JudikaturJustiz6Ob9/59

6Ob9/59 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Januar 1959

Kopf

SZ 32/13

Spruch

§ 131 AußStrG. ist auch auf Noterben, deren Person bekannt, deren Aufenthalt jedoch unbekannt ist, sinngemäß anzuwenden.

Entscheidung vom 21. Jänner 1959, 6 Ob 9/59.

I. Instanz: Bezirksgericht Hartberg; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Franz R. ist am 9. Dezember 1940 verstorben. Er hinterließ eine Ehegattin und sieben großjährige Kinder, darunter die erblasserische Tochter Magdalena Sch., als deren Aufenthaltsort in der Todfallsaufnahme "Südamerika, Buenos Aires" ohne nähere Anschrift vermerkt ist. In dem vom damaligen Amtsgericht Hartberg aufgenommenen Abhandlungsprotokoll vom 19. Februar 1941 heißt es:

"... Die Tochter Christine R. ist nicht erschienen, Zustellung nicht

ausgewiesen, die Tochter Margarethe (richtig Magdalena) Sch. ist in

Südamerika. Die Vertretung der beiden nicht erschienenen Töchter

wird von Karl R. als Abwesenheitskurator übernommen ... ". Die

Verlassenschaftsabhandlung führte zu dem Ergebnis, daß die von Franz

R. hinterlassene letztwillige Verfügung vom 29. Oktober 1940

einverständlich dahin ausgelegt wurde, daß die erblasserische Witwe

Christine R. als Alleinerbin eingesetzt sei und im Fall der

Besitzübergabe an den Sohn Franz R. die in der Verfügung

vorgesehenen Beträge an die Geschwister auszuzahlen seien. Im

Hinblick auf diese letztwillig festgesetzten Beträge verzichteten

sämtliche Kinder auf die Errechnung und Festsetzung von

Pflichtteilsbeträgen. Schließlich wurde von allen Beteiligten auf

eine Ausfertigung der im Verlassenschaftsverfahren ergehenden

Beschlüsse sowie auf ein Rechtsmittel dagegen verzichtet.

Mit Einantwortungsurkunde vom 2. April 1941 wurde der Nachlaß, der im wesentlichen aus der Hälfte der Liegenschaft EZ 32 KG. W. bestand, sodann vom Erstgericht der erblasserischen Witwe eingeantwortet und ihr Eigentumsrecht daran am 26. Juni 1941 verbüchert.

Magdalena Sch., die ihrer Behauptung nach erst kürzlich von Südamerika zurückgekehrt ist, erhielt auf ihren Antrag vom 18. März 1958 die Einantwortungsurkunde am 31. März 1958 zugestellt.

In dem gegen die Einantwortungsurkunde erhobenen Rekurs brachte sie vor, im Abhandlungsverfahren nicht bzw. nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen zu sein, da ihr Aufenthalt bekannt gewesen sei und deshalb die Bestellung eines Abwesenheitskurators nicht dem Gesetz entsprochen hätte, weiter die vom Kurator vorgenommenen Rechtshandlungen unwirksam seien, weil eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung nicht vorliege.

Dem Rekurs wurde Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, die Abhandlung des Nachlasses unter Zuziehung der erblasserischen Tochter Magdalena Sch. geb. R. durchzuführen. Das Rekursgericht führte aus, nach der Aktenlage sei die Rekurswerberin bei der Verlassenschaftsabhandlung tatsächlich nicht vertreten gewesen. Es sei zwar richtig, daß Karl R. bei der Abhandlung die Erklärung abgegeben habe, auch die Vertretung der Rekurswerberin zu übernehmen. Eine Bestellung des Karl R. zum Kurator für die abwesende Magdalena Sch. sei aber weder bei dieser Tagsatzung vom 19. Februar 1941 noch in der Folge erfolgt. Bei dieser Sachlage könne es dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die Voraussetzungen für eine Kuratorbestellung überhaupt gegeben waren. Die Rekurswerberin sei somit mangels Beiziehung zum Abhandlungsverfahren als Noterbin in dem ihr zur Beteiligung am Verlaßverfahren gemäß §§ 784 und 804 ABGB. zustehenden Recht verletzt worden, ein Mangel, der die Nullität des Abhandlungsverfahrens begrunde und zur Aufhebung der Einantwortungsurkunde zwinge.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des erblasserischen Sohnes Franz R. nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Für den eigenberechtigten Noterben ergibt sich das Recht zur Beteiligung am Abhandlungsverfahren aus dem gemäß § 784 ABGB.

