JudikaturJustiz6Ob666/95

6Ob666/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Juli 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Brigitte S*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Leitner und Dr.Helmut Platzgummer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Sylvia H*****, vertreten durch Dr.Franz Grauf und Dr.Bojan Vigele, Rechtsanwälte in Völkermarkt, wegen 378.952,12 S, infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 29.August 1995, GZ 11 R 37/95-19, womit das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 25.November 1994, GZ 1 Cg 43/94i-15, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird der Revision der klagenden Partei teilweise Folge gegeben und das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abgeändert, daß es lautet:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 341.776,92 S samt 4 % Zinsen seit 8.3.1994 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 37.175,20 S samt 4 % Zinsen seit 8.3.1994 wird abgewiesen.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die nachstehend bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen zu ersetzen:

a) an Kosten erster Instanz 48.159,66 S (5.749,76 S

Umsatsteuer und 13.661,10 Barauslagen)

b) an Kosten zweiter Instanz 20.727,36 S (1.864,56 S

Umsatzsteuer und 9.540 S Barauslagen)

c) an Kosten dritter Instanz 22.496,52 S (1.761,92 S

Umsatzsteuer und 11.925 S Barauslagen)"

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 26.2.1993 verstorbene Gisela G***** hat zwei Kinder hinterlassen, die Klägerin, Brigitte S***** (vormals G***** geborene B*****), geboren am 6.7.1945 und Betty H***** (geborene G*****), geboren am 7.5.1937. Ihre Enkelin Sylvia H*****, die Beklagte, ist die Tochter der Klägerin.

Gisela G***** hinterließ eine als "Vermächtnis" bezeichnete letztwillige Verfügung vom 20.10.1992 mit folgendem wesentlichem Wortlaut:

I. Ich vermache die mir zur Gänze gehörige Liegenschaft EZ 1869 KG ***** mit den Grundstücken Nr 402/1 Garten und 402/2 Baufläche samt dem darauf erbauten Haus, R*****gasse *****, sowie sämtliches in diesem Hause befindliche Inventar a) zu 1/4 meiner Tochter Brigitte G***** geborene B***** geboren 6.7.1945 und b) zu 3/4-Anteilen meiner Enkelin Sylvia H***** geboren 19.5.1963.

II. Kann oder will Brigitte G***** dieses Legat nicht annehmen, so wächst der 1/4-Anteil meiner Enkelin Sylvia H***** zu.

III. Für den Fall der Annahme des Vermächtnisses durch Sylvia H***** ist diese verpflichtet, an meine Tochter Betty H***** geborene G***** geboren 7.5.1937 eine Abfindungsauszahlung in Höhe von S 500.000 spesen- und abzugsfrei zur Auszahlung zu bringen. Die Begleichung dieser Schuld hat spätestens sechs Monate nach meinem Ableben zu erfolgen.

IV. Nimmt Brigitte G***** das Legat gemäß Punkt I an, so ist sie verpflichtet, zugunsten ihrer Tochter Sylvia H***** ein lebenslängliches und unentgeltliches Fruchtgenußrecht ob dem 1/4-Anteil an EZ 1869 KG ***** einzuräumen und eine entsprechende Einverleibungsbewilligung für die grundbücherliche Eintragung dieses Fruchtgenußrechtes abzugeben. Dieses Recht ist von Sylvia H***** auf ihre Lebensdauer insbesonders als Dienstbarkeit der Wohnung, und zwar auch gemeinsam mit ihren Nachkommen auszuüben.

V. Das Legat für meine Tochter Brigitte G***** sowie die Abfindungsauszahlung für meine Tochter Betty H***** sind als Vorausvermächtnisse anzusehen und daher in ihre gesetzlichen Erbteile nicht einzurechnen."

Der Wert des reinen Nachlasses zum Todeszeitpunkt betrug 1,606.401,05 S, jener der Liegenschaft 1,612.800 S. Unter Berücksichtigung der durch die Miteigentumsgemeinschaft bedingten Erschwernisse bei der Veräußerung und Verwertung ist vom 1/4 Anteil ein Abzug von 15 % anzunehmen. Das der Beklagten eingeräumte Fruchtgenußrecht ist mit 576.000 S zu bewerten.

