JudikaturJustiz6Ob203/98s

6Ob203/98s – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Oktober 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kellner, Dr. Schiemer, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Lothar K*****, vertreten durch den Sachwalter Ferdinand S*****, vertreten durch Dr. Herwig Mayrhofer ua Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei Otto W*****, vertreten durch Winkler-Heinzle Rechtsanwaltspartnerschaft in Bregenz, wegen 81.108,-- S, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 3. März 1998, GZ 3 R 50/98w-32, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 19. September 1997, GZ 4 C 782/96a-22, abgeändert und die Klage gänzlich abgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 6.086,40 S (darin 1.014,40 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Beklagte räumte im Jahr 1984 in einem Notariatsakt dem Kläger das lebenslängliche und unentgeltliche Fruchtgenußrecht an seiner Liegenschaft mit darauf befindlichem Haus ein. Im Notariatsakt wurde ua folgendes vereinbart:

"Die Kosten der notwendigen laufenden Erhaltungsarbeiten am Haus sowie die Kosten der öffentlichen Abgaben und der laufenden Versicherungsprämien (Feuer, Wasser, Haftpflicht) werden vom Hauseigentümer und von Lothar K***** je zur Hälfte getragen. Die Kosten von größeren Reparaturen - soweit es sich um ernste Schäden am Haus handelt - werden vom Hauseigentümer zur Gänze bezahlt. Jene Reparaturen und Erhaltungsarbeiten, welche die von Herrn K***** benützten Räumlichkeiten des Hauses betreffen, sind jedoch von Lothar K***** auf seine Kosten alleine durchzuführen, soweit es sich nicht um Schäden am Haus handelt. Die gemeinsam zu bezahlenden Erhaltungsarbeiten sind nur im Einvernehmen zwischen dem Hauseigentümer und Herrn K***** durchzuführen".

Die im Haus befindliche Heizungsanlage ist zur Gänze defekt geworden. Eine Reparatur wäre nicht wirtschaftlich. Ein neuer Feststoffheizkessel kostet 81.108 S.

Der Kläger begehrt mit der am 30. 10. 1996 beim Erstgericht eingelangten Klage die angeführten Kosten eines neuen Feststoffheizkessels (hilfsweise wird die Bezahlung der Hälfte der Kosten begehrt). Der Betrieb der funktionsuntüchtig gewordenen alten Anlage sei behördlich untersagt worden. Der Beklagte verweigere jegliche Kostenbeteiligung, obwohl diese nach der getroffenen Vereinbarung nicht zweifelhaft sein könne. Bei der Erneuerung der Heizungsanlage handle es sich um "eine größere Reparatur", deren Kosten der Beklagte vereinbarungsgemäß zur Gänze zu tragen habe, jedenfalls aber um eine "notwendige Erhaltungsarbeit am Haus", von der der Beklagte die Hälfte der entstandenen Kosten zu tragen habe.

Der Beklagte bestritt das Klagevorbringen und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Anläßlich des Notariatsaktes sei ausdrücklich vereinbart worden, daß die Kosten der Erhaltung der Heizungsanlage nicht vom Beklagten zu tragen seien. Der Beklagte wandte eine Gegenforderung von 40.000 S ein. Er habe die Versicherungen und die Grundsteuer seit 1985 alleine getragen, obwohl diese Kosten von den Parteien je zur Hälfte zu tragen gewesen wären. Der Beklagte begehrte den Rückersatz der Hälfte der von ihm ausgelegten Kosten.

