JudikaturJustiz7Ob97/00s

7Ob97/00s – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Mai 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Außerstreitrechtssache des Antragstellers Leopold S*****, vertreten durch Dr. Willibald Rath und andere Rechtsanwälte in Graz, gegen den Antragsgegner Dr. Horst S*****, vertreten durch Kaan, Cronenberg Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen Bestellung eines Heiratsgutes von S 1 Mio, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 16. März 2000, GZ 2 R 71/00a-61, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 31. Jänner 2000, GZ 21 Nc 102/95b-58, mit einer Maßgabe bestätigt, tatsächlich aber abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird dahin Folge gegeben, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Antrag des Antragstellers auf Zuspruch der Kosten des Revisionsrekurses wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Protokollarantrag vom 14. 11. 1995 begehrte der Antragsteller, der am 2. 7. 1993 geheiratet hatte, von seinem Vater, dem Antragsgegner, ein (Ausstattungs )Heiratsgut von S 1 Mio.

Der Antragsgegner beantragte, den Antrag abzuweisen, weil der Antragsteller ohnehin über hinreichendes Vermögen verfüge. Auch habe er die Eheschließung des Antragstellers ua wegen des großen Altersunterschiedes und eines unsittlichen Lebenswandels seiner nunmehrigen Frau iSd § 1222 ABGB missbilligt.

Am 3. 3. 1999 überreichte der - seit 17. 12. 1996 anwaltlich vertretene - Antragsteller ein von ihm unterfertigtes Schreiben folgenden Inhalts: "In der Angelegenheit Heiratsgut Dr. Horst S***** gegen Leopold S***** erkläre ich hiermit die Klage zurückzuziehen."

In einem schon am folgenden Tag (4. 3. 1999) dem Erstgericht überreichten Schreiben erklärte er allerdings, "hiermit ausdrücklich meine gestrige Zusage, die Klage gegen meinen Vater zurückzuziehen", zu widerrufen, "da er versprochene außergerichtliche Vereinbarung nicht eingehalten hat". Auf diesem Schreiben befindet sich folgender Aktenvermerk des Erstrichters vom 10. 3. 1999: "Laut telefonischer Mitteilung des Herrn Leopold S***** ist dieses Schreiben als gegenstandslos zu bezeichnen".

Über Anfrage des Erstgerichtes teilte der Antragsteller durch seinen anwaltlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 27. 4. 1999 mit, dass der gegenständliche Antrag nicht zurückgezogen werde.

In der Folge wurde vom Erstgericht mehrmals verhandelt, wobei der Antragsteller vorbrachte, mit dem Antragsgegner sei es nie zu einer Einigung hinsichtlich eines Heiratsgutes gekommen; er habe nie auf seinen betreffenden Anspruch verzichtet; bei einem betreffenden Gespräch mit dem Antragsgegner sei er, der Antragsteller, unter dem Einfluss von Suchtgiftmitteln, insbesondere von Alkohol gestanden.

In der Tagsatzung am 9. 12. 1999 brachte der Vertreter des Antragsgegners vor, dass auf Grund der Antragsrückziehung das Verfahren spruchreif sei und daher der Antrag abzuweisen sein werde.

Daraufhin wies das Erstgericht mit Beschluss vom 31. 1. 2000 den Antrag des Antragsgegners, den Antrag des Antragstellers auf Bestellung eines Heiratsgutes abzuweisen, da eine Antragsrückziehung vorliege, ab. Der Antragsteller habe keinen Anspruchsverzicht abgegeben. Sinn und Zweck der Antragszurückziehung sei lediglich gewesen, die Basis für eine außergerichtliche Einigung zwischen den Streitteilen zu schaffen. Dass damit auch ein materieller Verzicht seitens des Antragstellers verbunden gewesen wäre, könne nicht unterstellt werden. Nach den - anzuwendenden - Bestimmungen der ZPO bedürfe es für die Klagsrücknahme ohne Anspruchsverzicht der Zustimmung des Beklagten. Bis zur Zustimmungserklärung könne der Kläger die Rücknahmerklärung widerrufen. Eine Zustimmungserklärung des Antragsgegners sei bis zum Widerruf der Zurückziehung hier nicht vorgelegen, weshalb der Widerruf wirksam gewesen sei.