Die Klägerin und ihre Schwester haben je zur Hälfte des Nachlasses bedingte Erbserklärungen abgegeben, aufgrund derer ihnen der Nachlaß je zur Hälfte eingeantwortet wurde. Die Klägerin hat das ihr zugedachte Vermächtnis unter Vorbehalt der Geltendmachung ihrer Pflichtteilsansprüche ausgeschlagen, sie hat, ebenso wie ihre Schwester, aus der Verlassenschaft lediglich einen Barbetrag von 22.647,88 S erhalten; die Beklagte ist Alleineigentümerin der Liegenschaft geworden und hat das Sublegat an die Schwester der Klägerin von 500.000 S erfüllt.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten 378.952,12 S als Pflichtteilsergänzung. Die Aktiven des Nachlasses hätten bis auf geringfügig vorhandenes Bargeld aus der Liegenschaft EZ 1869 KG ***** mit dem darauf errichteten Einfamilienhaus bestanden, der Verkehrswert betrage 1,612.800 S. Der der Klägerin vermachte 1/4-Anteil sei durch das für die eine Generation jüngere Beklagte vorgesehene lebenslängliche unentgeltliche Fruchgenußrecht praktisch wertlos, weshalb die Klägerin das ihr zugedachte Legat nicht angenommen habe, so daß dieses nach der letztwilligen Verfügung der Beklagten zugewachsen sei. Der Pflichtteilsanspruch sei mit 1/4 des Wertes des reinen Nachlasses zu bemessen und betrage daher 401.600 S. Abzüglich der aus einem Sparguthaben aus dem Nachlaß erhaltenen 22.647,88 S ergebe sich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch von 378.952,12 S.

Die Beklagte wandte ein, die Klägerin könne durch die Ausschlagung des ihr zugedachten Anteiles an der Liegenschaft nicht bessergestellt werden. Sie müsse sich deren (anteiligen) Wert anrechnen lassen, ohne daß sie einen Ausgleich in Geld verlangen könne. Durch das Legat wäre der Pflichtteilsanspruch zur Gänze abgedeckt gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab.

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine vom Erblasser dem Noterben hinterlassene Sachzuwendung auch für den Noterben bindend sei oder ob sich dieser stets auf seinen Geldanspruch berufen könne, kam es nach eingehender Darstellung der historischen Entwicklung und der Redaktionsgeschichte der §§ 774 und 808 Satz 3 ABGB zu dem Ergebnis, daß der Pflichtteilsanspruch nach der ursprünglichen Konzeption des ABGB ein Quotenanspruch auf Sachwerte gewesen sei und daher auch durch Hinterlassung eines Erbteiles oder Vermächtnisses befriedigt werden könne. § 808 Satz 3 ABGB bedeute nur, daß der Erbe den unbequemen Rest ausschlagen könne. Das Problem des Wertes bzw der Wertlosigkeit von dem Noterben zugewendeten Nachlaßstücken sei ausschließlich auf Tatsachenebene zu lösen. Im Hinblick auf § 774 Satz 3 ABGB sei bei der Anrechnung des Legates auf den Pflichtteilsanspruch der Klägerin von dem zugewendeten unbelasteten Liegenschaftsteil auszugehen, da es der Klägerin offengestanden sei, sich auf die Unwirksamkeit der Belastung (das Fruchtgenußrecht zugunsten der Beklagten) zu berufen. Ein allfälliger Abschlag für Schwierigkeiten bei der Verwaltung und beim Verkauf, die sich aus der Eigentumsgemeinschaft ergeben würden, sei nicht vorzunehmen, weil diese Eigentumsgemeinschaft auch bei der gesetzlichen Erbfolge eingetreten wäre. Damit wären die Ansprüche der Klägerin bereits ausreichend abgegolten gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge, erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin 53.141,84 S samt Anhang zu zahlen und wies das Mehrbegehren von weiteren 325.810,28 S ab.

