JudikaturJustiz7Ob88/23a

7Ob88/23a – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Oktober 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 13.680 EUR sA und Feststellung, über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 30. März 2023, GZ 4 R 16/23k 23, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 19. Dezember 2022, GZ 26 Cg 34/22m 18, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Den Rekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts insgesamt wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.211,42 EUR (darin enthalten 588,42 EUR an USt und 1.526 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin schloss am 17. 4. 2015 einen Kaufvertrag mit der A* GmbH Co KG über einen VW Sharan Highline TDI SCR BM T DSG um einen Kaufpreis von 45.600 EUR. Anschließend leaste sie das Fahrzeug und kaufte es 2020 von der Leasinggeberin, obwohl sie über den sogenannten „Abgasskandal“ Bescheid wusste.

[2] Die Klägerin begehrt von der b eklagten Fahrzeugherstellerin die Zahlung von 13.680 EUR sA und die Feststellung deren Haftung für alle Schäden, die ihr aus dem Kauf ihres Fahrzeugs und dem darin verbauten Dieselmotor Typ EA 189 zukünftig entstehen werden. Sie habe das Fahrzeug mit Kaufvertrag vom 17. 4. 2015 um einen Kaufpreis von 45.600 EUR erworben. Am Ende der Laufzeit des Finanzierungsl easingvertrags habe sie das Fahrzeug aus finanziellen Gründen nicht „herauskaufen“ können. Daher sei in weiterer Folge am 15. 6. 2020 eine Anschlussfinanzierung in Form eines Kreditvertrags abgeschlossen worden und sie habe das Fahrzeug von der Leasinggeberin gekauft . Aufgrund der Vertragsgestaltung sei der Schaden bereits zum Erwerbszeitpunkt (2015) unmittelbar bei der Klägerin eingetreten. Wegen des Einbaus der unzulässigen Abschalteinrichtung begehre sie die Zahlung eines Schadenersatzes in Höhe einer Wertminderung von 30 % des Kaufpreises. Folgeschäden könnten nicht ausgeschlossen werden.

[3] Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wandte insbesondere dessen Unschlüssigkeit ein. Vertragspartei des Händlers und Eigentümerin des Fahrzeugs sei die l easingfinanzierende Bank geworden, die auch den Kaufpreis bezahlt habe. Am Ende der Laufzeit des Leasingvertrags habe die Klägerin in Kenntnis des sogenannten Abgasskandals die Möglichkeit (nicht die Pflicht) genutzt und das Fahrzeug von der Leasinggeberin, der P* Bank * AG, erworben.

[4] Das Erstgericht wies die Klage zur Gänze ab. Ein ersatzfähiger Nachteil liege nicht vor, sei doch das Fahrzeug uneingeschränkt und im normalen Betrieb ohne Probleme nutzbar. Auch die Wertäquivalenz des Fahrzeugs zum Kaufpreis sei stets gegeben gewesen.

[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das Urteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. D ie von der Beklagten eingewandte Unschlüssigkeit der Klage sei nicht gegeben und e in Schadenersatzanspruch der Klägerin grundsätzlich zu bejahen; es lägen aber Feststellungsmängel zur Frage der Höhe des Schadens vor. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zur Klarstellung zu, ob die Frage der Schadensberechnung objektiv abstrakt im Wege der relativen Berechnungsmethode zu erfolgen habe.

[6] Gegen diesen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richten sich die Rekurse der Klägerin und der Beklagten, jeweils mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben sowie in der Sache im Sinne des jeweiligen Urteils bzw Urteilsgegenantrags zu entscheiden.

[7] Die Parteien beantragen in ihren jeweiligen Rekursbeantwortungen, den Rekurs der Gegenseite zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die Rekurse sind aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, sie sind auch insoweit berechtigt, als zu f olge S pruchreife bereits endgültig über das Klagebegehren entschieden werden kann, allerdings – im Ergebnis – klagsabweis end im Sinne des Rekursbegehrens der Beklagten. Dies aus folgenden Erwägungen:

[9] 1. Das Finanzierungs l easing ist eine Form des Investitions l easing, bei dem an die Stelle des Eigentumserwerbs an den Anlagegütern die bloße Gebrauchsüberlassung tritt. Der Leasing g eber erwirbt eine den Wünschen des Leasing n ehmers, der das Leasing g ut seinerseits bei einem D ritten (Lieferanten, Hersteller, Händler) ausgesucht hat, entsprechende Sache, um sie diese m für bestimmte Zeit zum Gebrauch zu überlassen (6 Ob 241/07w, 2 Ob 1/09z, 7 Ob 173/10g je mwN). Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre gehört beim Finanzierungleasing jedenfalls die erstmalige Verschaffung des ordnungsgemäßen Gebrauchs des Leasing o bjekts zur unabdingbaren Verpflichtung des Leasin g ebers im Austausch zu den Leasingraten (RS002 0 73 9 ). Wenngleich sich der Leasinggeber ähnlich dem drittfinanzierten Kauf wirtschaftlich der Rolle des Kreditgebers annähert, schließt der Leasing n ehmer keinen Kaufvertrag mit dem Lieferanten ab. Ihm stehen daher gegenüber dem Lieferanten weder Eigentumsverschaffungsansprüche, noch eigene vertragliche Gewährleistungsansprüche, noch ein Anspruch auf Gebrauchsüberlassung zu. Aber auch eine Kredit- oder Darlehensgewährung durch den Leasinggeber erfolgt nicht. Vielmehr besteht die vertragliche Hauptverpflichtung des Leasinggebers darin, dem Leasingnehmer ein zum vereinbarten Gebrauch taugliches Leasinggut zur Verfügung zu stellen. Auch die Auswahl des Lieferanten durch den Leasingnehmer ändert nichts an der Pflicht des Leasinggebers, dem Leasingnehmer die Gebrauchsmöglichkeit zu verschaffen (2 Ob 1/09z mwN).

