JudikaturJustiz7Ob536/95

7Ob536/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. April 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jakob L*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Wolfram Themmer und andere Rechtsanwält in Wien, wider die beklagten Parteien

1.) Georg W*****, Kaufmann, ***** 2.) Veronika W*****, Handelsfrau, ebendort, beide vertreten durch Dr.Thomas Mondl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 378.170 sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 30.Dezember 1994, GZ 11 R 121/94-15, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 7.April 1994, GZ 9 Cg 291/93t-11, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 16.785 bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten S 2.797,50 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG A*****. Mit der Behauptung, daß die Beklagten durch Vermietung des Geschäftslokales top Nr 1 in dem darauf befindlichen Haus an Martina S***** und (später) an Christoph K***** eine mit Konventionalstrafe bewehrte Benützungsvereinbarung verletzt hätten, begehrte der Kläger im Vorprozeß ***** des Landesgerichtes für ZRS Wien gegenüber den Beklagten die Feststellung, daß er über das Geschäftslokal allein verfügungsberechtigt sei. Mit Schriftsatz vom 29.4.1992 erhob der Kläger im Vorprozeß auch ein auf die behaupteten Verletzungshandlungen gestütztes Eventualbegehren auf Zahlung einer Konventionalstrafe von S 380.000 samt 4 % Zinsen seit 14.4.1992. Mit Schriftsatz vom 10.12.1993 erklärte der Kläger, dieses Eventualbegehren "fallen zu lassen". In der Verhandlung vom 24.2.1994 erwiderten die Beklagten nach dem Vortrag dieses Schriftsatzes, nur mit der Zurückziehung des Eventualbegehrens unter Anspruchsverzicht einverstanden zu sein.

Mit der vorliegenden, am 11.8.1993 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger von den Beklagten - neuerlich unter Heranziehung der Vermietungshandlungen der Beklagten an die Mieter Martina S***** und Christoph K***** als Verletzung der mit einer Konventionalstrafe bewehrten Benützungsvereinbarung über das Geschäftslokal top Nr 1 in dem im Miteigentum der Streitteile stehenden Haus - die Zahlung einer Konventionalstrafe von S 378.170 samt 4 % Zinsen seit dem Klagstag.

Die Beklagten erhoben die Einrede der Streitanhängigkeit. Der mit der Klage erhobene Anspruch sei bereits im Vorprozeß als Eventualbegehren geltend gemacht worden. Nach Eintritt der Streitanhängigkeit habe der Kläger dieses Begehren nur mehr unter Anspruchsverzicht zurücknehmen können, weil die Beklagten einer Rücknahme ohne Anspruchsverzicht nicht zugestimmt hätten.

Das Erstgericht wies die Klage - nach abgesonderter Verhandlung über die Prozeßeinrede - mit Beschluß vom 7.4.1994 zurück. Der Kläger habe das mit dem Klagebegehren identische Eventualbegehren im Vorprozeß nicht unter Anspruchsverzicht zurückgenommen. Da die Beklagten einer solchen Rücknahme des Begehrens nicht zugestimmt hätten, sei dieses Begehren nicht wirksam zurückgenommen worden. Da ein Eventualbegehren ungeachtet seiner bedingten Erhebung Streitanhängigkeit begründe, stehe der neuerlichen Einklagung desselben Anspruchs das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit entgegen.

Das Rekursgericht verwarf die von den Beklagten erhobene Prozeßeinrede und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Ein Eventualbegehren sei zwar eine bedingte Prozeßhandlung. Dennoch bewirke seine Erhebung - mit der Zustellung der Klageschrift oder mit der nachträglichen Antragstellung in der mündlichen Streitverhandlung - Streitanhängigkeit. Diese werde erst mit der Stattgebung des Hauptbegehrens rückwirkend beseitigt. Unter Berücksichtigung des Charakters eines Eventualbegehrens als einer bedingten Prozeßhandlung dürfe dem Kläger aber die gesonderte Geltendmachung in einem neuen Prozeß nicht verwehrt werden, wenn er zuvor das im Vorprozeß als Eventualbegehren erhobene identische Begehren zurückgenommen habe. Würde nämlich dem Hauptbegehren im Vorprozeß stattgegeben, dann wäre über das Eventualbegehren gar nicht mehr zu entscheiden. Wäre die Rücknahme eines Eventualbegehrens an die Zustimmung des Beklagten gebunden oder nur unter Anspruchsverzicht möglich, so würde dem Kläger die Möglichkeit genommen, das Eventualbegehren gesondert mit Klage geltend zu machen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von den Beklagten erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Es trifft zwar zu, daß auch ein Eventualbegehren mit der Klageeinbringung Gerichtsanhängigkeit und mit Zustellung der Klage Streitanhängigkeit bewirkt (Fasching, LB2 Rz 1133 und 1188; Rechberger in Rechberger, ZPO 659 Rz 10 zu §§ 232 f; 8 Ob 513/85; 3 Ob 630/86; 9 ObA 140/92). Damit ist aber für die Argumentation im Revisionsrekurs, daß das "Fallenlassen" des Eventualbegehrens im Vorprozeß mangels Zustimmung der Beklagten nur mit Anspruchsverzicht möglich gewesen wäre, nichts zu gewinnen:

Im "Fallenlassen" eines Teiles eines Begehrens, auch eines Eventualbegehrens, ist nicht eine (teilweise) Rücknahme der Klage sondern eine Einschränkung des Klagebegehrens zu erblicken, wenn danach - wie hier - nur ein reines Minus gegenüber dem ursprünglichen Begehren aufrechterhalten wird (vgl Fasching aaO Rz 1228). Gemäß § 235 Abs 4 ZPO ist die Einschränkung der Klage ausdrücklich von den Klageänderungen und den für sie bestehenden Vorschriften ausgenommen. Nach ständiger Rechtsprechung (JBl 1984, 686; JBl 1992, 724; WBl 1992, 195) ist die Einschränkung des Klagebegehrens - entgegen einem Teil der Lehre (Rechberger aaO Rz 13 zu §§ 237 f ZPO; Holzhammer, ZPO2, 195; Rechberger-Simotta, ZPO4 Rz 544) - in jeder Lage des Verfahrens ohne Zustimmung des Gegners zulässig und nicht als (teilweise) Klagerücknahme aufzufassen (vgl auch Fasching aaO); der Teil des Anspruchs, um den das Begehren eingeschränkt wurde, kann daher neuerlich mit Klage geltend gemacht werden (SZ 17/111; SZ 55/187; NRSp 1988/102). In der Einschränkung der Klage liegt regelmäßig auch ein Verzicht auf den davon betroffenen Anspruch (JBl 1960, 383; EvBl 1970/298; NRSp 1988/102); nur aus der konkreten Begründung, mit der eine Einschränkung erfolgt ist, kann sich in einzelnen Fällen ein Anspruchsverzicht ergeben (SZ 55/187; WBl 1992, 195).

Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger die im Vorprozeß erhobenen Begehren um das (dort zweite) Eventualbegehren eingeschränkt. Einer Zustimmung der Beklagten bedurfte es dazu nicht. Auch ein Verzicht auf den davon betroffenen Teil des Anspruches des Vorprozesses war damit mangels konkreter Anhaltspunkte nicht verbunden. Damit wurde aber das im vorliegenden Verfahren bis dahin bestehende Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit noch vor der Beschlußfassung über die Prozeßeinrede beseitigt. Im Ergebnis zu Recht hat daher das Rekursgericht die von den Beklagten erhobene Einrede der Streitanhängigkeit verworfen.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.