In den §§ 762 bis 796 ABGB seien die Beschränkungen der Testierfreiheit dahin geregelt, daß bestimmten nahen Angehörigen jedenfalls wertmäßig ein Mindestanteil am Wert des reinen Nachlasses zukommen müsse. Dabei sei das gesamte hinterlassene Vermögen des Erblassers zu berücksichtigen, auch etwaige Vermächtnisse. Ausgangspunkt sei nicht der Wert der vom gegenständlichen Vermächtnis umfaßten Liegenschaft, sondern der Wert des reinen Nachlasses, der mit 1,606.401,05 S feststehe. Ob ein konkreter Pflichtteilsanspruch gegeben sei, hänge davon ab, ob der Erblasser seiner Verpflichtung zur Hinterlassung des Pflichtteiles entsprochen habe. Nach § 774 ABGB könne der Pflichtteil in Gestalt eines Erbteiles oder Vermächtnisses auch ohne ausdrückliche Benennung als Pflichtteil hinterlassen werden, müsse dem Noterben aber zur Gänze freibleiben. Jede einschränkende Bedingung oder Belastung sei als ungültig anzusehen, es sei denn, dem Noterben sei ein größerer Erbteil zugedacht, wobei die Belastung dann nur auf den Teil, der den Pflichtteil übersteigt, bezogen werden könne. Der Pflichtteil der Klägerin sei ausgehend von einem reinen Nachlaß im Ausmaß von 1,606.401,05 S mit 401.600,25 S zu berechnen. Davon müsse die Klägerin sich jedenfalls die erhaltenen 22.647,88 S anrechnen lassen. § 808 ABGB sehe vor, daß ein zum Erben Eingesetzter, dem auch ohne letztwillige Verfügung das Erbrecht ganz oder zum Teil gebührt hätte, nicht befugt sei, sich auf die gesetzliche Erbfolge zu berufen und dadurch die Erklärung des letzten Willens zu vereiteln; er müsse die Erbschaft entweder aus dem letzten Willen antreten oder ihr entsagen. Personen, denen ein Pflichtteil gebühre, könnten jedoch die Erbschaft mit dem Vorbehalt ihres Pflichtteiles ausschlagen. Die Regelung des § 808 ABGB finde sich nicht mehr bei den Bestimmungen über den Pflichtteil, sondern im XV.Hauptstück von der "Besitznehmung der Erbschaft". Durch diese Bestimmung solle eine Vereitelung des letzten Willens, in dem ein im Testament bedachter gesetzlicher Erbe sich auf sein gesetzliches Erbrecht berufe, hintangehalten werden. Die Fälle, in denen diese Regelung tatsächlich einen Anwendungsbereich habe, seien im Hinblick auf die Bestimmungen, wonach jener, der den ausgeschlagenen Erbteil erhalte, auch die damit angeknüpften Lasten und alle übrigen Verfügungen des Erblassers befolgen müsse, nur in wenigen Konstellationen denkbar. Die Regelungen über die Besitznehmung der Erbschaft seien nur auf die Einantwortung in den Nachlaß als Erbe, nicht jedoch auf die Geltendmachung von Forderungen als Legatar zu beziehen. Letztere seien in den §§ 684 f ABGB geregelt. Es bestehe kein Anlaß, über den Wortsinn und die Systematik hinaus die Bestimmung des § 808 ABGB auch auf Vermächtnisse auszudehnen. Dabei sei zu bedenken, daß sonst etwa ein gesetzlicher Erbe, der die Erbschaft angenommen habe, wenn er ein unbequemes Vermächtnis ausschlage, auch sein gesetzliches Erbrecht wieder verlieren würde. Auch die Literatur (Rechberger, Die Ausschlagung der letztwilligen Zuwendung JBl 1973, 295 und Weiß in Klang2 III, 1010) befasse sich nicht mit der Frage, ob § 808 ABGB überhaupt auf Vermächtnisse anzuwenden sei, sondern erörtere nur allgemein unter Bezugnahme auf § 774 ABGB die Ausschlagung der Vermächtnisse durch einen Pflichtteilsberechtigten. Das Berufungsgericht gehe davon aus, daß sich § 808 ABGB gar nicht auf die Entschlagung von Vermächtnissen beziehe, so daß diese Bestimmung hier nicht anzuwenden sei. Wollte man dies wie das Erstgericht jedoch tun, dann könne diese Bestimmung nur dahin interpretiert werden, daß sich der Noterbe die seinem Pflichtteil entsprechende unbelastete Quote vorbehalten, den unbequemen Rest aber ausschlagen könne. Soweit der Erblasser seiner Verpflichtung, den Pflichtteil dem Noterben in Gestalt eines Erbteiles oder Vermächtnisses zu hinterlassen, entsprochen habe, entstehe kein zusätzlicher konkreter Pflichtteilsanspruch, nur bei Verletzung dieser Verpflichtung könne der reine Betrag des Pflichtteilses oder dessen Ergänzung verlangt werden.

