JudikaturJustiz6Ob79/07x

6Ob79/07x – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Juni 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian W. M*****, vertreten durch Wille Brandstätter Scherbaum Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei Johann O*****, vertreten durch Dr. Kurt Berger, Dr. Ulrich Saurer und Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Widerrufs und Veröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 17.620 EUR), über die Revisionsrekurse der klagenden und der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 7. Februar 2007, GZ 6 R 16/07a-11, womit der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 18. Dezember 2006, GZ 9 Cg 226/06w-5, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Text

Begründung:

Der Kläger ist Geschäftsführer der M***** Verlag GmbH und Herausgeber sowie Chefredakteur der periodischen Druckschrift „E*****". Die M***** Verlag GmbH ist Medieninhaberin dieser Druckschrift; sie richtet sich an die österreichische Kommunikations-, Medien- und Werbebranche.

Der Beklagte ist Medieninhaber und Herausgeber der periodischen Druckschrift „D*****"; auch sie wendet sich an Leser der angeführten Branchen und schaltet - gleich dem Medium des Klägers - deren Anzeigen.

In der Ausgabe „E***** 12/2005" wählte der Kläger den Teileigentümer der „K*****" Hans D***** zum „Kommunikator des Jahres". Er veröffentlichte ein mehrseitiges Interview mit Hans D*****, und hielt unter anderem Folgendes fest:

„ED (gemeint E*****): Gratulation zu Platz 1 in der Kommunikator-Liste.

D*****: Ich freue mich, das finde ich großartig.

ED: In der Jury sind Mitbewerber, aber auch viele Kunden der „K*****"

vertreten.

D*****: Lassen Sie mich vorab bemerken, dass ich staune, wie Sie immer so umfangreiche und interessante Hefte machen. Da Sie so ausführliche Hefte gestalten, dazu voll von interessanten Informationen. Dazu darf ich Ihnen gratulieren.....

ED: Nun sind Sie Mann des Jahres 2005. Das wird wohl nur eine von vielen Auszeichnungen sein, die ein Mann in Ihrer Position in seinem Leben erhalten hat?.....

ED: Nochmals Gratulation, alles Gute und danke für das Gespräch.

Autor: C. M*****, Bildrechte: Archiv"

Im „E*****" Ausgabe 8/2006 verfasste der Kläger ein Editorial und hielt darin Folgendes fest:

„Einsam wie Napoleon trifft Hans D***** seine ultimativen, oft nur schwer nachvollziehbaren Entscheidungen. Doch jene im Team, die in der inneren Emigration lautlos protestierten, besinnen sich langsam ihrer Stimmen.....

Respekt ist das, was einem 85-Jährigem vor allem anderen gebührt. Doch D***** Vorgehen, seine Praktiken, seine Verhaltensmuster der jüngeren Vergangenheit machen es jenen, die ihn achten, schätzen und bewundern, immer schwerer, ihm diese Referenz zu erweisen. Ob Medien-, Sport- oder Wirtschaftslegende, für alle gilt dasselbe:

Jeder muss selbst wissen, wann es gilt, sich zurückzuziehen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, sich zurückzuziehen.

Wer diesen Zeitpunkt verpasst, den bestraft die Fama......

Wie es aussieht, hat auch D***** „seinen" Zeitpunkt verpasst. Denn

der alte Herr hält noch immer das Zepter der K***** fest

umklammert......

Manche Geschichten, Reportagen wirken wie Steine, die man in eine Geröllhalde wirft. Ein kleiner Wurf. Und große Wirkung. Da geraten ganze Berghänge in Bewegung. Solch ein Stein war die Reportage von ED-Chefreporter Josef N***** „K*****, was nun?" in unserer Ausgabe vom 30. 6. 2006. Darin schilderte N***** den Ist-Zustand beim Kleinformat, beschrieb den Schlingerkurs der K***** zwischen Schiedsgerichten in der Schweiz und Abgängen von Mitarbeitern und krönte sein Elaborat mit den Sitzen: Aus der ehemals funktionierenden Monarchie ist eine Kronarchie geworden. So etwas wie ein auseinanderbrechender südamerikanischer Staat: Der greise Chef - Chef ist noch am Wort, die Junta der Generäle scharrt im Schützengraben und die Paramilitärs (in Form der WAZ) sind auch schon im Land. K***** - was nun?

