JudikaturJustiz6Ob602/86

6Ob602/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Oktober 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Warta und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Theresia F***, Pensionistin, Hauptstraße 18, 4210 Gallneukirchen, 2. Rudolf F***, Gastwirt, Engerwitzdorf 11, 4210 Gallneukirchen, 3. Maria S***, Pensionistin Innertreffling 12, 4210 Gallneukirchen, 4. Cäcilia Z***, Pensionistin, Commendastraße 6, 4020 Linz, sämtliche vertreten durch Dr. Ulf Gastgeb, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1. Gottfried M*** sen., Pensionist, Berggasse 47, 4040 Linz, 2. Elisabeth M***, Hausfrau, Berggasse 47, 4040 Linz,

3. Anton M***, Pensionist, Berggasse 20, 4040 Linz und 4. Gottfried M*** jun., Angestellter, Berggasse 31, 4040 Linz, sämtliche vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, DDr. Heinz Mück, Dr. Peter Wagner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Ungültigkeit eines Testamentes (Streitwert S 100.000,-) infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 22. Jänner 1986, GZ. 2 R 263/85-21, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 23. Juli 1985, GZ. 3 Cg 231/84-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit S 7.529,13 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 520,83 Umsatzsteuer und S 1.800,- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Josef P*** starb am 6.2.1984 unter Hinterlassung eines schriftlichen Testamentes vom 11. Jänner 1984. In diesem Testament wurden der Erst- und die Zweitbeklagte als gleichteilige Erben, der Dritt- und der Viertbeklagte als Legatare eingesetzt. Die Kläger sind Kinder einer Halbschwester des Erblassers. Sie fallen unter die zweite Linie der gesetzlichen Erben. Im Verlassenschaftsverfahren vor dem Bezirksgericht Linz haben der Erstbeklagte und die Zweitbeklagte auf Grund des Testamentes, die Kläger auf Grund des Gesetzes unbedingte Erbserklärungen abgegeben, worauf den gesetzlichen Erben für den vorliegenden Erbrechtsstreit die Klägerrolle zugewiesen wurde.

Auf Grund von zwei Besprechungen mit dem Erblasser wußte der Notar Dr. Götzendorfer, wie sich der Erblasser die Aufteilung seines Vermögens vorstellte. Als nun der 84-jährige am 9.1.1984 wegen Herzbeschwerden ins Krankenhaus eingeliefert wurde, willigte er über Ersuchen des Erstbeklagten ein, ein Testament zu seinen Gunsten zu errichten, wobei beide auch die Aufteilung der Liegenschaften erörterten. Von Notar Dr. Götzendorfer wurde sohin ein Testamentsentwurf vorbereitet. Am 11.1.1984 wurde der Erblasser am Nachmittag vom Notar und vom Erstbeklagten im Krankenhaus aufgesucht. Josef P*** gab vor, es sich noch einmal überlegen zu wollen; schließlich wurde er aber vom Notar und vom Erstbeklagten überzeugt, daß doch eine Testamentserrichtung zu empfehlen sei. Der Notar wies insbesondere darauf hin, daß das Testament jederzeit geändert werden könne und er den Erblasser nach der Entlassung aus dem Krankenhaus über dessen Wunsch auch sofort aufsuchen werde, um eine allfällige Testamentsänderung vorzunehmen. Nachdem dem Erblasser die einzelnen Punkte des Testamentes erklärt worden waren, las er das Testament durch und unterfertigte es. Der Notar ersuchte sodann zwei Frauen, die im selben Zimmer bei schwerkranken Patienten zu Besuch waren, als Testamentszeugen zu unterschreiben. Dieser Bitte kamen Beide nach einigem Zögern nach. Am 20.1.1984 wurde der Erblasser aus dem Spital entlassen, am 6.2.1984 verstarb er in seinem Wohnhaus.