Nach § 774 dritter Satz ABGB seien eisnchränkende Bedingungen oder Belastungen der hinterlassenen Vermächtnisse oder des Erbteiles im Umfang des Pflichtteiles ungültig. Dieser Bestimmung komme primär die Funktion einer gesetzlichen Vermutung zu, daß es dem Willen des Erblassers am ehesten entsprochen hätte, den Pflichtteilsberechtigten aus den ihm gemachten Zuwendungen - notfalls unter Wegfall der vorgegebenen Beschränkungen - zu befriedigen. Vor allem dann, wenn in der Beschränkung der Zuwendung gleichzeitig eine letztwillige Zuwendung an andere Personen gesehen werden könne, sei zu prüfen, ob nicht die Verwirklichung dieser Zuwendung als wesentlicheres Anliegen anzusehen und der Pflichtteilsberechtigte auf seinen Ergänzungsanspruch nach § 775 ABGB zu verweisen sei. Die Belastung, hier der Fruchtgenuß, sei daher nur wertmäßig von der Zuwendung abzuziehen, bleibe aber aufrecht. Dabei sei auch zu bedenken, daß § 783 ABGB grundsätzlich die verhältnismäßige Belastung aller eingesetzten Erben und Legatare mit den Pflichtteilsansprüchen vorsehe, während der einseitige Wegfall eines Legates nur den jeweiligen Legatar beeinträchtige.

Im vorliegenden Fall sei eindeutig erkennbar primäres Anliegen der Erblasserin gewesen, ihrer Enkelin das unbeschränkte Wohnrecht an dem Einfamilienhaus zu vermachen. Die hinsichtlich des Anteiles der Klägerin insoweit vorgesehene Beschränkung sei daher als wirksam anzusehen und wertmäßig zu berücksichtigen. Hiezu komme noch, daß die Aufhebung des Fruchtgenußrechtes der Beklagten wohl nur hinsichtlich des gesamten Anteiles der Klägerin unteilbar erfolgen könnte, damit würde der Wert des 1/4-Anteiles aber den Pflichtteilsanspruch der Klägerin übersteigen. Gerade bei unteilbaren Belastungen sei aber anzunehmen, daß es dem erblasserischen Willen im Ergebnis besser gerecht werde, wenn die Belastungen aufrecht blieben und der Pflichtteilsberechtigte nur Pflichtteilsergänzung fordern könne (Schauer, Unteilbare Pflichtteilsdeckung und unteilbare Belastungen RdW 1987, 151). Der Wert des der Klägerin zugedachten 1/4-Anteiles an der Liegenschaft sei daher unter Berücksichtigung des der Beklagten eingeräumten Fruchtgenußrechtes und eines Abschlages wegen Miteigentums zu bemessen, also mit 220.320 S (dabei übernimmt das Berufungsgericht die Berechnung des Sachverständigen, der vom (unbestrittenen) Verkehrswert der gesamten Liegenschaft zunächst den (unbestritten errechneten) Wert des Fruchtgenußrechtes in Abzug bringt, hievon ein Viertel berechnet und dann davon noch einen 15 %igen Abschlag macht). Abzüglich der der Klägerin bereits aus dem Nachlaß zugekommenen 22.647,88 S errechne sich ihr Pflichtteilsergänzungsanspruch mit 158.632,37 S. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch sei nach § 783 ABGB verhältnismäßig zwischen Erben und Legataren vorzunehmen; ein pflichtteilsberechtigter Erbe habe nur insoweit beizutragen, als seine Zuwendungen den Pflichtteil überstiegen. Ein Pflichtteilsberechtigter, der selbst Erbe sei, könne den Legatar unmittelbar in Anspruch nehmen, dies jedoch nur mit dem Betrag, der nach § 783 ABGB auf den Legatar entfalle und davon andererseits nur mit der Erbquote, die dem jeweiligen Erben zuzuordnen sei. Für die zweite Hälfte habe die Miterbin einzustehen. Vom Wert des gesamten Nachlasses seien die von der Beklagten gezahlte Ausgleichszahlung von 500.000 S an die zweite Tochter der Erblasserin sowie der den beiden Erbinnen zugekommene Gesamtbetrag abzuziehen. Der Wert des Legates sei daher mit 1,061.105,80 S anzunehmen. Dieser Betrag sei in ein Verhältnis zum Wert des gesamten reinen Nachlasses unter Abzug des der Klägerin zugekommenen Erbteiles zu setzen, also zu 1,583.753,66 S, woraus sich eine Quote von 67 % errechne. Diese Quote habe die Beklagte als Vermächtnisnehmerin auf den berechtigten Pflichtteilsanspruch von 158.632,37 S, also mit 106.283,68 S zu tragen. Hievon könne die Klägerin aber, weil sie nur zur Hälfte Erbin sei, nur zur Hälfte, daher 53.141,84 S geltend machen. In diesem Umfang sei das Klagebegehren berechtigt.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob auch Vermächtnisse unter die Ausschlagungsbestimmungen des § 808 ABGB fallen, und inwieweit von der Ungültigkeit von Belastungen im Sinne des § 774 zweiter Satz ABGB auszugehen oder nach § 775 ABGB vorzugehen sei, keine gesicherte Judikatur vorliege.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Streitteile. Die Klägerin bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichtes, soweit ihr Mehrbegehren abgewiesen wurde, während die Beklagte eine Wiederherstellung des Ersturteiles, also eine gänzliche Klageabweisung anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig; nur jene der Klägerin ist teilweise berechtigt.