Das Erstgericht sprach nach Berichtigung seines Urteils aus, daß die Klageforderung mit 69.157,95 S und die eingewandte Gegenforderung mit 11.950,50 S zu Recht bestünden. Es verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 57.207 S und wies das Mehrbegehren von 11.950,50 S ab. Das Erstgericht traf die auf den S 4 bis 12 in ON 22 ersichtlichen Feststellungen, insbesondere auch über die näheren Umstände, die zum Abschluß des Fruchtgenußvertrages führten und gelangte zur Auffassung, daß die Parteien im Notariatsakt vereinbart hätten, daß der Beklagte die Kosten der Reparatur oder Erneuerung der Heizanlage allein zu tragen hätte. Der Beklagte könne aber die nicht länger als drei Jahre zurückliegenden Versicherungsbeträge, die er bezahlt habe, zur Hälfte vom Kläger zurückverlangen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren gänzlich ab. Es beurteilte den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt rechtlich im wesentlichen dahin, daß die Parteien eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarung über die Erhaltungspflicht des Fruchtgenußobjektes getroffen hätten. Nach dem Notariatsakt seien die Kosten von größeren Reparaturen zur Gänze vom Hauseigentümer zu bezahlen. Die Vertragsbestimmung könne nur so ausgelegt werden, daß der Hauseigentümer auch zur Durchführung von größeren Reparaturen, soweit es sich um ernste Schäden am Haus handle, verpflichtet sei. Selbst wenn der Beklagte zur Bezahlung der Kosten eines neu anzuschaffenden Feststoffheizkessels verpflichtet wäre, könne der Kläger aber nur die Installation und den Anschluß eines solchen Heizkessels verlangen, nicht aber schon den Aufwand hiefür, wenn der Kläger diesen Aufwand noch nicht selbst getragen habe. Solange der Kläger die Anschaffung nicht selbst in Auftrag gegeben habe, könne er nicht als Geschäftsführer ohne Auftrag angesehen werden, sodaß ihm auch kein Ersatzanspruch im Sinne des § 1036 ABGB zustehe. Auf den vorliegenden Fall sei § 1097 ABGB analog anzuwenden. Solange der Geschäftsführer ohne Auftrag den Aufwand noch nicht getätigt habe, stehe ihm ein Ersatzanspruch nicht zu. Daß der Kläger für die Feststoffheizanlage bereits 81.108 S bezahlt habe, sei nicht einmal behauptet worden. Dieselben Erwägungen wären auch für das Eventualbegehren maßgeblich (das ist der Anspruch auf Ersatz der Hälfte der Kosten, gestützt auf den Vertragspassus, wonach notwendige Erhaltungsarbeiten am Haus von den Parteien je zur Hälfte zu tragen seien).

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es fehle eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob ein Fruchtgenußberechtigter gegenüber dem Eigentümer Anspruch auf Vorschußleistung für Erhaltungsarbeiten habe.

Mit seiner Revision beantragt der Kläger die Abänderung dahin, daß der Klage stattgegeben werde, hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber rügt als Mangelhaftigkeit des Verfahrens und auch als unrichtige rechtliche Beurteilung, daß das Berufungsgericht unter Verstoß gegen das Neuerungsverbot einen Geldanspruch des Klägers auf Ersatz der Kosten der notwendigen, aber noch nicht durchgeführten Erhaltungsarbeiten verneint habe. Einen entsprechenden Einwand habe der Beklagte erstmalig in der Berufung erhoben. Als weitere Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird eine Verletzung des Überraschungsverbotes gerügt. Das Berufungsgericht hätte die Frage der Fälligkeit mit den Parteien erörtern und ihnen Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen geben müssen.

