JudikaturJustiz6Ob514/89

6Ob514/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Februar 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ute de D***, geboren am 15. Januar 1944 in Treuenbrietzen, wohnhaft in Ashbrooke-Sunderland, Tyne a. Wear, 22 Corby Gate, Großbritannien, vertreten durch Dr. Hans Perner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Herbert von K***, geboren am 5. April 1908, Generalmusikdirektor, Anif 268, vertreten durch Dr. Dipl.Ing. Christoph Aigner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung der Abstammung infolge Rekurses der beklagten Partei sowie Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 14. Dezember 1988, GZ 22 a R 101/88-34, womit der Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 4. November 1988, GZ 3 C 16/87-30, zum Teil zurückgewiesen wurde und der genannte Beschluß zum Teil zur Verfahrensergänzung aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Rekurs der Klägerin wird zurückgewiesen.

Dem Rekurs des Beklagten gegen Punkt 1 der angefochtenen Entscheidung wird nicht stattgegeben.

Aus Anlaß des vom Beklagten gegen Punkt 2 der Rekursentscheidung ON 30 erhobenen Rekurses wird dieser Teil der Rechtsmittelentscheidung aufgehoben und der Rekurs des Beklagten auch insoweit zurückgewiesen, als die an den Beklagten gerichtete Aufforderung bekämpft wird, einer Vorladung zur Blutabnahme Folge zu leisten.

Der Beklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist nach ihren - bisher nicht

überprüften - Prozeßbehauptungen im Jahre 1944 in einem Ort des damaligen großdeutschen Reiches, der nunmehr im Staatsgebiet der Deutschen Demokratischen Republik liegt, als uneheliches Kind geboren worden. Nach den Klagsbehauptungen habe der Beklagte der Mutter der Klägerin in der kritischen Zeit beigewohnt und sei nach den Angaben der Mutter der leibliche Vater der Klägerin. Mit ihrer am 8. Januar 1987 angebrachten Klage begehrte die Klägerin die urteilsmäßige Feststellung, daß der Beklagte ihr Vater sei.

Der Beklagte bestritt die behauptete Beiwohnung und das behauptete Abstammungsverhältnis.

Das Prozeßgericht erster Instanz hat bisher noch keinen in mündlicher Verhandlung verkündeten Beweisbeschluß gefaßt, wohl aber bereits die zu diesem Zweck aus dem Ausland zugereiste Mutter der Klägerin als Zeugin vernommen, als Hilfsbeweise Auskünfte eingeholt und im Rechtsmittelverfahren die geschiedene Frau des Beklagten als Zeugin vernehmen lassen. Formell im Rahmen einer Beweissicherung hat das Prozeßgericht auch bereits eine Blutabnahme an der Klägerin und deren Mutter zur Vorbereitung eines serologischen Sachverständigengutachtens angeordnet und durchführen lassen. Am 25. Oktober 1988 beantragte die Klägerin mit Rücksicht auf das fortgeschrittene Alter des Beklagten auch an diesem (zur Sicherung der Grundlagen eines serologischen Sachverständigengutachtens) die Blutabnahme durch einen Sachverständigen vornehmen zu lassen.

Hierauf faßte das Prozeßgericht außerhalb der mündlichen Verhandlung den Beschluß, daß zum Beweise der Unmöglichkeit der Zeugung der Klägerin durch den Beklagten die Einholung eines Blutgutachtens angeordnet und ein Sachverständiger bestellt werde, wobei außer der Klägerin und ihrer Mutter der Beklagte in die Blutuntersuchung einzubeziehen sei. Der Sachverständige wurde gebeten, die Blutabnahme beim Beklagten vorzunehmen, der Beklagte wurde aufgefordert, der Ladung zur Blutabnahme gleich einer gerichtlichen Vorladung Folge zu leisten.

