JudikaturJustiz6Ob38/64

6Ob38/64 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. April 1964

Kopf

SZ 37/45

Spruch

Gebrauchsregelung an der in die Gütergemeinschaft fallenden Liegenschaft im außerstreitigen Verfahren ist möglich.

Entscheidung vom 2. April 1964, 6 Ob 38/64. I. Instanz:

Bezirksgericht Steyr; II. Instanz: Kreisgericht Steyr.

Text

Die Parteien sind Ehegatten und auf Grund einer zwischen ihnen vereinbarten allgemeinen Gütergemeinschaft unter Lebenden je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft St., D.-Straße 8.

Der Antragsteller begehrt die Regelung der Benützung dieses Hauses durch das Gericht im außerstreitigen Verfahren und schlug gleichzeitig vor, wie diese Regelung vorgenommen werden könnte.

Die Antragsgegnerin sprach sich dagegen aus und vertrat die Auffassung, daß die zwischen ihr und dem Antragsteller bestehende Gütergemeinschaft unter Lebenden der begehrten Benützungsregelung entgegenstehe. Bis zur Beendigung der ehelichen Gütergemeinschaft liege gemeinschaftlicher Besitz vor, und es käme jede Auflassung des Besitzes einer Auflösung der Gütergemeinschaft gleich. Da aber die Auflösung einer Gütergemeinschaft nur durch Tod, Konkurs oder Scheidung der Ehe aus Verschulden des anderen Teils möglich sei, jedoch keine dieser Voraussetzungen vorliege, so finde die begehrte Benützungsregelung im Gesetz keine Deckung.

Das Erstgericht hat den Antrag auf Benützungsregelung mit der Begründung zurückgewiesen, daß sie einer faktischen Teilung der Liegenschaft und damit einer Aufhebung der vereinbarten Gütergemeinschaft gleichkomme, was aber nur im Prozeßwege erreicht werden könne. Der weitere Antrag des Antragstellers, ihm auch die Berechtigung zuzuerkennen, gemeinsam mit der Antragsgegnerin das zur ebener Erde gelegene Badezimmer zu benützen, wurde vom Erstgericht nicht erledigt, vielmehr nur in der Begründung ausgeführt, daß dem Antragsteller die Benützung dieses Badezimmers zusammen mit der Antragsgegnerin auf Grund der bestehenden Gütergemeinschaft ohnehin zustehe, weshalb sich eine Entscheidung erübrige.

Infolge Rekurses des Antragstellers wurde der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht die Entscheidung in der Sache selbst aufgetragen.

Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, daß nach herrschender Lehre und überwiegender Rechtsprechung für die Regelung der Benützung der gemeinsamen Sache durch die Miteigentümer und die rechtsgestaltende Verteilung des Wohnraumes im Hause der Außerstreitrichter zuständig sei. Hingegen seien die Voraussetzungen für den Prozeßweg dann gegeben, wenn Miteigentümer aus bereits rechtsgültig getroffenen Verfügungen oder Vereinbarungen Rechte gegen ihre Miteigentümer ableiten oder wenn sie nur auf Widerruf getroffene Vereinbarungen aufheben oder aufkundigen oder einen angeblich rechtswidrigen Eingriff in ihre Rechte durch einen Miteigentümer abwehren wollen. Ein solcher Fall sei aber hier nicht gegeben. Die zwischen den beiden Parteien bestehende Gütergemeinschaft unter Lebenden stehe der begehrten Benützungsregelung nicht entgegen, weil auf die Gütergemeinschaft unter Lebenden auch die Grundsätze des 16. Hauptstückes des ABGB. Anwendung finden würden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was zunächst die Frage anlangt, ob über die begehrte Benützungsregelung der auf Grund einer zwischen den Parteien als Ehegatten vereinbarten allgemeinen Gütergemeinschaft unter Lebenden je im Hälfteeigentum eines jeden der Parteien stehenden Liegenschaften im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist, so ist von folgenden Erwägungen auszugehen. Sowohl in der Lehre (Klang[2] III S. 1110 ff. zu § 833 ABGB.) wie auch in der Rechtsprechung (SZ. XXXIII 26, EvBl. 1957 Nr. 332 S. 517, EvBl. 1955 Nr. 307 S. 509, SZ. XIX 76, EvBl. 1953 Nr. 387 S. 491 und die dort zitierten Entscheidungen) wird bei bestehendem Miteigentum an einer Liegenschaft einheitlich der Standpunkt vertreten, daß die Aufteilung der verfügbaren Räume zur Benützung durch den einzelnen Miteigentümer oder eine Änderung dieser Aufteilung nicht zur ordentlichen Verwaltung gehört, somit nicht die Bestimmungen des § 833 ABGB. anwendbar sind, sondern daß die Aufteilung der Räume zur Benützung oder deren Abänderung sich als eine wichtige Veränderung im Sinne des § 834 ABGB. darstellt. Ist dies der Fall, so hat über den Meinungsstreit, da die Miteigentümer sich über die Entscheidung durch das Los oder den Schiedsmann nicht geeinigt haben, gemäß § 835 ABGB. der Richter im außerstreitigen Verfahren die Entscheidung zu treffen, sofern nicht eine beide Teile bindende Vereinbarung vorliegt (SZ. XXIII 208, 83, 81, SZ. XIX 199).

Nun ist im vorliegenden Fall das Miteigentum an der Liegenschaft, hinsichtlich welcher eine Benützungsregelung begehrt wird, auf Grund eines Vertrages über eine Gütergemeinschaft unter Lebenden, welche noch derzeit aufrecht besteht, entstanden. Zunächst ist zu untersuchen, ob das Wesen der Gütergemeinschaft unter Lebenden einer Benützungsregelung an einer in die Gütergemeinschaft fallenden Sache entgegensteht. Ohne nun auf die in Lehre und Rechtsprechung strittige Frage einzugehen, ob die Gütergemeinschaft ein Gesamthandeigentum oder ein normales Miteigentum begrundet (s. Schellander, ÖJZ. 1957 S. 625 und die dort zitierte Lehre und Rechtsprechung), ist zunächst davon auszugehen, daß ein Vertrag über eine Gütergemeinschaft unter Lebenden im allgemeinen nur bestimmt, daß ein Teil des Vermögens oder das ganze Vermögen, das der eine oder beide Ehegatten bei der Eheschließung hat bzw. haben oder in der Folge wie immer bis zur Auflösung der Ehe erwirbt bzw. erwerben, gemeinschaftliches Vermögen wird (Weiß in Klang[2] V S. 788 zu § 1233 ABGB.). Hingegen enthält ein derartiger Vertrag im allgemeinen keine besonderen Bestimmungen darüber, wie das Vermögen der Gütergemeinschaft, insbesondere bei Uneinigkeit der Eheleute, zu benützen ist; es sei denn, daß diesbezüglich etwas im Vertrag vereinbart wurde. Im vorliegenden Fall ergeben sich aus dem Akteninhalt nach dieser Richtung keine Anhaltspunkte. Ferner ist zu berücksichtigen, daß auf die Gütergemeinschaft unter Lebenden nicht die Bestimmungen der §§ 1234 ff. ABGB. Anwendung finden, die sich nur auf die Gütergemeinschaft auf den Todesfall beziehen, sondern die Grundsätze des 16. und 27. Hauptstückes des ABGB. (SZ. XXIV 246). Es hat daher auch der Oberste Gerichtshof im Gegensatz zu den Auffassungen von Weiß in Klang[2] V S. 790 zu § 1233 ABGB. und Ehrenzweig[2] II/2 S. 157 ausgesprochen, daß während des Bestandes der Gütergemeinschaft eine Verwalterbestellung in Analogie nach § 1241 ABGB. zulässig ist (EvBl. 1955 Nr. 43 S. 87, SZ. XXVI 138, SZ. XXIV 246, SZ. X 196), und zwar auch in der Person eines Dritten (EvBl. 1955 Nr. 43 S. 87). Nach diesen Erwägungen sind auch auf die Gütergemeinschaft unter Lebenden bei fehlender Einigung der Ehegatten hinsichtlich der Benützung der gemeinschaftlichen Sache die Bestimmungen der §§ 834 ff. ABGB. anzuwenden, soweit sie mit dem Sinn und Zweck einer Gütergemeinschaft unter Lebenden vereinbar sind, was hinsichtlich einer Benützungsregelung auf jeden Fall bejaht werden kann (s. auch Schellander a. a. O. S. 626). Es geht bei einer Benützungsregelung an einer in die Gütergemeinschaft fallenden Liegenschaft, sofern im Vertrag nicht besondere Bestimmungen über die Benützung des gemeinsamen Gutes, insbesondere bei Uneinigkeit der Eheleute, enthalten sind, nur um einen aus der Gütergemeinschaft abgeleiteten Anspruch, der gleich dem aus dem bloßen Miteigentum abgeleiteten Anspruch eine bestimmte Art der Benützung, welche dann im Prozeßwege durchsetzbar wäre, nicht begrundet (s. in diesem Zusammenhang MietSlg. 8536, 8538, 8547).