Solche Sätze verzeiht man in der K***** nicht. Ergebnis: Eine umgehende Streichung aller Inserate, die die K***** im E***** bis 31. 12. 2006 vorgebucht hatte. Alle Versuche von unserer Seite, dies vernünftig und amikal auszuräumen, natürlich ohne redaktionell zurückzuweichen, blieben fruchtlos. Selbst die Gratis-Jahresbonus-Seiten der K*****, platziert auf der letzten Umschlagseite, fielen der Schere im Kopf der Macher zum Opfer. Logisch, dass sich ein höchst interessierter Markt-Neueinsteiger fand, der dort vergnüglich einsprang. Was den Groll beim Kleinformat auf den Überbringer unbequemer, aber wahrhaftiger Botschaften nur noch verstärkte.

Nach diesem Leitartikel werden die womöglich auf längere Zeit bei uns nichts mehr schalten. Wir werden das verkraften. Denn schließlich trennt E***** (das ist eines der Geheimnisse unseres Erfolgs) nachhaltig Redaktion und Anzeigen. Haben wir uns noch nie von exekutierten Streichungen oder Boykotten einschüchtern lassen. Bei der K***** hat sich in den letzten Jahren viel verändert. In der Mannschaft, im Team, in der Art, wie man miteinander umgeht. Nichts verändert hat sich freilich an den Machtverhältnissen..... Keiner so hört man, erhebt seine Stimme im Haus der K*****. Dort geht es leise zu. D***** zerstöre seine Reputation mit unnachvollziehbaren Bauchentscheidungen. Sein Handeln und Streben sei dominiert davon, die K***** von Kritikern, Widersachern, Überläufern und vermeintlich Illoyalen zu säubern......

„Auf einem großen Tanker merkt man gar nicht, wenn der bremst", meinte Helmut G***** einmal. Der Bremsweg der K***** lege - in Kilometern gemessen - bei mindestens fünf Jahren.

Christian W. M*****

Herausgeber"

Auf diese unterschiedliche Behandlung Hans D***** in den beiden vorgenannten Artikeln nahm der Beklagte in der Ausgabe „D*****" Nummern 8 und 9/2006 im Rahmen der satirischen Serie „Dr. Media"

Folgendes fest:

„Wurde M***** von der WAZ gekauft?

Dr. Media: Ganz sicher nicht. Der Verleger eines Fachblattes für Gegenschäfte bemüht sich zwar seit Monaten verbissen um einen Termin in Essen, die WAZ-Männer wollen mit ihm freilich nichts zu tun haben. Dass M***** in Branchenkreisen derzeit dennoch als WAZ-Söldner gilt, hat einen simplen Grund: In einem seiner bekannt diarrhöischen Leitartikel (4 Druckseiten!) hat er Hans D*****, mit dem die WAZ seit Jahren vor Gericht streitet, auf das Brutalste attackiert. Der greise „K*****"-Zar sei nicht mehr zurechnungsfähig, „zerstöre seine Reputation mit unnachvollziehbaren Bauchentscheidungen", habe den richtigen Zeitpunkt zum Abtritt verpasst und dergleichen mehr. .... Hoppla - was ist da passiert? Hat M***** nicht vor kurzem Hans D***** als Kommunikator des Jahres abgefeiert, hat ergriffen jede noch so kleine Wortspende apportiert?

Nun: Die „K*****" hat nach einer Reportage alle Anzeigenbuchungen storniert - „selbst die Gratis-Jahresbonus-Seiten, platziert auf der letzten Umschlagseite", wie M***** freimütig erzählt. Die verschenkten Seiten kriegt jetzt wohl „Ö*****". Damit überhaupt keine Zweifel aufkommen, betont M***** ausdrücklich, dass sein Blatt „nachhaltig Redaktion und Anzeigen" trenne.

Unser freundschaftlicher Rat: elendslange Editorials langweilen die Leser. Wegen jedes Stornos gleich ein Zornesausbruch schädigt nur die eigene Gesundheit.

Der „Journalist" wurde zuletzt gleich von drei großen österreichischen Medien boykottiert und hat das nicht kommentiert.

