 Ob 28-30/81).

Im vorliegenden Fall hat zwar die Verjährungsfrist zu laufen begonnen, weil die geschuldete Leistung durch den Solidarschuldner nicht sofort nach Fälligkeit, sondern erst etwas später durch Abruf der Bankgarantie erbracht wurde. Dieser Umstand rechtfertigt zwar nicht, daß die Verjährungsfrist bei einem allfälligen Wiederaufleben der Forderung neu zu laufen beginnt, wohl aber rechtfertigt er, daß sie nicht ungehemmt abläuft; die klagende Partei kann ja, solange von der Tilgung der Schuld durch den Solidarschuldner auszugehen ist, nicht gegen die beklagte Partei vorgehen. Ihr kann auch nicht vorgeworfen werden, daß sie diesen Umstand selbst veranlaßt hat, indem sie die Bankgarantie abgerufen hat; ein Verzicht darauf hätte sie womöglich um die Einbringlichkeit der Forderung gegen die Baufirma gebracht.

Ähnliche Überlegungen wie jene, die die ständige neuere Rechtsprechung (EvBl 1974/158; SZ 48/33; 58/58; JBl 1989, 460 uva) bewogen haben, bei Vergleichsverhandlungen einen Hemmungsgrund eigener Art in Form einer Ablaufhemmung anzunehmen, rechtfertigen es auch hier, den Ablauf der Verjährungsfrist als gehemmt anzusehen: So wie bei Vergleichsverhandlungen, die bis an das Ende der Verjährungszeit oder darüber hinaus geführt werden, der Ablauf der Verjährungsfrist hinausgeschoben wird und Verjährung nicht eintritt, wenn nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen in angemessener Frist die Klage eingebracht wird, soll auch die Klagefrist für die Leistungsklage zwischen den Parteien nicht ablaufen, wenn binnen angemessener Frist nach dem Wiederaufleben der Forderung die Leistungsklage eingebracht wird (vgl auch WBl 1989, 149 und ecolex 1993, 83 betreffend die Verjährung einer Werklohnforderung bei nicht mutwilliger Bestreitung der Verbesserungspflicht).

Kann somit im Fall des Wiederauflebens der getilgten Forderung einer Leistungsklage der Einwand der Verjährung ohnehin nicht erfolgreich entgegengehalten werden, dann mangelt es jedenfalls an einem Feststellungsinteresse.

Der Versuch, dieses Feststellungsinteresse mit der angeblich mangelnden Bestimmbarkeit der Höhe des Schadens, der durch die kurzfristige Übersiedlung der Heiminsassen anfallen kann, zu begründen, muß fehlschlagen. Diesbezüglich genügt es, auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO) und zu bemerken: Die Höhe der Übersiedlungskosten eines Heiminsassen steht mit maximal S 400,-- fest. Die Überlegungen der klagenden Partei, man würde ja noch nicht wissen, wie stark das Altersheim zum Zeitpunkt der Verbesserungsarbeiten belegt sei, welches Personal mitübersiedeln müßte ua, sind nicht stichhältig, weil selbst dann, wenn alle 35 Heiminsassen samt Personal übersiedeln müßten (was nach den Feststellungen auszuscheiden ist), der dafür nötige Betrag in der weit überhöht abgerufenen Bankgarantie der zweiten Nebenintervenientin nebst dem sonstigen Schaden sicher Deckung findet.

Es hat somit bei der Abweisung des Haupt- und des Eventualbegehrens zu verbleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.