Die Kläger strebten die Feststellung an, daß das Testament vom 11.1.1984 ungültig sei und ihnen auf Grund des Gesetzes zu gleichen Teilen das Erbrecht zustehe. Das Testament stelle nicht den Willen des Erblassers dar. Es sei von ihm nur unter der Bedingung unterfertigt worden, daß diese letztwillige Verfügung nur dann Gültigkeit haben sollte, wenn er im Krankenhaus versterben sollte. Der Erblasser sei aber am 20.1.1984 aus dem Spital entlassen worden und am 6.2.1985 zu Hause verstorben. Da das Testament unter einer zulässigen Bedingung errichtet worden sei, diese Bedingung aber nicht in das Testament aufgenommen worden sei, entspreche das Testament auch nicht dem Willen des Erblassers und sei daher ungültig.

Die beklagten Parteien wendeten im wesentlichen ein, daß der Erblasser das Testament vor der Unterfertigung durchgelesen habe, es seinem Willen entsprochen habe und er einen Zusatz, daß das Testament nur Gültigkeit haben sollte, wenn er im Krankenhaus versterbe, nicht gewünscht habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf über die eingangs wiedergegebenen noch folgende Feststellungen:

Zwischen dem Erblasser und den Beklagten bestanden schon seit Jahren enge familiäre Bindungen. Insbesonders hat sich die Zweitbeklagte laufend um den Erblasser gekümmert, ihm die Wäsche gewaschen und ihn auch im Krankheitsfall gepflegt. Da den Beklagten bekannt war, daß sie im Falle des Ablebens des Erblassers ohne Testament infolge der gesetzlichen Erbfolge leer ausgehen würden, versuchte der Erstbeklagte, ihn schon einige Jahre vor dessen Tod zu einer letztwilligen Verfügung oder zu einer Übergabe zu Lebzeiten zu bewegen. Der Erblasser stand dem aber ablehnend gegenüber. "Übergeben, nimmerleben", "es sei ohnehin für alle genug da" und "das Haus werde dorthin gehen, wo es hergekommen sei", waren seine gängigen Sprüche, mit welchen er diese Bemühungen abblockte. Der letzte von den genannten Aussprüchen war so zu verstehen, daß die Verwandten seiner verstorbenen Frau, die im wesentlichen das Vermögen in die Ehe mitgebracht hatte, das Anwesen "Spatzenbauer" bekommen sollten (wobei zu ergänzen ist, daß die Gattin des Erblassers die Cousine der erst- und drittbeklagten Partei war). Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, die Behauptung, das Testament sei unter der Bedingung gemacht worden, daß der Erblasser im Spital sterbe, sei nicht in der erforderlichen Weise erhärtet worden. Es sei vielmehr im Beweisverfahren hervorgekommen, daß sich die Beklagten zu Recht auf das Testament, das dem Willen des Erblassers entspreche, beriefen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden habe, S 300.000,- übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, welche seiner Ansicht nach auf einem mängelfreien Verfahren beruhten und teilte auch dessen Rechtsansicht. Soweit in der Mängel- und Tatsachenrüge der Berufung Bedenken gegen die Gültigkeit des Testamentes wegen allfälliger Verletzung der Formvorschriften anklängen, sei dies als unbeachtliche Neuerung zu werten.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Parteien mit den Anträgen, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern, oder sie aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Soweit die klagenden Parteien eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens darin erblicken, daß die Gegenüberstellung von Zeugen unterblieben ist, übersehen sie, daß im Revisionsverfahren angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche erkannt wurden, nicht nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO geltend gemacht werden können (SZ 22/106 uva). Auch die in der Revision geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs. 2 ZPO).

In ihrer Rechtsrüge versuchen die Kläger, wie schon zuvor unter den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit, die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes und teilweise dessen Beurteilung von behaupteten Verfahrensmängeln erster Instanz in unzulässiger Weise zu bekämpfen. Die Kläger machen geltend, daß der Erblasser das Testament vor den ersuchten Testamentszeugen nicht als seinen letzten Willen enthaltend ausdrücklich bezeichnet habe, das Testament wegen dieses Formmangels an einer von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit leide und keine Rechtswirkungen entfalten könne. Einen weiteren Formmangel erblicken die Kläger in der mangelnden Belehrung der Testamentszeugen sowie in der Unterfertigung des Testamentes durch den Testamentsvollstrecker als Zeugen.