[10] 2.1 Die Klägerin hat nach den – ihrem Vorbringen folgenden – Feststellungen über das Fahrzeug am 17. 4. 2015 einen Kaufvertrag unterfertigt, der – wie die von ihr vorgelegte Urkunde Beilage ./U zeigt – bereits eine Berücksichtigung eines „P*-Bank-Bonus“ beim Kaufpreis enthält, die Zahlungsbedingungen aber offen lässt. Weiters hat sie einen Leasingvertrag abgeschlossen und das Fahrzeug erst 2020 von der Leasinggeberin erworben.

[11] 2.2 Die Klägerin beabsichtigte von Anfang an den Erwerb des Fahrzeugs über Leasing zu finanzieren. Der Kaufvertrag diente damit ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs, das letztlich die Leasinggeberin erwerben und der Klägerin zum Gebrauch überlassen sollte.

[12] 2.3 Die Beklagte wandte in diesem Sinn auch die Unschlüssigkeit des Klagebegehrens ein und brachte ausdrücklich vor, dass die Leasinggeberin in den Kaufvertrag an Stelle der Klägerin als Käuferin eingetreten sei, den Kaufpreis bezahlt habe und Eigentümerin des Fahrzeugs geworden sei. Dieses Vorbringen blieb von der Klägerin unbestritten. Sie beschränkte sich vielmehr auf die Behauptung, sie habe den Leasingvertrag nachträglich geschlossen, weshalb sie aktivlegitimiert sei. Zum Inhalt des Leasingvertrags wie selbst zum Zeitpunkt seines Abschlusses machte sie weiterhin keine Angaben.

[13] 2.4 Inwieweit vor diesem Hintergrund bereits 2015 bei der Klägerin der geltend gemachte Schaden aufgrund der Zahlung eines überhöhten Kaufpreises eingetreten sein soll, lässt sich ihrem Vorbringen damit nicht entnehmen. Einen Schaden aus dem Leasingvertrag, etwa aus überhöhten Leasingraten macht sie nicht geltend. Ob es allenfalls aufgrund des Leasingvertrags zu einer Schadensverlagerung gekommen wäre, also ein Mangel des Fahrzeugs, der typischerweise beim unmittelbar Geschädigten eintritt, im besonderen Fall durch ein Rechtsverhältnis auf einen Dritten überwälzt worden wäre, hängt von der konkreten Vertragsgestaltung ab, zu der die Klägerin – wie bereits ausgeführt – keine Behauptungen aufstellte und lässt sich daher für den vorliegenden Fall nicht beurteilen (9 Ob 53/20i).

[14] 2.5 Nach Ablauf des Leasingvertrags hat die Klägerin das Fahrzeug 2020 von der Leasinggeberin gekauft. Auch Vorbringen dazu, warum sie sich, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt nach den Feststellungen bereits über die Abgasmanipulationen informiert war, für einen Ankauf entschieden hat, etwa wegen einer Verpflichtung im Zusammenhang mit dem Leasingvertrag, wurde nicht erstattet (9 Ob 53/20i).

[15] 2.6 Wenn die Klägerin ohne nähere Erläuterung davon ausgeht, dass der Zeitpunkt des Ankaufs mit 2015 anzusetzen wäre, übergeht sie, dass sie aufgrund der gewählten Vertragskonstruktion zu diesem Zeitpunkt – infolge unbestrittenen unmittelbaren Eintritts der Leasinggeberin in den ursprünglichen Kaufvertrag – das Fahrzeug damit gerade nicht gekauft sondern neu spezifiziert hat und nicht Eigentümerin geworden ist.

[16] 2.7 Der „geltend gemachte“ Schaden ist damit aus dem sich letztlich als unschlüssig erweisenden Klagsvorbringen nicht ableitbar.

[17] 2.8 Der Entscheidung 8 Ob 22/22a lag ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Dort erwarb die Klägerin ein Fahrzeug, wobei sie eine Anzahlung leistete, ihren Gebrauchtwagen eintauschte und danach den restlichen Kaufpreis über Leasing finanzierte.

[18] 3. Die Beklagte wies bereits im erstgerichtlichen Verfahren auf die fehlende Schlüssigkeit hin. Es bedarf keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen – insbesondere in Richtung der hier vorliegenden Unschlüssigkeit – erhoben hat (RS0037300 [T4]; RS0120056 [T4]), sodass es auch nicht der Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen zur Erörterung bedarf.

[19] 4. Das Klagebegehren ist daher wegen Unschlüssigkeit nicht berechtigt und im Ergebnis die klagsabweisende Entscheidung des Erstgerichts zutreffend. Beiden Rekursen (zur Nichtgeltung des Verbots der reformatio in peius für Rekurse gegen berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschlüsse siehe RS0043939) war daher Folge zu geben, der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluss aufzuheben und in der Sache selbst das klagsabweisende Urteil wiederherzustellen.

[20] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Auch im Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof ist die Klägerin im Ergebnis als unterlegen anzusehen, weil endgültig in der Sache selbst im klagsabweisenden Sinn entschieden wurde (2 Ob 208/14y).