Also: Maul halten und durch - auch wenn es schmerzt". Auf die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung im Verfahren 1 Cg 196/06z des Landesgerichts Salzburg, mit der dem Beklagten verboten wurde, die Leitartikel des Klägers als diarrhöisch oder ähnlich zu bezeichnen, hat der Beklagte in „D*****" 10 und 11/2006 im Editorial unter anderem festgehalten:

„Verärgert haben wir in der zurückliegenden Ausgabe „E***** - Verleger W. C. M*****. Und dafür entschuldigen wir uns nicht. Wir haben an keiner Stelle gesagt, dass der Inhalt seiner Editorials als dünnflüssiges Verdauungsproblem zu beschreiben wäre. Viele seiner Texte sind sogar ausgesprochen unterhaltend. Einzig die Länge und Schriftgröße sind mühsam. Sehbehinderte werden da schlecht bedient. Außerdem hatten wir rhetorisch gefragt, ob er von der WAZ gekauft sei (und dies sofort verneint). M***** hat unsere Frage allerdings auf seinen Verlag (und nicht auf seine Person) bezogen und uns inzwischen eidesstattlich erklärt, dass er nie vor hatte, seinen Verlag der WAZ zu verkaufen. Nun, das haben wir auch nie in Frage gestellt. Wir wollen seine Antwort aber als Beleg dafür nehmen, wie leicht man Dinge verwechseln kann. Wenn jemand konsequent sogar seinen eigenen Vornamen verdreht (M***** zeichnet mit C. W.) sei ihm auch das eine oder andere Missverständnis bei mittellangen Sätzen nachgesehen". Der Kläger hatte neben der beim Landesgericht Salzburg erwirkten einstweiligen Verfügung auch noch eine Gegendarstellung begehrt, die in der Ausgabe 10 und 11/2006 der Zeitung „D*****" geschaltet wurde:

Gegendarstellung

In der Ausgabe „D*****" 08 + 09/2006 findet sich in Beantwortung der Überschrift „Wurde M***** von der WAZ gekauft?" die Tatsachenbehauptung, dass der Verleger (.....) sich zwar seit Monaten verbissen um einen Termin in Essen bemüht, die WAZ-Männer mit ihm freilich nichts zu tun haben wollen.

Dadurch erwecken sie den Eindruck, dass die M***** Verlag GmbH oder Herr Christian W. M***** die Absicht hätten, die M***** Verlag GmbH an die WAZ zu verkaufen.

Diese Behauptung ist unrichtig. Wahr ist vielmehr, dass Herr Christian W. Mucha sich niemals um einen Termin in Essen bei der WAZ bemüht hat und weder Christian W. M***** noch die M***** Verlag GmbH daran interessiert sind, den Verlag an die WAZ zu verkaufen". Unmittelbar an diese Gegendarstellung anschließend kommentiert der Beklagte diese wie folgt:

Herr M***** begehrt aus Anlass seines ironischen Artikels eine Gegendarstellung. Er entgegnet Äußerungen, die wir so nicht verbreitet haben, und er lässt den eigentlichen Artikelinhalt - nämlich einen überraschenden Schwenk in seiner Berichterstattung über Hans D***** - unerwidert. Zumindest insofern dürfte uns Herr M***** also zustimmen. Das freut uns natürlich. Diese Gegendarstellung veröffentlichen wir trotzdem oder gerade deshalb, wollen wir dieses Gustostückerl unseren Lesern doch nicht vorenthalten. Wir tun dies im Übrigen freiwillig und ohne den Rechtsstandpunkt des Herrn M***** oder seines Verlages anzuerkennen. Darüber werden die Gerichte zu befinden haben. Wir werden berichten".

Zur Sicherung seines inhaltsgleichen Anspruchs auf Unterlassung ehrenrühriger und/oder unwahrer kreditschädigender Handlungen begehrt der Kläger, dem Beklagten für die Dauer des über die Unterlassungsklage anhängigen Verfahrens die Behauptung zu verbieten, der Kläger

a) sei in der Berichterstattung über Hans D***** umgeschwenkt, weil die K***** die Insertionen bei der Mucha Verlag GmbH storniert habe;

Rechtliche Beurteilung

1. § 1330 ABGB schützt die Ehre von Personen und ihren Ruf. § 1330 Abs 1 ABGB erfasst Ehrenbeleidigungen, die zugleich Tatsachenbehauptungen sein können; Absatz 2 erfasst hingegen nur unwahre rufschädigende Tatsachenbehauptungen, nicht jedoch Werturteile.