Der Beklagte erhob gegen diesen Beschluß Rekurs mit dem Antrag, die vom Prozeßgericht erster Instanz angeordnete Einholung eines Blutgutachtens unter Einbeziehung des Beklagten aufzuheben. Das Rekursgericht traf in Erledigung dieses Rechtsmittels folgende Entscheidung: Es wies den Rekurs, insoweit er sich gegen den inhaltlich als Beweisbeschluß zu beurteilenden Beschluß richtete, zurück (Punkt 1). In Ansehung der an den Beklagten gerichteten Aufforderung, einer Ladung des Sachverständigen zur Blutabnahme gleich einer gerichtlichen Vorladung Folge zu leisten, hob das Rekursgericht den erstinstanzlichen Beschluß zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf (Punkt 2). Diesen beiden Aussprüchen fügte das Rekursgericht in einem dritten Punkt den Ausspruch bei, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 528 Abs 2 in Verbindung mit § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Das Rekursgericht wertete die Anordnung des "Blutgutachtens unter Einbeziehung des Beklagten" als einen gemäß § 277 Abs 4 ZPO selbständig nicht anfechtbaren Beweisbeschluß, erblickte zwar in der (gleichzeitig) an den Beklagten gerichteten Aufforderung, einer Ladung des Sachverständigen zur Blutabnahme Folge zu leisten, eine selbständig anfechtbare Verfügung, aber offenbar keine "nächstfolgende" anfechtbare Entscheidung im Sinne des § 515 ZPO. Aus Anlaß der als zulässig angesehenen Anfechtung griff das Rekursgericht von Amts wegen die Frage nach dem Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit im Sinne des § 76 c Abs 3 JN auf und erachtete dazu ergänzende Erhebungen und Feststellungen für unerläßlich. In materiellrechtlicher Beurteilung unterstellte das Rekursgericht bei seinen Ableitungen zunächst die Anwendbarkeit des § 163 Abs 1 ABGB, erachtete aber andererseits eine kollisionsrechtliche Beurteilung nach § 12 der 4. DVEheG für erforderlich und wies dabei auf die Erheblichkeit von Übergangsregelungen in einem Gesetz der Bundesrepublik Deutschland hin.

Zur Rekurszulässigkeit führte das Rekursgericht wörtlich aus:

"Da - soweit für das Rekursgericht überblickbar - eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob die Einholung eines Blutgruppengutachtens zum Beweis für das Vorliegen der Vermutung gemäß § 163 Abs 1 ABGB in Frage kommt, nicht vorliegt und überdies der Frage des anzuwendenden Rechtes für die Vaterschaftsklage bei der Geburt des klagenden Kindes im Jahre 1944 im Deutschen Reich für die Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung von erheblicher Bedeutung ist, war gemäß § 528 Abs 2 iVm § 502 Abs 4 Z 1 ZPO der Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig zu erklären."

Der Beklagte ficht die rekursgerichtliche Rekurszurückweisung (Punkt 1 des angefochtenen Beschlusses) mit einem auf Aufhebung dieser Entscheidung zielenden Abänderungsantrag, den rekursgerichtlichen Verfahrensergänzungsauftrag (Punkt 2 des angefochtenen Beschlusses) mit einem der Sache nach auf Aufhebung der erstinstanzlichen Anordnung des Sachverständigenbeweises gerichteten Abänderungsantrag an.

Die Klägerin ihrerseits bekämpft den rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß (Punkt 2 der angefochtenen Entscheidung) mit einem auf Zurückweisung des Rekurses, hilfsweise auf Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung zielenden Abänderungsantrag.

Zur Zulässigkeit der Rekurse ist zu erwägen:

Die Rechtssache ist verfahrensrechtlich eine Streitigkeit über die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind im Sinne des § 49 Abs 2 Z 1 JN. Im Falle einer urteilsmäßigen Sachentscheidung unterläge die Anrufung des Revisionsgerichtes gemäß § 502 Abs 5 ZPO keiner Beschränkung im Sinne der voranstehenden Absätze 2 bis 4. Eine vergleichbare Regelung für das Rekursverfahren fehlt. Darin kann keine systemwidrige Lücke erkannt werden, die durch Analogie zu schließen wäre (SZ 59/12 ua). Vielmehr ist den Regelungen über das Rekursverfahren die gesetzgeberische Wertung zu unterstellen, daß in den der Beschlußform unterworfenen Entscheidungsfällen, weil es sich um verfahrensrechtliche Zwischenerledigungen und sonstige Angelegenheiten handelt, in denen typischerweise keine vom allgemeinen zivilgerichtlichen Verfahren abweichenden, durch den Verfahrensgegenstand charakterisierten besonderen Fragestellungen auftreten, auch keine abweichende Regelung über die Anfechtbarkeit von Beschlüssen gerechtfertigt erschiene. Andererseits ist der Streitgegenstand nicht vermögensrechtlicher Art (§ 56 Abs 2 JN) und entzieht sich daher einer verfahrensrechtlich erheblichen Bewertung. Daraus folgt, daß Rechtsmittelbeschränkungen und Rechtsmittelzulässigkeitsvoraussetzungen, die an eine bestimmte Bewertung des Streitgegenstandes oder Beschwerdegegenstandes anknüpfen, unanwendbar bleiben, also sowohl § 528 Abs 1 Z 5 ZPO einerseits, als auch § 502 Abs 4 Z 2 ZPO (§ 528 Abs 2) andererseits. Formelhaft ausgedrückt ließe sich sagen, ein im Statusprozeß ergehender zweitinstanzlicher Beschluß hat immer einen im sogenannten Zulassungsbereich liegenden Gegenstand. Soweit keine bestätigende Rekursentscheidung (§ 528 Abs 1 Z 1 ZPO) und auch keine aufhebende Rekursentscheidung ohne Rechtskraftvorbehalt (§ 527 Abs 2) vorliegt, ist der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nur unter der Voraussetzung des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig. Die (teilweise) Zurückweisung des Rekurses gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist nur unter der Voraussetzung des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO und (Größenschluß aus § 503 Abs 2 ZPO) nur aus dem Anfechtungsgrund zulässig, daß die rekursgerichtliche Entscheidung auf der unrichtigen Lösung einer Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts beruht, der erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukommt. Es muß nun bei der Gliederung der Rekursentscheidung in drei Punkte und der Begründung für den im dritten Punkt erfolgten Ausspruch über die Bejahung der Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zweifelhaft bleiben, ob sich der erwähnte Ausspruch auch auf die im Punkt 1 der Rekursentscheidung ausgesprochene Rechtsmittelzurückweisung beziehen sollte. Da aber ein diesbezüglicher Ausspruch des Rekursgerichtes für die Beurteilung der Rekurszulässigkeit durch den Obersten Gerichtshof ohnehin nicht bindend wäre, die Anwendung des § 515 ZPO auf den gegebenen Fall der gleichzeitigen Erlassung eines abgesondert nicht anfechtbaren Beschlusses und einer als selbständig anfechtbar angesehenen Entscheidung eine nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO qualifizierte Frage des Verfahrensrechtes darstellt, die der Rechtsmittelwerber auch zum Inhalt seiner Rekursausführungen gemacht hat, kann die Frage nach einem die rekursgerichtliche Rechtsmittelzurückweisung betreffenden Ausspruch gemäß § 528 Abs 2 ZPO als unerheblich auf sich beruhen.

Der Verfahrensergänzungsauftrag nach dem Punkt 2 der angefochtenen Rekursentscheidung ist nur unter der Voraussetzung eines (nicht nachholbaren) Ausspruches nach § 527 Abs 2 ZPO anfechtbar. Einen derartigen Rechtskraftvorbehalt hat das Rekursgericht nicht ausgesprochen, sondern nur das Vorliegen der Voraussetzungen für einen solchen Ausspruch. Nach den Ausführungen zur Begründung des erwähnten Ausspruches muß dieser aber als sogenannter Rechtskraftvorbehalt verstanden werden. Das genügt aber im vorliegenden Fall noch nicht zur Annahme der Rekurszulässigkeit:

Die an eine Prozeßpartei gerichtete Aufforderung, der Vorladung eines Sachverständigen zur Vornahme der Blutabnahme zwecks Gewinnung der Grundlagen für die angeordnete Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten über die Wahrscheinlichkeit einer Abstammung der Klägerin vom Beklagten durch Vergleich der vererbungsgesetzlich erheblichen Blutmerkmale Folge zu leisten, ist als Bestandteil der Anordnung des Sachverständigenbeweises denselben Anfechtungsbeschränkungen unterworfen wie die Anordnung der Beweisaufnahme selbst.

