JudikaturJustiz6Ob254/12i

6Ob254/12i – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Dr. Georg Fialka, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Mag. Judith Morgenstern, Rechtsanwältin in Wien, wegen 114.951,83 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 18. Oktober 2012, GZ 21 R 173/12g 19, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Schwechat vom 2. Mai 2012, GZ 3 C 109/12y 13, ersatzlos aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 2.200,86 EUR (darin 366,81 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger, der zum Unfallszeitpunkt Dienstnehmer der Beklagten war, macht Ansprüche aus dem Titel des Schadenersatzes geltend. Er sei auf dem Weg zur Arbeit in einem Parkhaus aufgrund einer schadhaften Treppe zu Sturz gekommen und habe sich verletzt. In diesem von der Beklagten angemieteten Parkhaus habe er über einen Abstellplatz für seinen PKW verfügt, wobei die Beklagte das von ihm hiefür zu zahlende Mietentgelt unmittelbar von seinem Lohn abgezogen habe. Er stütze seine Ansprüche nicht auf das (vormalige) Dienstverhältnis, sondern ausschließlich auf das zwischen den Parteien bestandene Bestandverhältnis.

Die Beklagte erhob eine „Unzuständigkeitseinrede“, handle es sich doch um eine Arbeitsrechtssache im Sinn des § 50 Abs 1 ASGG. Das zu Unrecht angerufene Landesgericht Korneuburg „als allgemeines Zivilgericht“ habe die Klage daher „zurückzuweisen“.

Daraufhin beantragte der Kläger die Überweisung der Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Schwechat als das für die vorliegende Bestandstreitigkeit zuständige Gericht.

Das Landesgericht Korneuburg sprach seine Unzuständigkeit aus und überwies die Rechtssache gemäß § 261 Abs 6 ZPO an das Bezirksgericht Schwechat; zwischen den Parteien habe zum Unfallszeitpunkt ein Mietverhältnis bestanden. Es könne zwar auch eine Zuständigkeit des Arbeits und Sozialgerichts nicht ausgeschlossen werden; eine „falsche Gerichtsbesetzung“ habe die Beklagte jedoch nicht geltend gemacht, sodass auch nicht nach § 37 ASGG vorzugehen gewesen sei.

In weiterer Folge erklärte sich das Bezirksgericht Schwechat für sachlich unzuständig und überwies die Rechtssache gemäß § 38 Abs 2 ASGG an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Korneuburg als Arbeits und Sozialgericht zurück. Im ursprünglichen Überweisungsbeschluss sei nicht abschließend über die Frage abgesprochen worden, ob es sich um eine Arbeitsrechtssache handelt; tatsächlich liege aber eine solche vor, habe doch zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden, sei der Kläger zum Unfallszeitpunkt auf dem Weg in die Arbeit gewesen und wäre schließlich das Bestandverhältnis betreffend den Abstellplatz ohne Arbeitsverhältnis „sicherlich in dieser Form nicht zustande gekommen“.

Das Rekursgericht hob über Rekurs des Klägers diesen Beschluss ersatzlos auf und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu; es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob nach rechtskräftigem Unzuständigkeitsausspruch eines Gerichts eine Rücküberweisung gemäß § 38 Abs 2 ASGG an dieses Gericht zulässig ist.

In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht die Auffassung, beide Parteien hätten den Überweisungsbeschluss an das Bezirksgericht Schwechat gegen sich gelten lassen, wodurch eine Heilung der Unzuständigkeit iSd § 38 Abs 2 ASGG eingetreten sei. Eine neuerliche Überweisung an das Landesgericht Korneuburg sei es auch als Arbeits und Sozialgericht komme damit nicht in Betracht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Der Kläger rief im vorliegenden Verfahren zunächst das Landesgericht Korneuburg mit der Begründung an, er mache keine Ansprüche aus dem früheren Dienstverhältnis mit der Beklagten geltend, sondern stütze sich auf das zwischen ihnen bestandene Bestandverhältnis.