Eingriffe in das absolut geschützte Persönlichkeitsrecht auf Ehre können durch das verfassungsrechtlich gewährleistete Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt sein. Bei Kollision der widerstreitenden Rechte ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Den Interessen des Klägers am Rechtsgut der Ehre sind die Interessen des Äußernden und diejenigen der Allgemeinheit gegenüberzustellen (6 Ob 321/04f; dazu ausführlich SZ 64/36). Bei der Interessenabwägung kommt es auf die Art der eingeschränkten Rechte, die Schwere des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Zweck, den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses, aber auch auf den Zweck der Meinungsäußerung an (SZ 61/210). Auf diese Kriterien ist bei der Abgrenzung zwischen ehrenbeleidigender Rufschädigung einerseits und zulässiger Kritik und Werturteil andererseits Bedacht zu nehmen. Dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung kommt in einer demokratischen Gesellschaft ein hoher Stellenwert zu. Solange bei wertenden Äußerungen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten werden, kann auch massive, in die Ehre eines anderen eingreifende Kritik, die sich an konkreten Fakten orientiert, zulässig sein (6 Ob 93/98i = SZ 71/96 mwN; 6 Ob 321/04f; RIS-Justiz RS0054817). Selbst überspitzte Formulierungen und massive Kritik sind hinzunehmen, soweit kein massiver Wertungsexzess vorliegt (stRsp 6 Ob 159/06k; 6 Ob 250/06t).

2. Der EGMR legt zugunsten des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Interesses der Öffentlichkeit an der Diskussion von Fragen allgemein-öffentlichen Interesses eine großzügigen Beurteilungsmaßstab an (EGMR vom 26. 2. 2002 - unabhängige initiative Informationsvielfalt in Österreich, MR 2002, 149; EGMR vom 26. 2. 2002 - Dichand gegen Österreich = MR 2002, 84; EGMR 20. 3. 2003 - Krone Verlag GmbH Co KG gegen Österreich = ÖJZ 2003/35; EGMR 13.

11. 2003 - Scharsach und NEWS Verlags Gesellschaft gegen Österreich =

ÖJZ 2004/17; EGMR 2. 11. 2006 - Standard Verlags GmbH und

Krawagna-Pfeifer gegen Österreich = MR 2007, 23). Er steckt die

Grenzen zulässiger Kritik an Politikern wie auch an Privatpersonen

und Vereinigungen, die zu Themen allgemeinen Interesses in der

Öffentlichkeit Stellung nehmen, weiter als dies bei Privatpersonen

der Fall ist (ÖJZ 1991, 681 - Oberschlick I; MR 1997, 196 -

Oberschlick II; MR 2001, 89 - Jerusalem; zuletzt EGMR 25. 1. 2007 -

Arbeiter gegen Österreich). Dieser Auffassung hat sich der Oberste

Gerichtshof - insbesondere auch für Journalisten und Medieninhaber -

angeschlossen (SZ 74/117; 6 Ob 168/01a, 6 Ob 250/03p). Auch sie

müssen einen höheren Grad an Toleranz zeigen und zwar vor allem dann, wenn sie selbst öffentliche Äußerungen tätigen, die geeignet sind, Kritik auf sich zu ziehen (6 Ob 168/01a; 6 Ob 245/04d).

3. Ob durch eine Äußerung Tatsachen verbreitet werden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richtet sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck für den unbefangenen Durchschnittsadressaten (stRsp RIS-Justiz RS0031883). Bei zeitlich auseinander fallenden, inhaltlich im Zusammenhang stehende Behauptungen ist der Bedeutungsinhalt nach dem in einer Gesamtschau vermittelten Eindruck entscheidend. Beurteilungsmaßstab ist ein fiktiver Mitteilungsempfänger, dem alle Äußerungen zur Kenntnis gelangt sind (RIS-Justiz RS0115948). Gleiches gilt für die Frage, welcher Bedeutungsinhalt der Äußerung entnommen wird. Sie ist so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen - hier einem durchschnittlich verständigen Leser der Beiträge - bei unbefangener Auslegung verstanden wird (stRsp RIS-Justiz RS0031815 und RS0115084). Wesentlich ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist, sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann (6 Ob 295/03f = MR 2005, 371 mwN; zuletzt 6 Ob 250/06t). Auch der EGMR unterscheidet zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteil und misst bei der Beurteilung der Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs im Zusammenhang mit Werturteilen am Vorhandensein eines ausreichenden und richtigen Tatsachensubstrats (MR 2005, 86; MR 2005, 465). Auch im politischen Meinungsstreit prüft der EGMR, ob die notwendige Tatsachenbasis für einen wertenden Vorwurf vorliegt, weil auch ein Werturteil ohne unterstützende Tatsachengrundlage exzessiv sein kann (MR 2002, 84; MR 2002, 149; 6 Ob 250/06t).

4. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so ist keines der Sicherungsbegehren berechtigt.

