JudikaturJustiz7Ob229/15z

7Ob229/15z – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Januar 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Horak, Mag. Andreas Stolz, Rechtsanwälte in Wien, und die Nebenintervenientin F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wilfried Seist ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen 103.292,37 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Oktober 2015, GZ 4 R 14/15f 83, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Wenn die Aufhebung eines Urteils – wie hier – gemäß § 496 Abs 1 Z 3 ZPO erfolgt, tritt das Verfahren in den Stand vor Schluss der Verhandlung erster Instanz zurück (RIS Justiz RS0042458). Gemäß § 496 Abs 2 ZPO hat sich das fortzusetzende Verfahren auf die durch den Mangel betroffenen Teile des erstgerichtlichen Verfahrens und Urteils zu beschränken.

Das damalige Berufungsgericht billigte in seinem Aufhebungsbeschluss die Feststellung, dass der vom Fahrer gewählte Parkplatz durch die Autobahnumzäunung mit Drahtzaun hinten abgeschlossen gewesen sei, ausdrücklich und abschließend. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dieser abschließend erledigte Streitpunkt könne nicht mehr aufgerollt werden, weshalb sich eine neuerliche Behandlung der bereits einer Überprüfung unterzogenen Rüge einer Aktenwidrigkeit erübrige, ist nicht zu beanstanden.

2. Soweit die Klägerin argumentiert, den Feststellungen zur Wahrscheinlichkeit von Ladungsdiebstählen in der gegenständlichen Region hätten die erst nachträglich erstellten – Diebstähle von Fahrzeugen samt Ladung betreffenden – Studien nicht zugrunde gelegt werden dürfen, übersieht sie, dass der Oberste Gerichtshof ausschließlich als Rechtsinstanz zur Überprüfung von Rechtsfragen tätig ist (RIS Justiz RS0123663 [T2]).

3. Will der Anspruchsteller den Frachtführer für den eingetretenen Schaden unbeschränkt haftbar machen, so hat er ihm gemäß Art 29 CMR qualifiziertes Verschulden nachzuweisen. Dem Vorsatz gleichzusetzendes Verschulden (Art 29 Abs 1 CMR) bedeutet in Österreich grobe Fahrlässigkeit (RIS Justiz RS0073961); die Beweislast für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit trifft grundsätzlich den Geschädigten (RIS Justiz RS0062591 [T23]).

Generell gültige Aussagen darüber, welche Maßnahmen ein Frachtführer gegen Diebstähle bei der An- und Ablieferung von Gütern zu treffen hat, können im Hinblick auf die einzelfallbezogen zu beurteilende Sorgfaltspflicht des Frachtführers nicht gemacht werden. Bei der Beurteilung, ob das dem Frachtführer anzulastende Verschulden am Verlust der Fracht durch Diebstahl grob fahrlässig ist, kommt es auf verschiedene Faktoren an, wie zum Beispiel die örtliche Situation, sonstige örtliche und zeitliche Gegebenheiten, die Relation Wert/Gewicht der Waren, die Höhe des (unter anderem von dieser Relation abhängigen) Diebstahlrisikos, die konkreten Handlungen, die zum Diebstahl und Verbringen der Ware nötig sind. Je eher mit einem Diebstahl grundsätzlich zu rechnen ist, je unauffälliger die Entfernung der Fracht vom LKW möglich ist, je weniger Vorbereitungszeit nötig ist, um den Diebstahl umzusetzen, je leichter die Waren entfernt und verwertet werden können, desto höher ist die Anforderung an den Frachtführer, die Fracht vor Diebstahl zu sichern, um seiner Hauptleistungspflicht, nämlich der Obhutspflicht, nachzukommen (RIS Justiz RS0123681). Ob der Beklagten leichte oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, ist nach den konkreten Umständen des Falls zu beurteilen und bildet daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigieren wäre (RIS Justiz RS0087606 [T8]).

4. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, aufgrund der konkreten Situation (angrenzende Tank und Raststätte, teilweise Umzäunung, Ausleuchtung mit Scheinwerfern, zahlreiche andere geparkte LKW) des zwar unbewachten aber direkt an der Autobahn in keiner besonders gefährdeten Region gelegenen Parkplatzes sei trotz Einsatzes bloß eines Fahrers das Vorliegen groben Verschuldens zu verneinen, ist vertretbar.

5. Art 14 Abs 2 CMR verpflichtet den Frachtführer bei Vorliegen eines Beförderungshindernisses zu Maßnahmen, die dem Frachtführer im Interesse des über das Gut Verfügungsberechtigten die besten zu sein scheinen, wenn die Umstände eine von den im Frachtbrief festgelegten Bedingungen abweichende Ausführung der Beförderung zulassen und eine Weisung des Verfügungsberechtigten in angemessener Zeit nicht eingeholt werden kann.

Die Klägerin brachte im erstinstanzlichen Verfahren vor, die Beklagte habe nicht um Weisung ersucht, wie zu verfahren sei, wenn die Ladung im Hafen nicht fristgerecht aufgenommen und damit nicht fristgerecht in Österreich abgeliefert werden könne. Bei entsprechender Information hätte die Transportauftraggeberin bekannt gegeben, dass ein Tag Verspätung kein Problem darstelle.

In der Revision argumentiert die Klägerin, im Nichteinholen der Weisung liege ein das grobe Verschulden begründender Verstoß gegen Art 14 Abs 2 CMR, weil bei entsprechender Information das Verbleiben der Ware im Hafen verbunden mit einer entsprechenden Ruhezeit des Fahrers und einer späteren Abreise, eine längere Fahrt zu einem bewachten Parkplatz gewährleistet hätte.

Abgesehen davon, dass die erstgerichtlichen Behauptungen kein ausreichendes Tatsachenvorbringen dahingehend beinhalten, dass die verspätete Warenaufnahme im Hafen die rechtzeitige Ablieferung in Österreich tatsächlich verhindert hätte, bleibt auch offen, inwiefern durch eine noch spätere Abreise dem Beförderungshindernis der genannten Verzögerung der Warenaufnahme entsprochen hätte werden sollen. Ein Verstoß gegen Art 14 Abs 2 CMR ist damit nicht dargetan.

6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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