Das Rekursgericht entschied, dass dem Rekurs nicht Folge gegeben, sondern der Beschluss des Erstgerichtes mit der Maßgabe bestätigt werde, dass der Antrag des Antragsgegners, den Antrag des Antragstellers auf Bestellung eines Heiratsgutes abzuweisen, da eine Antragsrückziehung vorliege, zurückgewiesen werde. Der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 14 Abs 1 AußStrG sei zulässig. Im außerstreitigen Verfahren sei die Rücknahme des Antrages in jeder Lage des Verfahrens zulässig. Sie habe durch Erklärung gegenüber dem Gericht zu erfolgen und beende das Verfahren. Parteienhandlungen könnten nicht wegen Willensmängeln nach den Regeln des Privatrechtes angefochten werden. Ein Anwaltszwang sei im Verfahren über die Bestellung eines Heiratsgutes nicht gegeben und stehe daher der persönlichen Vornahme der Prozesshandlung nicht entgegen. Eine Klagsrückziehung stelle sich als eine das Gericht bindende Rechtsausübung dar und sei nur empfangs-, aber nicht annahmebedürftig. Sie wirke also auch ohne Annahmererklärung des Gerichts. Für den gegenständlichen Fall bedeute dies, dass die Erklärung des Antragstellers vom 3. 3. 1999, die "Klage" wegen des Heiratsgutes zurückzuziehen, das Verfahren beendet habe. Dem Erstgericht sei es in der Folge verwehrt gewesen, über den Antrag des Antragsgegners auf Abweisung des Anspruchs materiell zu entscheiden, weshalb der angefochtene Beschluss mit der Maßgabe der Zurückweisung des Antrages des Antragsgegners zu bestätigen gewesen sei. Eine formelle Entscheidung, ob das Verfahren fortzusetzen sei, werde vom Erstgericht zu fällen sein.

Zur Begründung seines Ausspruches der Zulässigkeit des Revisionsrekurses führte das Rekursgericht im Wesentlichen aus, zur - aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtssicherheit erheblichen - Verfahrensfrage, ob eine Antragsrückziehung im Außerstreitverfahren zurückgezogen werden könne, liege keine Rechtsprechung des Höchstgerichtes vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig, weil das Rekursgericht die Rechtslage verkannt hat; er ist deshalb auch berechtigt.

Gemäß §§ 1220 ff, 1231 ABGB sind die Eltern verpflichtet, ihrem Kind bei dessen Verehelichung eine angemessene Ausstattung zu geben, wenn es einer solchen Hilfe bedarf, also selbst kein ausreichendes Vermögen besitzt. Trotz der unterschiedlichen Terminologie in den §§ 1220 ff ABGB (für die Tochter) und in § 1231 ABGB (für den Sohn) handelt es sich um denselben Anspruch, dessen Zweck die Gewährung einer den Lebensverhältnissen der Eltern angemessenen Starthilfe für das ausstattungsbedürftige Kind bei der Gründung einer eigenen Familie ist (hM, vgl etwa Koziol-Welser, Bürgerliches Recht10 II 257; Petrasch in Rummel2 Rz 1 zu § 1220 ABGB und Rz 1 zu § 1231 ABGB; SZ 53/110; EFSlg 54.195; EFSlg 60.001; RZ 1993/21; EvBl 2000/1 = NZ 2000, 118; jüngst 2 Ob 10/99f uva). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Söhne und Töchter zur Befriedigung der mit der ersten Heirat verbundenen Bedürfnisse noch einmal angemessen an den Lebensverhältnissen ihrer Eltern teilnehmen können (3 Ob 2369/96w mwH).

