JudikaturJustiz6Ob569/85

6Ob569/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Mai 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Albert L***, Kaufmann, Gleisdorfergasse 8, 8010 Graz, vertreten durch Dr. Hanspeter Pausch, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Josef A, Tankstellenpächter, 8322 Studenzen 38, vertreten durch Dr. Gerald Weidacher, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wegen S 1,467.540,32 s.A. und Feststellung (Gesamtstreitwert 1,517.540,32 S), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 18. Oktober 1984, GZ. 6 R 130/84-133, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 10. April 1984, GZ. 13 Cg 175/83-24, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am 25. August 1974 kam der PKW des Klägers in der Nähe der vom Beklagten gepachteten E***-Tankstelle in Studenzen zum Stillstand. Der Wagen wurde zur Tankstelle abgeschleppt. Trotz Volltankens ließ sich das Fahrzeug nicht starten. Beim Versuch, den Motor mit Hilfe der Batterie des Wagens des Beklagten in Gang zu setzen, stellte sich heraus, daß auch der Motor dieses PKWs nicht in Betrieb gesetzt werden konnte. Diese Panne sollte dadurch behoben werden, daß Alois B Benzin aus einer offenen Kanne in den Vergaser einträufelte. Dabei geriet die Kanne in Brand; Alois B schleuderte sie weg, traf damit aber den Kläger und verletzte ihn hiebei schwer.

Der Kläger begehrte vom Beklagten zuletzt einen Betrag von S 1,467.540,32

s. A. als Ersatz der Sachschäden, der Spitals- und sonstigen Behandlungskosten, des Verdienstentganges sowie an Schmerzengeld und Verunstaltungsentschädigung und ferner die Feststellung, daß ihm der Beklagte für die künftigen Schäden aus diesem Anlaß einzustehen habe.

Nachdem das Erstgericht bereits Gutachten über die Ursache des Brandes, die Verdienstentgangshöhe und die Verletzungsfolgen eingeholt hatte, beantragte der Kläger in der Verhandlungstagsatzung am 9. Dezember 1982

(Bd. II/AS 59 f) die Vernehmung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Gefäßchirurgie über bestimmte Verletzungsfolgen mit der Behauptung, daß damit das von ihm begehrte Schmerzengeld gerechtfertigt sei. Das Erstgericht forderte mit dem in derselben Verhandlungstagsatzung gefaßten Beweisbeschluß den Kläger gemäß § 365 ZPO zum Erlag eines weiteren Kostenvorschusses von S 2.000,-- bis 30. Dezember 1982 auf, beschloß gleichzeitig aber auch die Vernehmung des Dr. Reinhard C als Zeugen darüber, ob ein bestimmter Klagsanspruch von einem Teilvergleich mitumfaßt war. Von dem vom Kläger bis dahin erlegten Vorschuß von S 20.000,-- (Bd. I, ON 43) war ein Betrag von S 3.460,-- noch nicht verbraucht. Der Kläger überwies den Kostenvorschuß von S 2.000,-- erst am 31. Mai 1983. In der darauf folgenden Verhandlungstagsatzung am 6. April 1984 wendete der Beklagte Verjährung wegen nichtgehöriger Fortsetzung des Verfahrens ein, weil der Kostenvorschuß nicht termingerecht erlegt worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren in Entsprechung der Verjährungseinrede ab.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es führte aus, der Kläger habe etwaige Rechtfertigungsgründe für die lange prozessuale Saumsal zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Es sei aber im vorliegenden Fall zu prüfen, ob der Kläger überhaupt gehalten gewesen sei, durch geeignete Prozeßhandlungen dem Verfahrensstillstand zu begegnen. Sei eine Tätigkeit des Gerichtes zu erwarten, dürfe nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß dem Kläger an der Verfolgung seines Prozeßzieles nichts gelegen wäre. Das von sich aus säumige Prozeßgericht müsse er nicht betreiben. Der durch den Nichterlag des Kostenvorschusses bewirkte Verfahrensstillstand trete erst ein, wenn alle Beweise aufgenommen worden seien, denen keine Hindernisse tatsächlicher oder rechtlicher Art entgegenstünden. Der Verfahrensstillstand sei deshalb nicht eingetreten, weil weder der Zeuge Dr. Reinhard C noch die Parteien - diese ergänzend zu einer Frage des Verdienstentganges - vernommen worden seien. Aus der Untätigkeit des Klägers könne somit auf mangelnde gehörige Prozeßfortsetzung noch nicht geschlossen werden. Angesichts der langen Prozeßdauer und der großen Abstände zwischen den einzelnen Verhandlungstagsatzungen könne selbst eine fünfmonatige Untätigkeit noch nicht als Interesselosigkeit des Klägers gedeutet werden. Daß der Akt im Register (gemäß § 391 Geo) abgestrichen worden sei, könne die Partei im allgemeinen nicht erkennen. Die Verjährungseinrede erweise sich nicht als gerechtfertigt, weshalb das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben werde. Der dagegen vom Beklagten erhobene Rekurs ist nicht berechtigt. Eine die Verjährung ausschließende gehörige Fortsetzung des Verfahrens (§ 1497 ABGB) ist nur dann nicht anzunehmen, wenn der Kläger eine ungewÄhnliche Untätigkeit an den Tag legt und damit zum Ausdruck bringt, daß ihm an der Erreichung des Prozeßzieles nichts gelegen ist. Dabei ist nicht so sehr auf die Dauer der Untätigkeit, sondern vor allem auf deren Gründe Bedacht zu nehmen (SZ 52/30 uva; Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 10 zu § 1497). Konnte der Kläger nach der Verfahrenslage eine Tätigkeit des Gerichtes erwarten, kann aus seiner Untätigkeit noch nicht der Schluß gezogen werden, daß ihn das Prozeßziel nicht mehr interessiere (SZ 46/5; Arb. 9834 uva; Schubert aaO).

Rechtliche Beurteilung

Sind - wie das im vorliegenden Fall zutrifft - noch weitere Beweise aufzunehmen (vor allem die vom Erstgericht gleichzeitig beschlossene Vernehmung eines Zeugen), tritt bis dahin der sonst mit dem Nichterlag des gemäß § 365 ZPO aufgetragenen Kostenvorschusses verbundene ruhensähnliche Verfahrensstillstand nicht ein, weil diese Beweise ungeachtet der Befristung eines dieser Beweismittel jedenfalls aufzunehmen waren (EvBl. 1957/114; König in JBl. 1976, 303 ff; Schubert aaO). Im übrigen könnte die Säumnis des Klägers auch nur die Verjährung jenes Anspruchs nach sich ziehen, auf den sich der Beweisantrag bezieht, der die Verpflichtung zum Erlag des Kostenvorschusses auslöste. Dem Gericht zweiter Instanz ist im übrigen auch darin beizupflichten, daß im Hinblick auf die wiederholte Klagserweiterung, die Dauer des Verfahrens und die langen Intervalle zwischen den einzelnen Verhandlungstagsatzungen eine Verspätung von fünf Monaten noch nicht verläßlich darauf schließen läßt, daß dem Kläger an der Erreichung seines Prozeßziels objektiv nichts mehr gelegen ist. Das gilt vor allem dann, wenn das Gericht - wie hier - nicht unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hatte, daß es das Verfahren nur über Parteiantrag fortzusetzen gedenke (8 Ob 282/82);

für eine solche Annahme findet sich im Protokoll über die Verhandlungstagsatzung am 9. Dezember 1982 kein verläßlicher Hinweis.

Die eingeklagten Forderungen sind demnach nicht verjährt. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.