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die Klägerin nach Ausschlagung des ihr zugedachten, mit einem Fruchtgenußrecht belasteten Legates von vornherein den gesamten ihr zustehenden Pflichtteil in Geld verlangen kann oder ob und in welcher Weise sie sich die letztwillige Zuwendung auf ihren Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen muß.

Nach § 774 ABGB kann der Pflichtteil in Gestalt eines Erbteiles oder Vermächtnisses, auch ohne ausdrückliche Benennung des Pflichtteiles hinterlassen werden. Er muß aber dem Noterben ganz frei bleiben. Jede denselben einschränkende Bedingung oder Belastung ist ungültig. Wird dem Noterben ein größerer Erbteil zugedacht, so kann sie nur auf den Teil, welcher den Pflichtteil übersteigt, bezogen werden. Demgegenüber bestimmt § 808 ABGB: "Wird jemand zum Erben eingesetzt, dem auch ohne letzte Willenserklärung das Erbrecht ganz oder zum Teile gebührt hätte, so ist er nicht befugt, sich auf die gesetzliche Erbfolge zu berufen und dadurch die Erklärung des letzten Willens zu vereiteln. Er muß die Erbschaft entweder aus dem letzten Willen antreten oder ihr ganz entsagen. Personen aber, denen ein Pflichtteil gebührt, können die Erbschaft mit Vorbehalt ihres Pflichtteiles ausschlagen." Der erste Satz dieser Bestimmung soll den Erben daran hindern, letztwillig auferlegte Belastungen zu umgehen, doch wäre dies ohnehin aufgrund der §§ 726, 563 ABGB weitgehend unmöglich. Für § 808 ABGB verblieben jene Fälle, in denen die Anordnung nur vom eingesetzten Erben erfüllt werden kann oder nach dem Willen des Testators persönlich erfüllt werden soll. Es soll nur die Wahlmöglichkeit zwischen Berufungsgründen ausgeschlossen werden, nicht aber die Berufung auf das Gesetz, soweit die testamentarische Berufung den Nachlaß nicht erschöpft; die teilweise Annahme eines aufgrund eines einheitlichen Titels angefallenen Rechtes ist nicht möglich (Welser in Rummel2 ABGB Rz 1 und 2 zu § 808 mwN). Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung haben alle Noterben die Möglichkeit, sich auf den Pflichtteil zu beschränken, wobei deren Inhalt seit langem strittig ist. Einerseits stellt § 774 ABGB klar, daß Zuwendungen, deren Funktion es ist, den Pflichtteil abzudecken, ganz frei bleiben müssen und einschränkende Bedingungen und Belastungen nur auf den den Pflichtteil übersteigenden Teil der Zuwendung bezogen werden können, andererseits gibt § 808 letzter Satz ABGB dem Noterben das Recht, erblasserische Zuwendungen unter Vorbehalt des Pflichtteiles auszuschlagen und sich auf seinen Pflichtteil zurückzuziehen. Wird eine Zuwendung als