JudikaturJustiz6Ob212/14s

6Ob212/14s – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Dezember 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** H*****, vertreten durch Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, gegen die beklagte Partei J***** W***** e.U. Inh. E***** W*****, vertreten durch Dr. Norbert Winkler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung und 870 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. Oktober 2014, GZ 4 R 293/14p 9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Gegenstand dieses Verfahrens ist unter anderem ein Räumungsbegehren infolge Auflösung eines Bestandvertrags iSd § 49 Abs 2 Z 5 JN und des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts, das die ordentliche Revision nicht zugelassen hat, steht deshalb das Rechtsmittel der außerordentlichen Revision auch ohne nachträgliche Zulassung nach § 508 Abs 3 ZPO zu. Sowohl die Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht als auch der Antrag der Beklagten auf Zulassung der ordentlichen Revision erweisen sich somit als überflüssig.

2. In der Zustellung einer Räumungsklage ist auch eine Einmahnung iSd § 1118 ABGB zu erblicken, sofern darin die Mietzinsschuld hinreichend konkretisiert ist (RIS Justiz RS0021229 [T6]). Im vorliegenden Fall waren zum Zeitpunkt der Klagseinbringung die Mieten für den Zeitraum Februar 2013 bis März 2014 nicht bezahlt, somit ein hinreichender Auflösungsgrund gegeben.

3. Da maßgebender Zeitpunkt für die Prüfung des Vorliegens von Auflösungsgründen nicht der Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz, sondern der Zeitpunkt des Zugangs der Auflösungserklärung beziehungsweise der Klagseinbringung ist (vgl die Nachweise bei Riss in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.00 [2010] § 1118 Rz 5), kann die nachträgliche Beseitigung des Auflösungsgrundes grundsätzlich nicht zum Wiederaufleben des wirksam aufgelösten Bestandverhältnisses führen ( Riss aaO).

4. Bezahlt wie hier der Mieter vor Schluss der Verhandlung den geschuldeten Betrag, kann er damit die an sich berechtigte Vertragsbeendigung zwar abwenden, Voraussetzung ist aber, dass ihn kein grobes Verschulden am Zahlungsrückstand trifft (§ 33 MRG); die Behauptungs und Beweislast trifft insoweit den Mieter (8 Ob 47/03z wobl 2005/30 [ Dirnbacher ]; 10 Ob 47/04s immolex 2005/20 [ Iby ]).

4.1. Das Berufungsgericht hat die Frage des groben Verschuldens unter Hinweis darauf nicht näher geprüft, dass die Beklagte bei Schluss der Verhandlung erster Instanz am 22. 7. 2014 ohnehin mit der Miete für Juli 2014 in Verzug gewesen, tatsächlich also nicht den gesamten Rückstand beglichen habe. Richtig ist dabei zwar, dass unter geschuldetem Betrag iSd § 33 Abs 2 und 3 MRG nicht nur der bereits in der Vertragsaufhebung nach § 1118 ABGB geltend gemachte Rückstand zu verstehen ist, sondern alle bis zum Schluss der Verhandlung fällig gewordenen Mietzinse (6 Ob 532/92; 9 Ob 14/04f). Zum einen müssen dann aber auch die später aufgelaufenen Rückstände die Qualifikation des § 1118 zweiter Fall ABGB haben (4 Ob 1538/89), zum anderen dürfen nicht im Lauf des Verfahrens einmal sämtliche Rückstände abgedeckt worden sein (7 Ob 1502/89; 1 Ob 574/95).

Beide Fälle sind hier nicht gegeben: Am 22. 7. 2014 lagen die Voraussetzungen des § 1118 zweiter Fall ABGB hinsichtlich der Juli-Miete noch nicht vor; außerdem waren mit Ablauf des Monats Juni 2014 sämtliche bis dahin bestehenden Rückstände beglichen. Die Beklagte hat somit den geschuldeten Betrag iSd § 33 MRG bezahlt gehabt.

4.2. Dennoch ist Prozessgegenstand weiterhin die Frage, ob hinsichtlich der den Gegenstand der Räumungsklage bildenden Mietzinse ein qualifizierter Rückstand vorlag, und bejahendenfalls (vgl 2. ), ob die Beklagte daran ein grobes Verschulden traf (4 Ob 1538/89).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen befand sich die beklagte Mieterin im Jahr 2013 aufgrund gesundheitlicher Probleme deren Inhaberin in finanziellen Schwierigkeiten; dass diese auch noch im Jahr 2014 bestanden hätten, behauptete die Beklagte hingegen nicht. Ebenso wenig brachte sie Gründe dafür vor, weshalb sie aufgrund der Mahnschreiben im Februar und Anfang März 2014 die offenen Mietzinszahlungen nicht bereits vor Klagseinbringung am 25. 3. 2014 nachzahlte. Im Übrigen hatte die Beklagte bereits im Jahr 2012 die vereinbarten Mietzinse nur sehr schleppend und aufgrund von Mahnungen und Nachfristsetzungen bezahlt; einen Grund hiefür hat sie im Verfahren erster Instanz nicht dargetan.

Da nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei der Beurteilung des Verschuldens des säumigen Mieters auch dessen Zahlungsverhalten vor dem Räumungsprozess zu berücksichtigen ist (RIS Justiz RS0069316 [T2, T7, T13]), teilt der erkennende Senat die Auffassung des Erstgerichts, das von grobem Verschulden der Beklagten ausgegangen ist. Die Beklagte kommt in ihrer außerordentlichen Revision darauf auch nicht (mehr) zurück.

5. Lagen aber bei Klagseinbringung die Auflösungsgründe des § 1118 zweiter Fall ABGB vor und wurden sie auch durch die während des Verfahrens erfolgten Zahlungen der Beklagten nicht beseitigt, haben die Vorinstanzen dem Räumungsbegehren zutreffend stattgegeben, ohne dass es auf die in der außerordentlichen Revision relevierte Frage ankommt, ob der Verzug mit der Juli-Miete neuerlich einen Auflösungsgrund darstellte. Die von der Beklagten erwähnte Rechtsprechung, die bei weiteren Mietzinsrückständen während des Räumungsverfahrens ausführt, diese könnten das Räumungsbegehren (nur) rechtfertigen, wenn sie wenigstens zu irgendeinem Zeitpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens qualifiziert im Sinne des § 1118 zweiter Fall ABGB waren (aus jüngerer Zeit etwa 8 Ob 83/13h; vgl auch 8 Ob 92/11d ), hat nämlich zur Voraussetzung, dass „das Räumungsbegehren im Zeitpunkt der Klagszustellung nicht berechtigt“ gewesen war; diese Rechtsprechung ist somit hier nicht einschlägig.

Rechtssätze
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