JudikaturJustiz7Ob294/06w

7Ob294/06w – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Januar 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Staatsanwaltschaft Wien, 1082 Wien, Landesgerichtsstraße 11, gegen die beklagten Parteien 1.) Karin S*****, und 2.) Hasan B*****, dieser vertreten durch Mag. Dr. Irina Schiffer, Rechtsanwältin in Wien, wegen Nichtigerklärung der Ehe gemäß § 23 EheG, über die außerordentliche Revision des Zweitbeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 31. August 2006, GZ 45 R 248/06p-45, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

In der Zulassungsbeschwerde wird vom Zweitbeklagten geltend gemacht, es stellten sich mehrere im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfragen. Die betreffenden Ausführungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Eine grundsätzliche Rechtsfrage werde darin erblickt, dass das Berufungsgericht die fehlerhafte Manuduktion des Erstgerichtes nicht aufgegriffen, sondern als ausreichend angesehen habe. Ein wesentlicher Verfahrensmangel liege auch darin, dass in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahren Beweismittel (Zeugen, die bestätigen hätten können, dass die Ehe ausschließlich zum Zweck der Begründung einer ehelichen Gemeinschaft im Sinne des § 44 ABGB geschlossen worden sei) lediglich mit Hinweis auf § 179 ZPO zurückgewiesen worden seien. Zudem sei keine Judikatur vorhanden, ob das Berufungsgericht in einem Ehenichtigkeitsverfahren Beweismittel, die zur Feststellung der Tatsache dienten, dass die Ehe „aus Liebe" geschlossen worden sei, mit dem Hinweis, das Beweisthema sei zu allgemein gehalten, als unbeachtlich ansehen könne. Eine „grundsätzliche Rechtsfrage" werde schließlich auch darin gesehen, ob das Vorliegen einer nichtigen Ehe gemäß § 23 EheG allein aus den Tatsachen, dass ein Asylverfahren gegen einen Ehepartner anhängig sei und die Eheleute ab Eheschließung vorwiegend getrennte Wohnsitze gehabt hätten, angenommen werden könne.

Mit diesen Ausführungen wird vom Revisionswerber ein tauglicher Grund für die Zulassung seines außerordentlichen Rechtsmittels nicht dargetan:

Rechtliche Beurteilung

Zwar ist der Grundsatz, dass ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens keinen Revisionsgrund bilde, bei jenen Verfahren, die der Offizialmaxime unterliegen, nicht anzuwenden (RIS-Justiz RS0043112); dies gilt auch für das Ehenichtigkeitsverfahren (4 Ob 238/05m; 9 Ob 39/05h; 5 Ob 144/06x). Die Gerichte sind aber durch den Untersuchungsgrundsatz weder in ihrer freien Beweiswürdigung beschränkt noch verpflichtet, unnötige Beweise aufzunehmen (RIS-Justiz RS0043368 [T11]). Revisibel ist in einem Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz die Unterlassung von Beweisaufnahmen (nur) dann, wenn die Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens zur amtswegigen Wahrheitserforschung verkannt wurden (RIS-Justiz RS0043113; RS0048243).

Davon kann im vorliegenden Fall aber keine Rede sein. Auch im vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Ehenichtigkeitsverfahren bleibt für eine Anwendung der Beweispräklusion nach § 179 Abs 2 ZPO durchaus dann Platz, wenn entweder offensichtlich ist, dass das Gericht auch bei früherem Bekanntwerden dieser Umstände vernünftigerweise keinen Anlass gefunden hätte, von Amts wegen tätig zu werden oder aber, wenn das in einem späten Verfahrensstadium (hier im Berufungsverfahren) erstattete Vorbringen nicht so zwingend ist, dass auch ohne nähere Begründung für die Verspätung des Vorbringens eine amtswegige Untersuchung angezeigt wäre. Beides trifft hier zu: Angesichts der unbekämpft feststehenden Umstände der jahrelangen Asylbemühungen des Zweitbeklagten und dessen illegalen Einreisen nach Österreich, ferner dem Umstand, dass die Beklagten nie einen gemeinsamen Wohnsitz hatten und schließlich insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass die Erstbeklagte mit einem Mann angetroffen wurde, der sich selbst als ihr Lebensgefährte bezeichnete, erscheinen die Beteuerungen des Zweitbeklagten, es habe sich um eine „Liebesheirat" gehandelt, von vornherein derart zweifelhaft, dass für amtswegige Beweisaufnahmen in dieser Richtung keinerlei Anlass bestand. Unter diesen Umständen kann in der Ansicht der Vorinstanzen, der Zweitbeklagte habe in Verschleppungsabsicht gehandelt, keine gravierende Fehlbeurteilung erblickt werden. Die Billigung der Abweisung der Beweisanträge durch das Berufungsgericht stellt keineswegs eine grobe Verletzung des richterlichen Ermessens dar. Dies wäre aber Voraussetzung für einen Verfahrensmangel, der vom Obersten Gerichtshof aufgegriffen werden müsste und die Zulassung der außerordentlichen Revision rechtfertigen könnte. Nach ständiger Rechtsprechung findet der Untersuchungsgrundsatz dort seine Grenze, wo eine weitere Beweisaufnahme nicht möglich ist oder deren Durchführung zu einer nicht absehbaren Prozessverschleppung führen würde (RIS-Justiz RS0043158).

Die Ausführungen der Zulassungsbeschwerde und der Rechtsrüge des Revisionswerbers stellen über weite Strecken in Wahrheit lediglich den unzulässigen Versuch dar, die im Revisionsverfahren unanfechtbare Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu bekämpfen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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