Pflichtteilsdeckung mit unzulässigen Beschränkungen hinterlassen, scheinen dem Noterben drei Möglichkeiten offenzustehen: Er kann die Zuwendung annehmen und die Beschränkungen auf den "überschießenden" Teil reduzieren (§ 774 letzter Satz), er kann auch die Mehrzuwendung überhaupt ausschlagen und sich auf den Pflichtteil beschränken (§ 808 letzter Satz ABGB) oder selbstverständlich die Zuwendung mit der Belastung auf sich nehmen. Rechberger hat in seinem Aufsatz: Die Ausschlagung der letztwilligen Zuwendung in JBl 1973, 292 den als "Antinomie im ABGB" bezeichneten Meinungsstreit der Lehre übersichtlich zusammengefaßt. Jene Autoren, die einen Widerspruch in den beiden Bestimmungen sehen, erreichen durch einschränkende Auslegung oder teleologische Reduktion einer der beiden Gesetzesstellen schließlich doch eine Vereinbarkeit, andererseits verneinen Antinomiegegner zum Teil deshalb einen Widerspruch, weil sie von vornherein eine der Anordnungen restriktiv interpretieren. Gegen die Meinung, der Noterbe erhalte, wenn er eine belastete Zuwendung ausschlage und sich auf den Pflichtteil beschränke, eben den Geldpflichtteil, wird von der nunmehr herrschenden Ansicht (Ehrenzweig, System2 II/2 492 f, Welser in Rummel2 ABGB Rz 3 zu § 808, Kralik, Erbrecht 52 f, Koziol/Welser10 II 382; Schauer, Unteilbare Pflichtteilsdeckungen und unteilbare Belastungen in RdW 1987, 149; ähnlich auch Schwind zur Ausschlagung der Erbschaft mit Vorbehalt des Pflichtteiles) eingewendet, daß dadurch § 774 ABGB, der dem Erblasser ja die Abdeckung des Pflichtteiles durch bestimmte Zuwendungen gestatte, weitgehend gegenstandslos würde. Der Noterbe müsse daher die erblasserischen Zuwendungen im Ausmaß der Pflichtteilsdeckung akzeptieren und könne nur die unbequeme Mehrzuwendung ausschlagen. § 808 Satz 3 ABGB gebe dem Noterben entgegen der allgemeinen Regel bloß das Recht, den zugewendeten Erbteil teilweise, das heißt soweit er den Pflichtteil decke, lastenfrei anzunehmen und die unbequeme Mehrzuwendung auszuschlagen, während in Höhe der durch Erbteil oder Legat zugewendeten Deckung kein Geldanspruch geltend gemacht werden könne. Dieser Ansicht ist aus den dargelegten Argumenten, insbesondere wegen des das Erbrecht beherrschenden Grundsatzes, daß dem letzten Willen des Erblassers soweit wie möglich zum Durchbruch verholfen werden soll und der zentralen Bedeutung des § 774 ABGB in der Praxis zuzustimmen. Dies bedeutet, daß das der Klägerin zugedachte Legat bei der Bemessung ihres Pflichtteilsanspruches grundsätzlich zu berücksichtigen und nicht von vornherein ein unbedingter Geldanspruch anzunehmen ist.