Nach hM ist die Geltendmachung von Ansprüchen auf Heiratsgut - schlüssig - in das Außerstreitverfahren verwiesen (EFSlg 8.406; EFSlg 33.733; Brauneder in Schwimann2 VI Rz 16 zu § 1221 ABGB; Mayr/Fucik, Verfahren außer Streitsachen, 13; Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren3 Rz 6 uva). Besondere Regeln für das Verfahren über Ausstattungsansprüche gemäß §§ 1220 ff, 1231 ABGB finden sich im Außerstreitgesetz (daher) nicht. Da es sich dabei - im Gegensatz zu den Rechtsfürsorgeverfahren - um ein zweiparteiliches "Streitentscheidungsverfahren" (pointiert auch als "streitiges Außerstreitverfahren" bezeichnet - vgl Klicka/Oberhammer aaO Rz 5) handelt, bietet sich - zumindest partiell (vgl JBl 1998, 385) - eine analoge Heranziehung der Zivilprozessordnung an.

Dies haben sowohl das Erstgericht, aber auch das Rekursgericht, das sich ebenfalls an einer Klagszurückziehung orientierte, zutreffend erkannt. Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers sind die Vorinstanzen auch zutreffend davon ausgegangen, dass sein Schriftsatz vom 3. 3. 1999 zweifelsfrei das gegenständliche Verfahren betroffen hat. Die Fehlbezeichnung des Anspruches auf Heiratsgut als "Klage" konnte dabei nicht schaden. Die Vorinstanzen sind aber hinsichtlich der Wirksamkeit der mit dem erwähnten Schriftsatz abgegebenen Willenserklärung des Antragstellers zu kontroversiellen Auffassungen gelangt: Während das Erstgericht, ausgehend davon, dass kein Anspruchsverzicht vorlag, mangels der daher analog § 237 ZPO erforderlichen Zustimmung des Antragsgegners vor Erklärung des Widerrufs des Antragstellers den Widerruf für rechtswirksam erachtete, hat das Rekursgericht bereits die Zurückziehung des Anspruches mit Schreiben vom 3. 3. 1999 als jedenfalls verfahrensbeendend betrachtet; es hat dem Widerruf der Zurückziehung keine Bedeutung beigemessen, weil bereits die - wie die Klagszurücknahme - bloß empfangs-, nicht aber annahmebedürftige Anspruchszurückziehung - für den Antragsteller irreversibel - rechtswirksam gewesen sei.

Der Ansicht des Rekursgerichtes, das die erstinstanzliche Entscheidung in Wahrheit also nicht mit einer Maßgabe bestätigt, sondern abgeändert hat, kann indes aus folgenden Überlegungen nicht beigepflichtet werden: Auszugehen ist davon, dass der Antragsteller mit Schriftsatz vom 3. 3. 1999 die Zurückziehung seines verfahrensgegenständlichen Antrags auf Bestellung eines Heiratsgutes beabsichtigte, er also eine "Prozesshandlung" setzte. Prozesshandlungen sind nun im Gegensatz zu Rechtsgeschäften des Privatrechts in der Regel einseitig durch den Erklärenden widerrufbar. Dies jedoch nur, solange die Prozesshandlung noch nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung geworden ist, oder der Gegner daraus unmittelbare Rechte erlangt hat oder das Gesetz sie ausdrücklich für unwiderruflich oder nur für beschränkt oder nur unter bestimmten Voraussetzungen widerruflich oder abänderbar erklärt, wie etwa die Klagsrücknahme gemäß § 237 ZPO (vgl Fasching, Zivilprozessrecht2 Rz 763). Für die erwähnte Klagszurücknahme bestimmt § 237 ZPO, dass sie ohne Anspruchsverzicht ohne weiteres bis zum Beginn der ersten Tagsatzung, bei Säumnis des Beklagten auch noch bis zum Ende derselben und wenn eine solche nicht stattfindet auch noch bis zum Einlangen der Klagebeantwortung erfolgen kann. Danach ist sie nur mehr mit Zustimmung des Beklagten möglich; wenn sich dieser schon in den Streit eingelassen hat, soll er davor geschützt werden, dass ihm der Kläger die Möglichkeit entzieht, eine klageabweisende Entscheidung zu erreichen (Frauenberger in Rechberger2 Rz 4 zu §§ 237, 238 ZPO). Unter Anspruchsverzicht (und daher ohne Einwilligung des Beklagten) kann eine Klage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz bzw bis zur Entscheidung des Berufungsgerichtes zurückgezogen werden. Analog zu § 237 ZPO muss ähnliches auch für die Zurücknahme eines Antrages auf Bestellung von Heiratsgut gelten (zur grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen Analogie von ZPO-Vorschriften siehe ausführlich [und mit übersichtlicher Darstellung] Mayr/Fucik, Verfahren außer Streitsachen, Rz 19 zu § 2). Eine solche Zurücknahme muss unter Anspruchsverzicht daher bis zur Entscheidung der zweiten Instanz, ohne Anspruchsverzicht aber, nachdem sich der Antragsgegner in den Streit eingelassen hat, aus derselben Erwägung wie bei der Klagerücknahme, jedoch nur mehr mit seiner Zustimmung möglich sein. Um entscheiden zu können, ob die Zustimmung des Antragsgegners notwendig ist, muss das Gericht daher darüber informiert sein, ob ein Anspruchsverzicht vorliegt.

Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller mit seinem Schreiben vom 3. 3. 1999 dem Gericht lediglich die Zurückziehung seines Antrages mitgeteilt, nicht jedoch, dass die Antragsrücknahme auch unter Anspruchsverzicht erfolge. Demnach konnte die Wirksamkeit der "Klage"rücknahme (gemeint: Rücknahme des Protokollarantrages) erst mit der daher dafür erforderlichen Zustimmung des Antragsgegners eintreten (vgl Frauenberger aaO Rz 7 zu §§ 237, 238 ZPO). Die Meinung des Erstgerichtes, dass der Antragsteller bis zur Erteilung einer solchen Zustimmung einen Widerruf seiner Antragszurückziehung erklären konnte und daher der Widerruf derselben hier wirksam war, ist daher zu teilen. Die Erklärung des Antragsgegners in seinem Schriftsatz vom 9. 7. 1999, den Verzicht des Antragstellers (auf die weitere Stellung von Ansprüchen gegen ihn im Rahmen des laufenden Verfahrens) angenommen zu haben, erfolgte einerseits zeitlich wesentlich später und betrifft andererseits ausschließlich die materiell- und nicht die verfahrensrechtliche beiderseitige Rechtsbeziehung der Streitteile.

Der eingangs erwähnte Aktenvermerk des Erstgerichtes vom 10. 3. 1999 ist in diesem Zusammenhang nicht von Relevanz. Abgesehen davon, dass gar nicht eindeutig gesagt werden kann, auf welches Schreiben (3. oder 4. 3. 1999) dabei Bezug genommen wurde, wäre analog § 237 Abs 2 ZPO nur auf eine schriftliche oder protokollarische Zurückziehung des Widerrufs Bedacht zu nehmen.

In Stattgebung des Revisionsrekurses war die erstinstanzliche Entscheidung daher wiederherzustellen. Der Vollständigkeit halber sei aber noch darauf hingewiesen, dass für das Erstgericht eigentlich keinerlei verfahrensmäßige Notwendigkeit oder Anlass bestand, über den betreffenden Einwand des Antragsgegners einen gesonderten Beschluss zu fassen. Vielmehr hätte es genügt (und wäre es aus verfahrensökonomischen Gründen wünschenswert gewesen), den Einwand, es liege eine Anspruchszurückziehung vor, allenfalls im Zuge der Entscheidung in der Sache selbst zu verwerfen. Ob das vorliegende Außerstreitverfahren im Hinblick auf die offenbar am 13. 1. 1997 erfolgte Scheidung der Ehe des Antragstellers (siehe Kopie des Beschlusses des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz ON 35) nicht ohnehin (längst) entscheidungsreif ist (vgl EFSlg 36.117;

38.521; SZ 56/169 = EFSlg 43.486; Petrasch aaO Rz 3 zu § 1221 ABGB;

Brauneder aaO Rz 10 zu § 1221 ABGB), wird das Erstgericht zu entscheiden haben.

Der Antrag auf Kostenzuspruch war schon deshalb abzuweisen, weil ein Kostenersatz im außerstreitigen Verfahren - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - nicht vorgesehen ist (vgl zur Bestellung eines Heiratsgutes 6 Ob 507/89).