In der Klage wurde ganz allgemein zunächst die Unwirksamkeit des fremdhändigen Testamentes behauptet, es wurden jedoch keine Formmängel wie im Berufungs- und Revisionsverfahren angeführt, sondern das Unwirksamwerden des Testamentes aus dem Eintritt der auflösenden Bedingung, nämlich des Verlassens des Krankenhauses abgeleitet. Das war auch Inhalt des erstgerichtlichen Beweisverfahrens.

Wie schon das Berufungsgericht richtig erkannt hat, stellt das nunmehrige, teilweise schon in der Berufung enthaltene, dem erstinstanzlichen Verfahren jedoch fremde Vorbringen eine Änderung des Klagegrundes und damit eine unzulässige Neuerung dar (Fasching Zivilprozeßrecht Rz 1231, 1725). Unter dem Klagegrund ist das tatsächliche Vorbringen rechtserzeugender Tatsachen durch die klagenden Parteien in erster Instanz zu verstehen (SZ 48/113, SZ 52/60). Er ist jener Kern im tatsächlichen Vorbringen, den der Kläger nicht ändern kann, ohne von einem Anspruch auf einen anderen zu greifen (SZ 48/113).

Entgegen der Ansicht von Kralik (in Ehrenzweig System 3 Erbrecht 128 f) ist im Erbrechtsstreit, sofern dem Inhalt und der äußeren Form nach eine letztwillige Verfügung vorliegt, ein Formmangel, auf den sich keine der Parteien stützt, nicht von Amts wegen wahrzunehmen. Die Formungültigkeit einer letztwilligen Verfügung gemäß § 601 ABGB ist vielmehr nur dann wahrzunehmen, wenn sie von einem Anfechtungsberechtigten geltend gemacht wird (Welser in Rummel ABGB I Rz 4 zu § 601; Weiß in Klang 2 III 352 f; Koziol-Welser Grundriß 7 II 296 f; SZ 6/278). Gegen die Ansicht von Kralik spricht auch, daß nach Lehre und Rechtsprechung eine formungültige letztwillige Verfügung wirksam ist, wenn sie von allen Beteiligten anerkannt wird. Nur die Rechtsnatur einer solchen Anerkennung ist strittig. Nach Ehrenzweig (System 2 II/2, 425 f; Faistenberger in Gschnitzer Erbrecht 2 31) und der Rechtsprechung (JBl. 1948, 388; SZ 7/297) wird mit der Anerkennung der Titel geheilt, nach Weiß (aaO 354) und Koziol-Welser (aaO 305) bleibt der letzte Wille ungültig, sodaß der Anerkennungsvertrag zwischen den Beteiligten nur schuldrechtliche Wirkungen entfaltet. Selbst Kralik (aaO 129 f) sagt, daß bei Anerkennung durch alle Nachberechtigten zwar nicht der Formmangel heile, jedoch das Erbrecht des formnichtig Eingesetzten zum Zuge komme. Schließlich ist auch unbestritten, daß bei einem im Prozeß abgegebenen Anerkenntnis ohne weitere Prüfung ein Anerkenntnisurteil zu erfolgen hat (Kralik aaO 129; Weiß aaO 354). Es wurde auch schon ausgesprochen, daß die erstmalige Geltendmachung der Nichteinhaltung der Form des Notariatsaktes unter dem Gesichtspunkt einer Schenkung auf den Todesfall im Berufungsverfahren eine unzulässige Neuerung darstellt, wenn in 1. Instanz nur Willensmängel geltend gemacht wurden (Fasching IV 165; SZ 26/11). All dies spricht gegen die Ansicht Kraliks, daß Formmängel von Amts wegen wahrzunehmen seien. Alle Ausführungen der Revision, wonach der Erblasser den Zeugen gegenüber nicht ausdrücklich erklärt habe, daß der Aufsatz seinen letzten Willen enthalte, die Zeugen nicht belehrt worden seien und das Testament ungültig sei, weil der zum Testamentsvollstrecker bestellte Notar aus diesem Grunde als Zeuge ausgeschlossen gewesen sei, sind daher als Neuerungen unbeachtlich. Soweit die Kläger aber ausführen, das Testament habe nicht dem Willen des Erblassers entsprochen, gehen sie nicht von den Feststellungen der Vorinstanzen aus.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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