Bei teilbaren Belastungen oder Beschränkungen bietet deren Reduzierung bis auf das Ausmaß des Pflichtteilsanspruches keine Probleme. Kann aber die Belastung nicht auf die Mehrzuwendung beschränkt werden, wie dies § 774 letzter Satz ABGB vorsieht, so kann die Zuwendung auch mit der Belastung, wenn sie überhaupt zu einer Pflichtteilsdeckung geeignet ist, zumindest eine teilweise Bedeckung des Pflichtteiles darstellen und damit nur einen Ergänzungsanspruch auslösen. Ein gänzlicher Entfall der Belastung (§ 774 zweiter Satz ABGB) könnte zur Folge haben, daß dem Pflichtteilsberechtigten wertmäßig mehr zukäme als der Pflichtteil und der nach dem Willen des Erblassers Begünstigte den Ausfall allein und nicht nur verhältnismäßig zu tragen hätte. Der erkennende Senat teilt daher die Ansicht Schauers (aaO), daß bei unteilbaren Belastungen nicht von vornherein eine Anfechtung der Beschränkung in ihrer Gesamtheit in Frage kommt, sondern, wie auch sonst bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen, auf den hypothetischen Willen des Erblassers abzustellen ist, also gefragt werden muß, welche Anordnung dieser getroffen hätte, wenn ihm die fehlende Abdeckung des Pflichtteilsanspruches bekannt gewesen wäre. Der Ansicht des Berufungsgerichtes ist zuzustimmen, daß aus dem hier zu beurteilenden Vermächtnis klar hervorgeht, die Verwirklichung der Zuwendung des Fruchtgenußrechtes am Anteil der Klägerin an die Beklagte sei vorwiegendes Anliegen gewesen, aus deren Verfügung also hervorgeht, daß sie vorrangig ihrer Enkelin die Nutzung des gesamten Einfamilienhauses sichern und sie vor einem allfälligen Verlust (durch Teilungsklage, Verkauf oder exekutive Maßnahmen) schützen und damit die pflichtteilsberechtigte Klägerin, die ja zusammen mit ihrer Schwester auch gesetzliche Erbin war, auf einen allfälligen Ergänzungsanspruch verweisen wollte. Die Belastung durch das der Beklagten eingeräumte Fruchtgenußrecht hat daher nicht zur Gänze zu entfallen, sondern ist nur wertmäßig von der Zuwendung abzuziehen. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch darauf verwiesen, daß § 783 ABGB grundsätzlich die verhältnismäßige Belastung aller Erben und Legatare mit den Pflichtteilsansprüchen vorsieht, während der einseitige Entfall der Begünstigung nur die Legatarin allein beeinträchtige. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Berechnung der Ergänzung des Pflichtteiles nach § 775 ABGB beruht allerdings auf zwei wesentlichen Irrtümern.

Auszugehen ist davon, daß der Pflichtteil der Klägerin 401.600 S beträgt, sodaß ihr nach Erhalt von 22.647,88 S durch Einantwortung noch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch von 378.932,12 zusteht. Zu dessen Entrichtung haben nach § 783 ABGB sowohl die eingesetzten Erben als auch die Legatare verhältnismäßig beizutragen. Zur Feststellung der Beitragspflicht sind die Werte der reinen Erbteile und Legate zu ermitteln und verhältnismäßig, das heißt in der Relation der Werte zueinander solange zu kürzen, bis die Pflichtteile gedeckt sind. Erschöpfen die Legate den Nachlaß, so haben die Legatare die Last der Pflichteile allein zu tragen. Reicht daher die Verlassenschaft zur Zahlung pflichtmäßiger Auslagen und zur Berichtigung aller Vermächtnisse nicht aus, so leiden die Legatare gemäß § 692 ABGB einen verhältnismäßigen Abzug. Dabei ist ein pflichtteilsberechtigter Erbe wie ein sonstiger Noterbe zu behandeln. Ist einem pflichtteilsberechtigten Erben ein Legat ausgesetzt oder ist ein sonstiger Legatar pflichtteilsberechtigt, so wird der Legatsanspruch bis zur Höhe der Pflichtteilsdeckung unter die Pflichtteilsansprüche gereiht, geht also den sonstigen Vermächtnissen vor, eine darüber hinausgehende Zuwendung unterliegt der Kürzung (Welser in Rummel2 ABGB Rz 3 zu § 692). Haben die Legatare die Vermächtnisse bereits empfangen, wird nach § 693 ABGB der Abzug nach dem Wert, den das Vermächtnis zur Zeit des Empfanges hatte, und den daraus gezogenen Nutzungen bestimmt. Dem Legatar steht auch nach empfangenem Vermächtnis noch immer frei, zur Vermeidung des Beitrages das Vermächtnis oder den Wert und die bezogene Nutzungen in die Masse zurückzustellen.

