JudikaturJustiz7Ob74/03p

7Ob74/03p – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. April 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U*****, vertreten durch Mag. Hermann Köck, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei Angelique B***** , vertreten durch Dr. Karl Kuprian, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wegen Aufkündigung einer Pferdeeinstellbox, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2003, GZ 21 R 338/02h 15, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei, deren Mitglied die Beklagte ist, betreibt eine Reithalle und besitzt 24 daran angrenzende, jeweils 2,9 m x 2,9 m große, hölzerne Pferdeboxen. Die Streitteile haben miteinander mündlich einen Pferdeeinstellvertrag geschlossen, wonach sich die klagende Partei gegen ein monatlich zu bezahlendes Entgelt verpflichtete, der Beklagten eine der Einstellboxen zur Verfügung zu stellen, deren Pferd "Hannah" zu füttern, die Box (nach dem Vorbringen der klagenden Partei: täglich) auszumisten und neu einzustreuen. Mit Schreiben vom 14. 1. 2002 kündigte die klagende Partei den Einstellvertrag zum 31. 1. 2002. Mit Schreiben vom 1. 2. 2002 forderte sie die Beklagte neuerlich auf, den Einstellplatz zu räumen.

In ihrer sodann am 11. 2. 2002 erfolgten gerichtlichen Aufkündigung brachte die klagende Partei vor, sie habe mit der Beklagten auf unbestimmte Zeit einen Mietvertrag betreffend eine Pferdebox für das Pferd "Hannah" samt Mitbenützung der Rennbahn und des Reitplatzes abgeschlossen, der im Hinblick auf die vereinbarte monatliche Zahlungsweise unter Einhaltung einer monatlichen Frist gekündigt werden könne.

Die Aufkündigung wurde vom Erstgericht mit Beschluss vom 14. 2. 2002 bewilligt.

Die Beklagte beantragte, die Aufkündigung aufzuheben. Sie wendete - soweit noch wesentlich - ein, es liege kein Bestandvertrag, sondern ein gemischter Verwahrungs und Werkvertrag vor.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung vom 14. 2. 2002 für wirksam und verpflichtete die Beklagte, der klagenden Partei die betreffende Pferdebox geräumt zu übergeben.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung der ersten Instanz dahin ab, dass es die Aufkündigung aufhob und das Räumungsbegehren abwies. Nur bei Vorliegen eines Bestandverhältnisses habe der Bestandgeber die Wahl zwischen Aufkündigung und Räumungsklage. Bestehe ein Bestandverhältnis nicht, sei nur die Räumungsklage möglich. Eine gerichtliche Aufkündigung könne bei Nichtvorliegen eines Bestandverhältnisses eine Räumungsklage nicht ersetzen. Bei sog. gemischten Verträgen kämen die Vorschriften des Bestandverfahrens nur im Falle des Überwiegens der Elemente des Bestandvertrages zur Anwendung. Beim vorliegenden Pferdeeinstellungsvertrag stehe die Übernahme der Obsorge für das Tier (Verpflegung, Versorgung und Verwahrung) durch die klagende Partei im Vordergrund, sodass - ähnlich wie bei einem Garagierungsvertrag, bei dem der Garagist eine besondere Beaufsichtigungspflicht übernehme - von einem (deutlichen) Überwiegen der Mietvertragselemente keine Rede sein könne. Für eine analoge Anwendung der Vorschriften der §§ 560 ff ZPO bestehe im vorliegenden Fall, der mit der zu 2 Ob 3/98z, JBl 1998, 514 entschiedenen Causa nicht vergleichbar sei, kein Anlass.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei, da zur Rechtsnatur von Tiereinstellungsverträgen eine gesicherte höchstgerichtliche Judikatur existiere, von der nicht abgewichen worden sei und es sich bei der Frage, ob der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vertrag (zumindest) nach seinem überwiegenden Charakter als Bestandvertrag anzusehen sei, um eine Frage der Auslegung nach den Umständen des Einzelfalles handle, der im Allgemeinen keine über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei, die unzulässig ist, da darin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht wird. Die klagende Partei wendet sich darin vor allem gegen die Ansicht der zweiten Instanz, die gegenständliche Vereinbarung sei als Tiereinstellungsvertrag zu qualifizieren und stelle - wie etwa auch ein Garagierungsvertrag - einen gemischten Vertrag dar, wobei die Elemente des Bestandvertrags gegenüber jenen des Verwahrungs und Werkvertrages zurücktreten würden. Die vom Berufungsgericht herangezogene Judikatur zu Garagierungsverträgen sei zu Recht von der Lehre ( Sprung/König , RdW 1985, 235; dieselben, RdW 1986, 200; zust Mayr in Rechberger 2 Rz 1 zu § 83 JN) kritisiert worden.

Rechtliche Beurteilung

Die klagende Partei übersieht dabei oder setzt sich darüber hinweg, dass sich die betreffende Kritik der genannten Autoren allein gegen die Auffassung richtet, bei Garagen Kurzparkverträgen liege (reine) Miete nur dann vor, wenn der oder die Benützer den Raum ausschließlich zu benützen befugt seien und durch Absperrung des Raumes die Möglichkeit hätten, dritte Personen von der Benützung der Räumlichkeiten auszuschließen". Die erwähnten Merkmale der "ausschließlichen Benutzung" und der "Möglichkeit, durch Absperren des Raumes Dritte von der Benützung auszuschließen, seien für die Rechtsnatur des Garagen Kurzparkvertrages unbedeutend. Sehr wohl wird von den Genannten aaO aber im Sinne des Ausführungen des Berufungsgerichtes danach differenziert, ob die Parkhausunternehmer besondere Obhutspflichten (zB Bewachung, Pflege, Wartung udgl.) übernähmen oder nicht. Sei dies der Fall, lägen keine Mietverträge, sondern Verwahrungsverträge bzw Verträge besonderer Art vor (RdW 1986, 201). Entgegen der Ansicht der klagenden Partei wird die bekämpfte Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes durch die Ausführungen der genannten Autoren daher nicht widerlegt, sondern gestützt.