Ein Verstoß gegen das Neuerungsverbot kann nur dann vorliegen, wenn anspruchsbegründende oder anspruchsvernichtende oder hemmende Tatsachen erstmalig im Berufungsverfahren vorgetragen und vom Berufungsgericht berücksichtigt werden. Die Frage der Fälligkeit einer Forderung auf Ersatz des Deckungskapitals für eine noch nicht durchgeführte Reparatur oder Erhaltungsarbeit ist hier jedoch eine reine Rechtsfrage, weil sie sich nach den schon im Verfahren erster Instanz vorgetragenen Sachverhaltsbehauptungen und den dazu getroffenen Feststellungen beurteilen läßt. Der Kläger stützte seinen Anspruch auf den Fruchtgenußvertrag und - was zwanglos unterstellt werden kann - auf die gesetzlichen Regelungen über das Fruchtgenußrecht. Das Gesetz regelt die Erhaltungspflicht der dienstbaren Sache in den §§ 513 bis 517 ABGB. Bauführungen, die durch das Alter des Gebäudes notwendig werden, besorgt der Eigentümer auf seine Kosten über Anzeige des Fruchtnießers. Zur notwendigen Bauführung sind weder der Eigentümer noch der Fruchtnießer ohneweiteres verpflichtet, sie sind lediglich dazu berechtigt, und zwar der Eigentümer vor dem Fruchtnießer (SZ 60/28). Nur wenn der Eigentümer die Bauführung unterläßt, ist der Fruchtnießer zur Bauführung berechtigt und kann nach geendigter Fruchtnießung, gleich einem redlichen Besitzer, den Ersatz fordern. Das Gesetz sieht einen Geldanspruch des Fruchtnießers erst nach Beendigung des Rechtsverhältnisses und keinesfalls schon vor der tatsächlichen Durchführung der Erhaltungsarbeiten vor. Auf das Gesetz kann der Kläger daher eine Vorschußpflicht des Beklagten nicht gründen. Nichts anderes ergebe sich - wie das Berufungsgericht richtig ausführte - wenn man auf den vorliegenden Fall die gesetzliche Regelung für Bestandverhältnisse analog anwendet. Der Bestandnehmer kann die dem Vermieter obliegenden Arbeiten selbst durchführen. Er wird gemäß § 1097 ABGB als Geschäftsführer ohne Auftrag behandelt. Dieser hat vor Durchführung der Ausbesserungsarbeiten keinen Geldanspruch. Eine Vorschußpflicht des Beklagten könnte nur auf den Fruchtgenußvertrag gestützt werden. Das Berufungsgericht hat den Vertrag entgegen dem Standpunkt des Klägers ausgelegt und eine Vorschußpflicht verneint. Die Revision zeigt nicht ausreichend auf, gegen welche Auslegungsgrundsätze verstoßen worden sein sollte und weshalb das Auslegungsergebnis so unvertretbar wäre, daß aus Gründen der Rechtssicherheit und der Einzelfallgerechtigkeit von einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ausgegangen werden müßte. Der Kläger beschränkt sich zur Vertragsauslegung nur auf den Hinweis, es sei vereinbart worden, daß die Kosten von größeren Reparaturen "vom Eigentümer zur Gänze bezahlt" werden. Dieser Vertragstext allein läßt aber die Frage, wann die Zahlung des Beklagten erfolgen müßte, völlig offen, sodaß daraus allein die angestrebte Vorschußpflicht des Beklagten nicht ableitbar ist. Zumindest ist die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichtes gut vertretbar. Den Kläger trifft zum Thema einer vertraglich übernommenen Bevorschussungspflicht die Beweislast. Es geht zu seinen Lasten, wenn er ein entsprechend konkretes Vorbringen im Verfahren erster Instanz unterlassen hat.

Auch bei der gerügten Verletzung des Überraschungsverbotes handelt es sich um eine nach den Umständen des Einzelfalls zu lösende Frage. Eine überraschende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes und ein dadurch bewirkter Verstoß gegen § 182 ZPO liegt immer nur dann vor, wenn die Parteien an die Rechtsansicht des Gerichtes mangels Erörterung nicht dachten oder denken mußten (Fucik in Rechberger, ZPO Rz 4 zu § 182 mwN; JBl 1988, 730 ua). Daß und warum der Kläger bei seiner Klageführung ohne Anleitung durch das Gericht nicht an die rechtlichen Konquenzen einer Geschäftsführung ohne Auftrag hätte denken müssen, wird in der Revision nicht dargelegt. Insgesamt liegen daher die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.