eingeräumten Recht, der Schätzung beizuwohnen und seine Erinnerungen

zu machen, sowie aus dem ihm nach § 804 ABGB. zustehenden Recht, die

Errichtung des Inventars zu verlangen. Um dem Noterben die Ausübung

dieser Rechte zu gewährleisten, ist er der

Verlassenschaftsabhandlung beizuziehen. Eine Beteiligung der

erblasserischen Tochter und Noterbin Magdalena Sch. am

Abhandlungsverfahren kann jedoch nicht angenommen werden, da sie im

Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten war. Hiezu steht fest, daß

laut Protokoll vom 9. Jänner 1941 die erblasserische Witwe Christine

R. dem Gericht gegenüber die Zusicherung gab, die Anschrift der in

Südamerika lebenden Magdalena Sch. sobald als möglich beizubringen,

diese Zusicherung jedoch trotz Urgenz vom 8. Februar 1941 nicht

einhielt, daß weiters die erblasserische Tochter Christine R. bei

der Vernehmung vom 24. März 1941 beim Amtsgericht Wien angab,

Magdalena R. habe sich am 12. August 1940 in Südamerika verehelicht.

Dies hätten die Angehörigen auf Umwegen aus einer Zeitungsannonce erfahren. Sonst sei weder ihr noch den Geschwistern die Adresse der Genannten bekannt. Ihr letzter Brief an einen gemeinsamen Bekannten in Buenos Aires sei bis jetzt unbeantwortet geblieben. Da somit auf eine nach der Sachlage zweckmäßig erscheinende Art der Wohnort der abwesenden Noterbin nicht ermittelt werden konnte, waren die zur Einleitung des Verfahrens nach § 131 AußStrG. notwendigen Voraussetzungen gegeben. Daß diese Bestimmung auch auf Noterben, deren Person bekannt, deren Aufenthalt jedoch unbekannt ist, sinngemäß angewendet werden muß, ergibt sich zwingend aus § 162 AußStrG., wonach im Zweifel, ob ein pflegebefohlener Noterbe in dem Pflichtteil verletzt sei, von Amts wegen für die Sicherung seiner Ansprüche zu sorgen ist. Dies gilt naturgemäß auch für die Noterben, für welche wegen Unbekanntheit des Aufenthaltes eine Abwesenheitskuratel eröffnet wurde (vgl. auch RiZ. 1936 S. 192). Es kann daher selbst dann, wenn in dem Satz des Abhandlungsprotokolles:

"Die Vertretung der beiden nicht erschienenen Töchter wird von Karl R. als Abwesenheitskurator übernommen" eine Bestellung des Genannten zum Abwesenheitskurator zu erblicken wäre, von einer ordnungsmäßigen Vertretung der Noterbin schon deswegen nicht gesprochen werden, weil die Ediktalzitation unterlassen wurde und vor Ablauf der im § 131 Abs. 2 AußStrG. genannten sechsmonatigen Frist mit der Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung überhaupt nicht begonnen werden durfte. War aber zufolge Unterlassung der Ediktalzitation die Noterbin auch durch einen für sie bestellten Abwesenheitskurator keinesfalls ordnungsgemäß vertreten, so stellt ihre Nichtbeteiligung an der Verlassenschaftsabhandlung eine Nullität dar, die zur Aufhebung der Einantwortungsurkunde führen muß (SZ. XXIV 291; 3 Ob 10/55).