Die Auffassung des Berufungsgerichtes, die gegenständliche Vereinbarung über die Einstellung, Fütterung und Wartung des Pferdes der Beklagten sei (jedenfalls überwiegend) als Verwahrungsvertrag anzusehen, steht im Einklang mit der dazu bereits vom Berufungsgericht zitierten oberstgerichtlichen Judikatur (JBl 1974, 622; 8 Ob 517/94, EvBl 1995/8; 3 Ob 172/97h, SZ 70/236; RIS Justiz RS0019331; RS0019347). Warum diese, wie die klagende Partei meint, nicht herangezogen werden könne, weil es sich dabei zumeist um Haftungsfälle handelte, ist nicht ersichtlich.

Ob, wie das Berufungsgericht weiters vertritt, die Elemente des Verwahrungsvertrages jene eines Bestandverhältnisses hier eindeutig dominierten, oder ob, wie die klagende Partei meint, das Gegenteil der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, und stellt wegen dieser Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS Justiz RS0044358; RS0042776; RS0042936), zumal von einer Fehlbeurteilung der zweiten Instanz, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, gar keine Rede sein kann.

Die klagende Partei führt schließlich noch ins Treffen, auch wenn kein eindeutiger Bestandvertrag vorliege, wäre die analoge Anwendung der §§ 560 ff ZPO geboten und beruft sich dazu auf die Entscheidung 2 Ob 3/98z, JBl 1998, 514 = SZ 71/53: Ein Grund, die Revision zuzulassen sei auch deshalb gegeben, weil das Berufungsgericht die Anwendbarkeit dieser Entscheidung auf den vorliegenden Fall zu Unrecht verneint habe.

In der betreffenden Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass ein Innominatvertrag (also die Vereinbarung der Benützung einer Sache gegen Entgelt, jedoch gegen jederzeitigen Widerruf) außerhalb des mietrechtlichen Kündigungsschutzes oder des Schutzes des Landpachtgesetzes wirksam sei; unterliege er allerdings als Mietvertrag dem MRG oder als Pachtvertrag dem LPG, müsste er zur Vermeidung von Umgehungen wie ein Bestandvertrag behandelt werden. Dies lasse aber jedenfalls für alle Fälle der entgeltlichen Überlassung des Gebrauches, in denen nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne, dass der Vertrag gesetzlichen Auflösungsbeschränkungen unterliegt, die zumindest analoge Anwendung der §§ 560 ff ZPO geboten erscheinen. Verwehre man nämlich in solchen Fällen demjenigen, der die Sache, wenngleich gegen jederzeitigen Widerruf, jedoch gegen Entgelt, einem anderen zum Gebrauch überlassen habe, die Möglichkeit der gerichtlichen Aufkündigung des Vertrages, so bestehe die Gefahr, dass er seinen Anspruch auf Rückstellung der zum Gebrauch überlassenen Sache überhaupt nicht durchsetzen könne, weil auch dann eine Räumungsklage nicht Erfolg habe, wenn sich der Beklagte zu Recht auf gesetzliche Beschränkungen der Auflösung des Vertrages berufe.

Welchen gesetzlichen Auflösungsbeschränkungen der gegenständliche Vertrag unterliegen soll und inwiefern diese Erwägungen daher auch im vorliegenden Fall zu gelten hätten, vermag die klagende Partei aber nicht darzutun und ist auch nicht zu erkennen. Da daher die Rechtsansicht der Berufungsgerichts, der vorliegende Fall sei mit der zu 2 Ob 3/98z entschiedenen Rechtssache nicht vergleichbar, zutreffend ist, gelingt es der klagenden Partei auch in diesem Zusammenhang nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO bzw einen tauglichen Zulassungsgrund aufzuzeigen.

Ausgehend davon, dass die gegenständliche Vereinbarung einen gemischten Vertrag darstellt, bei dem die bestandrechtlichen Elemente gegenüber jenen des Verwahrungsvertrages jedenfalls nicht deutlich überwiegen, hat das Berufungsgericht die Möglichkeit einer gerichtlichen Aufkündigung verneint. Diese Rechtsansicht entspricht der ständigen oberstgerichtlichen Judikatur, wonach eine gerichtliche Aufkündigung das Vorliegen eines Bestandverhältnisses voraussetzt (EvBl 1948/291 = SZ 21/75; MietSlg 23.176 ua). Die Vorschriften des bei Erhebung von Einwendungen gegen eine gerichtliche Aufkündigung einzuleitenden Bestandverfahrens kommen bei sog. gemischten Verträgen nur dann zur Anwendung, wenn die Elemente des Bestandvertrages gegenüber denen anderer Verträge deutlich überwiegen (MietSlg 24.591; 3 Ob 274/02v; RIS Justiz RS0020856 [T 2]). Fehlt ein solches deutliches Überwiegen des Bestandverhältnisses, kann die gerichtliche Aufkündigung eine Räumungsklage nicht ersetzen (SZ 21/75; 8 Ob 634/93; RIS Justiz RS0020856 mit zahlreichen weiteren Entscheidungsnachweisen).

Da die bekämpften Rechtsansichten der zweiten Instanz demnach den vom Obersten Gerichtshof in gesicherter Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen folgen, ist das Rechtsmittel der klagenden Partei mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und muss zurückgewiesen werden.