JudikaturJustiz6Ob233/00h

6Ob233/00h – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Mai 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei minderjähriger Florian H*****, bisher vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, 1200 Wien, Brigittaplatz 10, im Revisionsverfahren nicht vertreten, gegen die beklagte Partei Rade V*****, vertreten durch Dr. Elisabeth Rech, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterhalt, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 30. März 2000, GZ 44 R 465/99d-32, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 24. Februar 1999, GZ 16 C 18/98g-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der am 11. 2. 1994 in Wien geborene Kläger wächst bei seiner Mutter in Österreich auf. Er hatte zunächst die österreichische Staatsbürgerschaft. Nach erfolgreicher Bestreitung der ehelichen Geburt ist er Staatsbürger der Bundesrepublik Jugoslawien. Der Beklagte wohnt und arbeitet in der Schweiz. Er ist ebenfalls Staatsbürger der Bundesrepublik Jugoslawien.

Mit am 27. 1. 1998 eingebrachter Klage begehrte der minderjährige Kläger die Feststellung der Vaterschaft des Beklagten und die Zuerkennung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von 3.050 S ab seiner Geburt.

Der Vater beantragte die Abweisung der Klage. Er bestritt seine Vaterschaft und wendete zudem ein, dass der begehrte Unterhaltsbeitrag überhöht sei.

Das Erstgericht stellte den Beklagten als Vater des Klägers fest und verpflichtete ihn zur Zahlung folgender monatlicher Unterhaltsbeiträge:

Vom 17. 11. 1995 bis 31. 12. 1995 zu 3.050 S, vom 1. 1. 1996 bis 10. 5. 1996 zu 2.800 S, vom 11. 5. 1996 bis 31. 7. 1996 zu 2.000 S, vom 1. 8. 1996 bis 31. 12. 1996 zu 2.200 S, vom 1. 1. 1997 bis 6. 2. 1997 zu 2.800 S, vom 7. 2. 1997 bis 31. 8. 1997 zu 2.500 S, vom 1. 9. 1997 bis 30. 11. 1997 zu 1.700 S, vom 1. 12. 1997 bis 31. 12. 1997 zu 1.600 S und ab 1. 1. 1998 zu 1.700 S. Das Mehrbegehren wies es ab. Die Staffelung der zuerkannten Unterhaltsbeiträge entspreche den jeweils aktuellen Einkünften und Sorgepflichten des Beklagten sowie der Altersstufe des Klägers.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses vom Beklagten insoweit bekämpfte Urteil, als die Unterhaltsverpflichtung "um 2 % der Bemessungsgrundlage zu hoch angesetzt wird". Es traf ergänzende Feststellungen über das betreibungsrechtliche Existenzminimum nach der schweizerischen Rechtslage und führte aus, die höheren durchschnittlichen Verbrauchsausgaben in der Schweiz seien nicht entscheidend, weil das festgestellte betreibungsrechtliche Existenzminimum des Beklagten durch die vom Erstgericht festgesetzten Unterhaltsbeiträge nicht unterschritten werde.

Seinen ursprünglichen Ausspruch, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, änderte das Berufungsgericht auf Antrag des Beklagten gemäß § 508 ZPO mit Beschluss vom 23. 6. 2000 dahin ab, dass es die ordentliche Revision für zulässig erklärte, weil die Frage der Heranziehung des Existenzminimums am jeweiligen Aufenthaltsort eines Unterhaltspflichtigen zur Ermittlung der Belastbarkeitsgrenze und die Berücksichtigung höherer Lebenshaltungskosten des Unterhaltspflichtigen von grundsätzlicher Bedeutung sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch mangels erheblicher Rechsfrage unzulässig.

Nach dem von Österreich (und auch der Schweiz) ratifizierten Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht (Haager Unterhaltsstatutübereinkommen, BGBl 1961/293) bestimmt das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes (hier: Österreich), ob, in welchem Ausmaß und von wem das Kind Unterhaltsleistungen verlangen kann (Art 1 Abs 1). Das berufene Sachrecht beherrscht den Unterhaltsanspruch in jeder Hinsicht; es bestimmt den Unterhaltsschuldner, den Umfang und sämtliche

Voraussetzungen des Anspruches (RIS-Justiz RS0106532; 6 Ob 285/97y =

ZfRV 1998, 35 = ÖA 1998, 173; 10 Ob 2416/96h = ZfRV 1997/118 = ÖA

1998, 26 ua). Da das Übereinkommen stets anzuwenden ist, wenn das maßgebliche Recht das eines Vertragsstaates ist (wie hier das österreichische Recht), spielt es keine Rolle, dass Jugoslawien dem Übereinkommen nicht angehört (1 Ob 98/97 = ZfRV 1997, 204 = ÖA 1998, 115; 7 Ob 290/00y je mwN).

