JudikaturJustiz6Ob194/20b

6Ob194/20b – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Oktober 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, die Hofräte Hon. Prof. Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Provisorialsache der gefährdeten Partei Dipl. Des. C***** W*****, vertreten durch Dr. Eric Heinke, Rechtsanwalt in Wien, wider den Gegner der gefährdeten Partei Ing. C***** F*****, vertreten durch Brehm Sahinol Rechtsanwälte OG in Wien, wegen einstweiliger Verfügung nach § 382h EO, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 31. Juli 2020, GZ 43 R 307/20w 47, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Beurteilung der Frage, ob das dringende Wohnbedürfnis gemäß § 382h EO nach den im Einzelfall festgestellten Umständen zu bejahen ist oder nicht, ist keine solche von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO (hier iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO; vgl RS0042789 [T2]). Aufzugreifen wäre daher nur eine grobe Fehlbeurteilung des Rekursgerichts, die hier nicht vorliegt.

1. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass die ihr vom Antragsgegner angebotene Mietwohnung keine entsprechende Ersatzwohnung darstelle, weil der Mietvertrag über diese Wohnung noch nicht abgeschlossen worden sei, weshalb eine Ersatzwohnung konkret nicht bestehe. Der als „Muster“ bezeichnete, vom Antragsgegner übermittelte Mietvertragsentwurf über die Ersatzwohnung sei von Vermieterseite nicht einmal unterfertigt worden.

Diese Ausführungen berücksichtigen zum Einen nicht, dass der Antragsgegner der Antragstellerin ein bindendes Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Hauptmietvertrags über die angebotene Ersatzwohnung samt Übernahme der Zahlung des Mietzinses während aufrechter Ehe gestellt hat.

Zum Anderen verstoßen diese Rechtsmittelausführungen gegen das Neuerungsverbot: Die Antragstellerin hat in erster Instanz nicht vorgebracht, es bestehe die Gefahr, die Eigentümerin der Ersatzwohnung, eine im wirtschaftlichen Alleineigentum des Antragsgegners stehende Gesellschaft, für die dieser alleinvertretungsbefugt ist, werde sich weigern, den Mietvertrag zu den angegebenen Bedingungen abzuschließen.

2. Weiters macht die Antragstellerin geltend, die rechtliche Gleichwertigkeit der Ersatzwohnung könne deshalb nicht gegeben sein, weil sie nunmehr Mieterin der „neuen“ Wohnung werden solle und sich ihre Rechtsstellung damit verschlechtert habe, weil zuvor der Antragsgegner Hauptmieter der vormaligen Ehewohnung war und dieser für Miete und Kaution gehaftet hat.

Die von der Antragstellerin angeführten Entscheidungen (6 Ob 124/00d; 7 Ob 760/80; 2 Ob 173/09v) stützen ihre Argumentation nicht. Nach der Rechtsprechung muss der Antragsteller in eine Ersatzwohnung kraft eigenen Rechts ausweichen können (RS0006012 [T4]). Dies trifft auf die angebotene Wohnung zu: Eine Mietwohnung mit Kündigungsschutz ist nämlich dem Wohnen im eigenen Haus als rechtlich gleichwertig anzusehen ( Beck in Gitschthaler/Höllwerth , EuPR [2011] §§ 382b–382e EO Rz 39).

Dass die Antragstellerin als Hauptmieterin der Ersatzwohnung gegenüber dem Vermieter für den Mietzins haften würde, während bei der vormaligen Ehewohnung der Antragsgegner als Mieter den Mietzins schuldet, macht keinen entscheidenden Unterschied: Bei Nichtzahlung wäre die Antragstellerin auch in der bisherigen Wohnung von der möglichen Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG betroffen; überdies bietet der Antragsgegner ja – wie erwähnt – die Übernahme des Mietzinses für die Ersatzwohnung an.

Ob allenfalls ein sich aus § 97 ABGB ergebender Zahlungsanspruch der Antragstellerin auch nach Scheidung der Ehe der Parteien in Betracht kommt, ist derzeit nicht zu prüfen.

3. Gegen die Beurteilung des Rekursgerichts, dem Antragsgegner sei angesichts der durch die Coronakrise erheblich verschlechterten Lage seines Unternehmens keine willkürliche Vorgangsweise anzulasten, wendet sich die Rechtsmittelwerberin nicht (vgl 6 Ob 124/00d = RS0009580 [T6]).