1.1. Entscheidend für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs weil ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wurde waren das Klagebegehren und die Klagebehauptungen; ohne Bedeutung war dagegen, was die Beklagte einwendete oder ob der behauptete Anspruch auch begründet ist (stRsp; etwa 9 ObA 502/88 Arb 10.749; 9 ObA 307/93 ARD 4570/40/94; 9 ObA 158/05h Arb 12.594; RIS Justiz RS0045584). Die Frage, ob eine Arbeitsrechtssache iSd § 50 ASGG vorliegt oder nicht und ob die Rechtssache in der Gerichtsbesetzung nach § 11 ASGG zu verhandeln und zu entscheiden ist, wäre vom angerufenen Gericht von Amts wegen zu prüfen gewesen. Dies hat das Landesgericht Korneuburg hier nicht getan, auch wenn es die Problematik ganz offensichtlich erkannt hat.

1.2. Ist eine Partei der Auffassung, dass dasjenige Gerichtsorgan, das die Sache behandelt, nicht dazu berufen ist, ist das Verfahren nach § 37 Abs 3 ASGG durchzuführen (9 Ob 40/05f ÖJZ LSK 2006/10; RIS Justiz RS0120142; Neumayr in ZellKomm² [2011] § 50 ASGG Rz 5). Die Beklagte hat sich hier (trotz unrichtiger Antragstellung) erkennbar auf das Vorliegen einer Arbeitsgerichtssache berufen. Dennoch hat das Landesgericht Korneuburg nicht ein derartiges Verfahren zur Klärung der richtigen Gerichtsbesetzung durchgeführt, sondern die Rechtssache auf Antrag des Klägers nach § 261 Abs 6 ZPO an das Bezirksgericht Schwechat überwiesen.

2. Da weder der Kläger noch die Beklagte diesen Überweisungsbeschluss bekämpften, kann die Frage auf sich beruhen, ob bei der gegebenen Konstellation nicht allenfalls trotz des Rechtsmittelausschlusses des § 261 Abs 6 Satz 5 ZPO eine Anfechtung der Überweisung in Betracht gekommen wäre (vgl die bei G. Kodek in Fasching/Konecny , ZPO² [2004] § 261 Rz 173 erwähnten Ausnahmefälle), wovon offensichtlich das Rekursgericht ausgegangen ist. Jedenfalls ist aber zu berücksichtigen, dass weder bei einer Unzuständigkeitseinrede des Beklagten noch bei einer amtswegigen Zuständigkeitsprüfung durch das Gericht ein abermaliger Ausspruch der Unzuständigkeit auf Tatsachen gestützt werden darf, aus denen sich die Zuständigkeit des überweisenden Gerichts ergeben würde (RIS Justiz RS0040263; ebenso G. Kodek aaO Rz 175 ff). Daran ändert auch § 38 Abs 2 ASGG nichts, ist dieser doch nur anzuwenden, wenn die Überweisung der Rechtssache an ein anderes Gericht mit der Begründung vorgenommen wird, dass das andere Gericht, an das überwiesen wird, als Arbeits und Sozialgericht zuständig ist (9 Ob 23/10p); hier wurde aber an das Bezirksgericht Schwechat überwiesen.

3. Das Landesgericht Korneuburg hat sich in seinem Überweisungsbeschluss ausdrücklich für sachlich unzuständig erklärt. Nach § 46 Abs 1 JN ist dieser Ausspruch für jedes Gericht bindend, bei welchem die Rechtssache in der Folge anhängig wird, also hier für das Bezirksgericht Schwechat. Dieses durfte somit nicht aussprechen, dass das ursprünglich angerufene Gericht zuständig gewesen wäre ( Mayr in Rechberger , ZPO³ [2006] § 46 JN Rz 1). Dass das Landesgericht Korneuburg nunmehr als Arbeits und Sozialgericht zuständig gemacht werden sollte, ändert daran nichts. Dies ist lediglich eine Frage der Besetzung des Gerichtshofs; Bezirksgericht Schwechat und Landesgericht Korneuburg stehen zueinander aber im Verhältnis sachlicher (Un )Zuständigkeit.

4. Dem Revisionsrekurs war damit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
4