Nach § 140 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Kriterien der Unterhaltsbemessung sind die Bedürfnisse des Berechtigten und die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten. Die im vorliegenden Fall vorzunehmende Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Vaters ist somit als Bemessungsfrage nach österreichischem Recht zu beurteilen. Auch die Belastbarkeitsgrenze bestimmt sich daher nach österreichischem Recht, wonach nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes als Richtsatz hiefür die im § 291b EO und der Exekutionsminimumverordnung 1996 für die Vollstreckung gesetzlicher Unterhaltsansprüche normierten Pfändungsgrenzen heranzuziehen sind, diese jedoch bei Bedarf zumindest dort, wo dem Kind ein zur Ergänzung fähiger, subsidiär zur Deckung verpflichteter Elternteil zur Verfügung steht, in den Grenzen des § 292b EO unterschritten werden dürfen. Demnach hat dem Verpflichteten nur der Betrag zu verbleiben, der zur Erhaltung seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit notwendig ist. Bei der Festlegung des unpfändbaren Freibetrages besteht ein den Gerichten überlassener Ermessensspielraum. Nach den Bestimmungen der EO haben Unterhaltsforderungen jedenfalls Priorität. Ein pflichtbewusster Unterhaltspflichtiger würde seine Kinder auch an kärglichen Einkommensverhältnissen teilhaben lassen und eine Alimentierung nicht verweigern (6 Ob 97/00h = ÖA 2000, 215; 6 Ob 211/00y je mwN).

Abgesehen davon, dass sich das für den Beklagten aktuelle betreibungsrechtliche Existenzminimum nach schweizerischem Recht nicht ohne weiteres auf die vom Berufungsgericht vorgenommene Art ermitteln lässt, weil kantonale Unterschiede bestehen und verschiedene Zuschläge zum Grundbetrag (Mietzins, Heizungskosten usw) vorgesehen sind, ist es für die hier vorzunehmende Unterhaltsbemessung auch nicht ausschlaggebend. Im Übrigen wird auch in der Schweiz die Ansicht vertreten, dass zu Gunsten des Unterhaltsgläubigers bei Lohnpfändungen zur Deckung dessen Notbedarfes in das Existenzminimum des Schuldners eingegriffen werden kann (BGE 111 III 15; Hegnauer, Das Familienrecht, Rz 64 zu Art 289 Schweizerisches Zivilgesetzbuch).

Die Maßgeblichkeit österreichischen Rechts für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des im Ausland lebenden Unterhaltspflichtigen schließt allerdings nicht aus, unter Umständen dessen Lebenshaltungskosten an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort zu berücksichtigen (10 Ob 2416/96h). Der Vater hat jedoch im Verfahren erster Instanz gar nicht behauptet, dass ihn in der Schweiz höhere Lebenshaltungskosten als einen in Österreich lebenden Unterhaltspflichtigen träfen und insoweit keinen rechtsverhindernden Sachverhalt geltend gemacht. Ohne nähere Kenntnis der konkreten Lebenssituation des Vaters an seiner Wohn- und Arbeitsstätte, wozu er - mit Ausnahme seines Einkommens und seiner Sorgepflichten - überhaupt nichts vorgebracht hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Auslagen des täglichen Lebens für den Beklagten schon allein deshalb höher sein müssten als in Österreich, weil - nach Ansicht des Beklagten - das Preisniveau für existenznotwendige Bedürfnisse in der Schweiz generell höher sei als in Österreich. Überdies ist der Revisionsantrag derart unbestimmt, dass unklar bleibt, inwieweit die Anfechtung reicht und die zuerkannten Unterhaltsbeiträge bereits in Rechtskraft erwuchsen.

Da die Unterhaltsbemessung von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles abhängig ist, die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage hier nicht beantwortet zu werden braucht und auch die Revision keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen vermag, war sie als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtssätze
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