Es ergibt sich somit im vorliegenden Fall folgende Berechnung:

Der Wert der gesamten Liegenschaft wurde mit 1,612.800 S festgestellt, jener des Fruchtgenußrechtes der Beklagten mit 576.000 S. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes (und des beigezogenen Sachverständigen) ist vor Berechnung des Wertes des 1/4-Anteiles der Klägerin das Fruchtgenußrecht der Beklagten nicht vom Wert der gesamten Liegenschaft abzuziehen und erst dann der Wert des 1/4-Anteiles zu ermitteln, sondern das Fruchtgenußrecht nur hinsichtlich des allein damit belasteten 1/4-Anteiles der Klägerin wertmindernd zu berücksichtigen, denn die Beklagte wäre neben den ihr zunächst zugedachten 3/4-Anteilen durch das ihr eingeräumte Fruchtgenußrecht nicht belastet, sondern vielmehr zusätzlich (defacto wie eine Alleineigentümerin) begünstigt gewesen. Zieht man vom Wert des 1/4-Anteiles am Gesamtwert der Liegenschaft, das sind 403.200 S das wertmindernde Fruchtgenußrecht von 576.000 S ab, so ergibt sich schon ohne Berücksichtigung eines Minderverkehrswertes durch Miteigentum ein "Minuswert". Es ist ohne weiteres einsichtig, daß ein mit einem lebenslangen Fruchtgenußrecht der zum Todeszeitpunkt der Erblasserin erst 30-jährigen beklagten Mehrheitseigentümerin belasteter Miteigentumsanteil an einem Einfamilienhaus keinen "gemeinen Wert", also weder einen Verkehrs- noch einen Ertragswert hat. Der Standpunkt der Klägerin, das ihr zugedachte Legat sei wertlos, erweist sich daher als richtig, so daß ihr Pflichtteilsanspruch von 378.952,12 S ohne die grundsätzlich mögliche wertmäßige Anrechnung eines solchen Legates zur Gänze in Geld auszumessen ist.

Der Beklagten ist ein Legat im Wert

von 1,612.800 S

zugekommen, von welchem gemäß § 650 ABGB

das der Schwester der Klägerin gezahlte Sublegat

von 500.000 S

in Abzug zu bringen ist.

Der Wert ihres Legates beträgt daher

1,112.800 S.

Die Schwester der Klägerin hat von der Beklagten das ihr vermachte

Sublegat von 500.000 S

und als gesetzliche Hälfteerbin in bar

22.647,88 S

erhalten, somit 522.647,88 S

Ihr Pflichtteil beträgt ebenso wie jener der

Klägerin - 401.600,-- S

so daß ihr Beitrag nach § 692 ABGB

121.047,88 S

ausmacht.

Das Verhältnis, in welchem die Schwester der Klägerin als ausgezahlte Sublegatarin und selbst Pflichtteilsberechtigte einerseits und die Beklagte als Legatarin andererseits zur Deckung des Pflichtteilsanspruches beizutragen haben, beträgt daher 9,81 %, das sind 37.175,20 S zu 90,19 %, das sind 341.776,92 S.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes kann die Klägerin gegenüber der beklagten Vermächtnisnehmerin nach den oben angeführten Bestimmungen nicht nur den ihrer Erbquote entsprechenden Teil des Pflichtteilsanspruches geltend machen, sondern den gesamten auf die Beklagte entfallenden Kürzungsanspruch. Der Pflichtteilsberechtigte hat seine Forderung zwar an den Nachlaß zu richten und kann in der Regel nicht unmittelbar gegen die Vermächtnisnehmer vorgehen. Ist aber der verkürzte Noterbe, wie im vorliegenden Fall, zugleich auch Erbe, so kann er die Vermächtnisnehmer unmittelbar in Anspruch nehmen. Sind die Vermächtnisse, wie hier, ungekürzt ausgefolgt worden, dann kann zuviel Geleistetes zurückgefordert werden (vgl § 693 ABGB, SZ 65/7). Vorliegend ist auch bereits die Einantwortung an die beiden Erbinnen erfolgt. Der Beitrag, den die Schwester der Klägerin als Sublegatarin zum Pflichtteilsanspruch der Klägerin zu leisten hat, steht bereits fest, sie selbst hat keinen Kürzungsanspruch gegen die Beklagte, weil sie von dieser mehr als den ihr gebührenden Pflichtteil erhalten hat, wohl aber hätte sie anteilsmäßig zum Pflichtteilsanspruch der Klägerin beizutragen, was aber nicht geltend gemacht wurde.

Der Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten ist daher mit dem auf diese entfallenden Rückforderungsanspruch von 341.776,92 S berechtigt. Es ist daher wie im Spruch zu entscheiden.

Der Kostenausspruch beruht auf § 43 Abs 1 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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