4.1. Die Zeitschriften beider Streitteile richten sich an Leser der Kommunikations-, Medien- und Werbebranche. Es muss daher angenommen werden, dass sie die eingangs wiedergegebenen Veröffentlichungen ebenso kannten wie die seit Jahren zwischen WAZ und Hans D***** geführten Auseinandersetzungen.

Der beanstandete Artikel des Beklagten nimmt Bezug auf den Gesinnungswandel des Klägers. Er schildert die im Leitartikel des Klägers enthaltenen Attacken gegen Hans D***** und fragt, was denn da passiert sei, habe doch der Kläger Hans D***** kurz davor als Kommunikator des Jahres gefeiert. Die Antwort des Beklagten findet sich im nächsten Absatz. Darin wird der Leser nämlich darüber aufgeklärt, dass die K***** alle Anzeigenbuchungen im Medium des Klägers storniert habe. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Leser wird diese Darstellung als subjektive Interpretation des Verhaltens des Klägers verstehen, die der Beklagte aus den in seiner Veröffentlichung auch offengelegten Umständen gewonnen hat. Diese Interpretation, somit das Werturteil des Beklagten, beruht auf einem richtigen Tatsachenkern: Der Kläger ist in seiner Beurteilung tatsächlich umgeschwenkt, auch hat die K***** tatsächlich Insertionen im Medium des Klägers storniert.

Das zu Punkt a) formulierte Unterlassungsgebot ist somit nicht berechtigt.

4.2. Der Kläger beanstandet die Behauptung, er gelte in Branchenkreisen als WAZ-Söldner. Diese Behauptung findet sich im Zusammenhang mit der kritisierenden Wiedergabe der im Editorial des Klägers enthaltenen Attacken gegen Hans D*****. Der Beklagte gibt in seiner Veröffentlichung auch den Grund dafür an, warum - seiner Meinung nach - der Kläger in Branchenkreisen als WAZ-Söldner gelte. Grund sei nämlich, dass er in seinem Leitartikel Hans D***** auf das Brutalste attackiert habe. Die angesprochenen Leser werden die beanstandete Behauptung daher im Sinn einer wertenden Äußerung dahin verstehen, dass der Kläger Partei für die WAZ und gegen Hans D***** ergreife, indem er den letztgenannten persönlich massiv attackiere und ihm etwa fehlende Entscheidungs- und Zurechnungsfähigkeit vorwerfe. Auch diese auf Basis des darin geschilderten Sachverhalts aufbauende Wertung beruht auf einem richtigen Tatsachenkern und überschreitet keineswegs die Grenzen zulässiger Kritik. Der Kläger, der selbst in der Öffentlichkeit massivst Kritik an Hans D***** geäußert hatte, muss es sich unter dem Blickwinkel des Rechts auf freie Meinungsäußerung gefallen lassen, aus Anlass seiner Kritik als „Söldner" desjenigen bezeichnet zu werden, dessen Interessen seine Kritik dienen könnte.

4.3. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass die Leser seines Editorials 10 und 11/2006 die weitere, auf die Verwechslung des eigenen Vornamens des Klägers Bezug nehmende Formulierung keineswegs im Sinne einer Behauptung verstehen, der Kläger verfüge über geringe geistige Fähigkeiten. Geht man nach dem Gesamtzusammenhang davon aus, dass die Leser Kenntnis der wechselseitigen Veröffentlichungen hatten, so musste klar sein, dass das Missverständnis, das der Beklagte dem Kläger nachsehen wollte, darin bestand, dass der Kläger die Frage, ob er von der WAZ gekauft sei, irrtümlich auf seinen Verlag bezogen habe. Soweit nun der Beklagte im Editorial des Hefts 10 und 11/2006 auf diesen Irrtum sowie darauf Bezug nimmt, dass der Kläger die Initialen seines Vornamens „verdrehe" und er ihm auch „das eine oder Missverständnis bei mittellangen Sätzen nachsehe" kann dies nur als spöttisch-kritischer Kommentar verstanden werden. Dass der Beklagte die geistige Leistungsfähigkeit des Klägers tatsächlich in Frage gestellt hätte, ist dieser Formulierung hingegen nicht zu entnehmen. Sie ist daher nach dem Verständnis der angesprochenen Leser weder ehrenrührig noch kreditschädigend und wäre - selbst wenn sie den Kläger provozierte - durch das Recht auf freie Meinungsäußerung jedenfalls gedeckt.

5. Dem Revisionsrekurs des Klägers musste ein Erfolg versagt bleiben. Hingegen war dem Revisionsrekurs des Beklagten Folge zu geben und der Sicherungsantrag in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen zur Gänze abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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