JudikaturJustiz6Ob90/20h

6Ob90/20h – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der J*****gmbH, *****, über den Revisionsrekurs der Gesellschaft sowie der Geschäftsführer Y*****, und V*****, alle vertreten durch Themmer Toth Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 25. März 2020, GZ 6 R 10/20i, 6 R 11/20m und 6 R 12/20h 46, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der Revisionsrekurs entgegen § 65 Abs 2 Z 6 AußStrG keine gesonderte Darstellung der von ihm als erheblich angesehenen Rechtsfrage enthält.

2.1. Das Argument, das Rekursgericht habe eine rechtskräftige Vorentscheidung übersehen, ist nicht stichhaltig. Der Rekurs ON 14 war ausdrücklich „gegen den Eintragungsbeschluss“ gerichtet. Wenn das Rekursgericht darin eine Bekämpfung des die Eintragung der Kapitalerhöhung anordnenden Beschlusses erblickte, ist darin jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Unrichtigkeit zu erblicken. Die Auslegung von Prozessbehauptungen bzw überhaupt des Parteivorbringens stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage dar (RS0042828 [T25, T27]).

2.2. Im Übrigen steht die Rechtskraft eines Eintragungsbeschlusses der Löschung nach § 10 Abs 2 FBG nicht entgegen (RS0121185). Diese Bestimmung ermöglicht im Interesse der Richtigkeit des Firmenbuchs eine Durchbrechung der Rechtskraft unrichtiger Eintragungsbeschlüsse (RS0121185). Dies gilt nicht nur für Ersteintragungen, sondern auch für Folgeeintragungen wie die im vorliegenden Fall zu beurteilende Kapitalerhöhung.

3.1. Nicht stichhaltig sind auch die weitwendigen Ausführungen zur angeblichen Überschreitung ihrer Prüfungsbefugnis durch die Vorinstanzen. Ein Verfahrensmangel setzt voraus, dass dieser die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern geeignet ist (§ 57 Z 4, § 66 Z 2 AußStrG). Dies kann man auf die Kurzformel „Zu wenig“ reduzieren; ein „Zu viel“ kann daher nie einen Verfahrensmangel bilden. Wenn daher die Prüfung eines Firmenbuchgesuchs ergibt, dass die ursprünglichen Bedenken berechtigt waren, so ist der zugrundeliegende Eintragungsantrag abzuweisen; auf die Frage, ob die Prüfung in diesem Fall überhaupt notwendig gewesen wäre, ist im Rechtsmittelverfahren nicht näher einzugehen ( Kodek , Zur Prüfpflicht im Firmenbuchverfahren – Grundlagen und Ausgestaltung, in Sieb , 25 Jahre Firmenbuch 43 [54]; Kodek , Fluch oder Segen: Zur Prüfpflicht im Firmenbuchverfahren, FS Bittner 307 ff [317 ff]). Aus diesem Grund hat der Oberste Gerichtshof etwa ein Rechtsmittel einer Limited gegen die ihrer Ansicht nach unzulässige amtswegige Eintragung des richtigen Managing Directors zurückgewiesen (6 Ob 156/06v). Die Gegenauffassung liefe auf die Annahme eines dem österreichischen (Zivil )Verfahrensrecht fremden Beweisverwertungsverbots hinaus ( Kodek aaO).

3.2. Nicht zu beanstanden ist auch, wenn das Rekursgericht bei seiner Entscheidung im ersten Rechtsgang den Hinweis der Rekurswerberin auf den Umstand, dass die Kapitalerhöhung nicht rechtzeitig eingezahlt wurde, berücksichtigte. Abgesehen davon, dass den Gesellschaftern im Regelfall im erstinstanzlichen Verfahren über die Eintragung einer Kapitalerhöhung nicht Gehör gewährt wird, weil die Prüfung des Eintragungsbegehrens in der Regel an Hand des Firmenbuchgesuchs und der damit vorgelegten Unterlagen erfolgt, ist dem Revisionsrekurs auch entgegenzuhalten, dass eine Löschung nach § 10 Abs 2 FBG auch von Amts wegen angeordnet werden kann; demgemäß können diesbezüglich naturgemäß auch amtswegige Erhebungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs 2 FBG gepflogen werden.

4.1. Inhaltlich bestehen gegen die Entscheidung des Rekursgerichts keine Bedenken: Das Bezugsrecht ist nach § 52 Abs 3 GmbHG innerhalb von vier Wochen ab dem Tag des Kapitalerhöhungsbeschlusses auszuüben, wobei diese Frist durch den Gesellschaftsvertrag oder einen Beschluss der Gesellschafter verkürzt werden kann ( Billek/Ettmayer/Ratka/Jost in Straube/Ratka/Rauter , GmbHG § 52 Rz 86).

4.2. Inhalt und Umfang der Leistungspflicht aus der Übernahme der neuen Stammeinlagen richten sich nach Gesetz, Gesellschaftsvertrag und Kapitalerhöhungsbeschluss ( Koppensteiner/Rüffler GmbHG 3 § 52 Rz 31). Die Übernahme erfolgt durch Übernahmevertrag, der durch den Kapitalerhöhungsbeschluss inhaltlich determiniert wird. Da die Übernahme im Verhältnis zur Kapitalerhöhung den Ausführungsakt darstellt, muss er ihr inhaltlich entsprechen. Mangels Übereinstimmung ist der Übernahmsvertrag unwirksam und die Kapitalerhöhung nicht eintragungsfähig (1 Ob 135/06v; Billek/Ettmayer/Ratka/Jost aaO Rz 94; Koppensteiner/Rüffler aaO Rz 26; Diregger in U. Torggler , GmbHG § 52 Rz 23).

4.3. Zutreffend ging das Rekursgericht daher davon aus, dass die Kapitalerhöhung mangels rechtzeitiger Einzahlung gescheitert war.

5.1. Die Löschung unrichtiger Eintragungen steht gemäß § 10 Abs 2 FBG im Ermessen des Firmenbuchgerichts. Dabei handelt es sich regelmäßig um eine Frage des Einzelfalls, die keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 15 FBG aufwirft (6 Ob 59/20z).

5.2. Im Hinblick auf die Bedeutung der Information der Allgemeinheit über das eingezahlte Stammkapital und die Gesellschafter der Gesellschaft ist die Löschung der Kapitalerhöhung nicht zu beanstanden.

5.3. Nicht überzeugend ist in diesem Zusammenhang der Hinweis des Revisionsrekurses, dadurch würde die Gesellschaft überschuldet. Abgesehen davon, dass die Überschuldung im Sinn des § 67 IO neben der „rechnerischen“ Überschuldung nach völlig einhelliger Auffassung auch eine negative Fortbestehensprognose erfordert (RS0064962), ist die Verschleierung des Vorliegens von Insolvenzgründen jedenfalls kein Grund, der der amtswegigen Löschung nach § 10 Abs 2 FBG entgegenstünde.

6. Zusammenfassend bringt der Revisionsrekurs daher keine Rechtsfragen der von § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass er spruchgemäß zurückzuweisen war.

Rechtssätze
4