Die Rekursausführungen des Beklagten gegen die Anordnung des Sachverständigenbeweises unter Einbeziehung seiner Person sind nicht als Weigerung im Sinne des § 7 FamRAnglV zu werten. Über eine solche Weigerung hätte das die Beweisaufnahme anordnende Gericht, im vorliegenden Fall also das Prozeßgericht erster Instanz, zu erkennen. Der sich weigernde Beteiligte hätte alle ihm im Zeitpunkt der Weigerung bekannten Gründe bei sonstigem Ausschluß vorzutragen. Dazu hat er erst nach den konkret formulierten zeitlichen, örtlichen und modalen Umständen der Beweisdurchführung volle Gelegenheit. Die erstinstanzliche Anordnung des Sachverständigenbeweises erfolgte im Sinne des Art V Z 5 des Bundesgesetzes vom 30. Oktober 1970 über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes, BGBl. Nr. 342 (ueKG) und § 183 Abs 1 Z 4 ZPO. Gegen eine solche Anordnung des Einzelrichters (§ 431 Abs 2 ZPO) ist nach § 186 Abs 2 ZPO ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Diese für erstinstanzliche Beschlüsse geltende Rechtsmittelbeschränkung gilt auch für zweitinstanzliche Entscheidungen (selbst wenn diese nach der Verfahrenslage unzulässigerweise getroffen worden wären).

Die zulässige Anfechtung des rekursgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses (Punkt 1) erfüllt aber im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die im Sinne des § 515 ZPO aufgeschobene Anfechtung.

Aus diesen verfahrensrechtlichen Erwägungen folgt:

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin gegen den rekursgerichtlichen Verfahrensergänzungsauftrag ist mangels Vorliegens eines zulässigen Rechtsmittels dieser Partei gegen eine andere zweitinstanzliche Entscheidung unzulässig.

Der Rekurs des Beklagten gegen die (teilweise) Rekurszurückweisung ist dagegen ebenso zulässig wie der Rekurs des Beklagten gegen den Verfahrensergänzungsauftrag.

Das Rechtsmittel des Beklagten ist aber im Ergebnis in keinem Punkt berechtigt:

a) Zur (teilweisen) Rekurszurückweisung (Punkt 1):

Die Anordnung des Sachverständigenbeweises durch das Prozeßgericht erster Instanz war gemäß § 186 Abs 2 ZPO (§ 431 Abs 1) nicht abgesondert anfechtbar. Dasselbe hatte aber auch für den nach der unrichtigen Ansicht des Rekursgerichtes als selbständig anfechtbar angesehenen Teil der erstgerichtlichen Anordnung zu gelten. Die bei richtiger Anwendung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen unzulässige abgesonderte Anfechtung der an den Beklagten gerichteten Aufforderung, einer Vorladung des Sachverständigen zur Blutabnahme Folge zu leisten, vermochte den aufgeschobenen Rekurs gegen die Beweisanordnung an sich nicht zu aktualisieren.

Die rekursgerichtliche Rechtsmittelzurückweisung erfolgte daher im Ergebnis zu Recht.

b) Zum Verfahrensergänzungsauftrag (Punkt 2):

Als Teil der Beweisanordnung war die an den Rechtsmittelwerber gerichtete Aufforderung, einer Vorladung des Sachverständigen zur Blutabnahme Folge zu leisten, nur insoweit anfechtbar, wie die Beweisanordnung selbst. Eine abgesonderte Anfechtung war damit nicht zulässig. Aus Anlaß des zulässigen Rekurses war dies wahrzunehmen und der Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung auch insoweit als unzulässig zurückzuweisen, als er gegen die an den Beklagten gerichtete Aufforderung gerichtet war, einer Vorladung des Sachverständigen zur Blutabnahme Folge zu leisten.

Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.