Die Entscheidung EvBl. 1957 Nr. 131 S. 184 spricht zwar aus, daß bei einer Gütergemeinschaft über die Gebrauchsregelung, welche einer faktischen Teilung gleichkomme, nicht im außerstreitigen, sondern im streitigen Verfahren zu entscheiden sei; sie folgert dies aber nur aus § 1 AußStrG., ohne sich aber mit den Bestimmungen der §§ 834 ff. ABGB. auseinanderzusetzen, und vermag deshalb nicht zu überzeugen.

Den Ausführungen im Revisionsrekurs ist aber entgegenzuhalten, daß durch eine im außerstreitigen Verfahren getroffene Benützungsregelung nichts an der Gütergemeinschaft geändert wird, denn es bleibt nach wie vor die Liegenschaft gemeinschaftliches Gut und es hat lediglich der Außerstreitrichter mit Rücksicht auf die Uneinigkeit der Ehegatten über die Art der Benützung dieser Liegenschaft eine rechtsgestaltende Verfügung getroffen, deren rechtliche Notwendigkeit sich daraus ergibt, daß sonst eine geordnete Benützung der Liegenschaft nahezu unmöglich geworden wäre.

Es hat daher das Rekursgericht zu Recht den erstinstanzlichen Zurückweisungsbeschluß aufgehoben, und es erweist sich der dagegen von der Antragsgegnerin erhobene Revisionsrekurs als nicht begrundet.

Da aber der Akteninhalt Anhaltspunkte dafür gibt, daß es sich bei den Räumen der Liegenschaft, hinsichtlich welcher eine Benützungsregelung begehrt wird, um Räume handelt, die dem Zwecke der Ehewohnung gewidmet sind, so wird das Erstgericht zunächst nach dieser Richtung den Sachverhalt zu klären haben. Es würde nämlich der Umstand, daß die Ehe der Parteien nicht geschieden ist, der begehrten Benützungsregelung dann entgegenstehen, wenn diese die Ehewohnung betrifft. Würde nämlich in diesem Falle dem Antrag Folge gegeben werden, so würde das im Ergebnis einer Bewilligung des abgesonderten Wohnortes bei bestehender Ehe und außerhalb eines Ehescheidungsverfahrens gleichkommen. Eine solche Regelung wäre mit den Bestimmungen der §§ 92, 93 ABGB. unvereinbar, wonach die Ehegatten während des Bestandes der Ehe zur Aufnahme und Aufrechterhaltung der Wohngemeinschaft nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet sind.