JudikaturJustiz6Ob187/02x

6Ob187/02x – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. April 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Franz H*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der T***** Gesellschaft mbH, *****, gegen die beklagte Partei Manfred T*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Dietmar Gollonitsch, Rechtsanwalt in Scheibbs, wegen 18.168,21 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2002, GZ 15 R 119/01g-17, mit dem das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Handelsgericht vom 21. April 2001, GZ 3 Cg 194/99v-13 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 665,66 EUR (darin enthalten 110,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die nunmehrige Gemeinschuldnerin wurde vom Beklagten und seinem Bruder mit Gesellschaftsvertrag vom 16. 5. 1983 gegründet. Das Stammkapital betrug 500.000 S. Bei Gründung wurden 250.000 S bar eingezahlt. Das nicht eingezahlte Stammkapital wurde von der Gesellschaft nicht eingefordert. Seit 7. 5. 1986 war der Beklagte alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. Am 12. 3. 1998 wurde über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. In der Zeit vom 1. 10. 1984 bis 2. 8. 1995 leisteten der Beklagte und seine Ehefrau für ihn insgesamt Barzahlungen von 141.000 S mit Widmung "auf die Stammeinlage" an die Gesellschaft. Zudem überwies der Beklagte folgende Beträge auf das Bankkonto der Gesellschaft: Am 31. 8. 1995 44.148 S und 179 S - diese Beträge waren für die Bezahlung einer Steuerschuld der Gesellschaft beim Finanzamt vorgesehen; am 31. 12. 1995 8.533,50 S und am 31. 12. 1998 8.051,10 S - damit sollten die Löhne eines Dienstnehmers finanziert werden. Im Zeitraum bis 31. 12. 1993 überwies (bzw bezahlte) der Beklagte noch mindestens weitere 76.000 S auf das Konto der Gesellschaft. Die Gelder wurden für die vorgesehenen Zwecke und für laufende Verbindlichkeiten der Gesellschaft verwendet. Es wurden damit Löhne von Arbeitnehmern, Lkw-Reparaturen und die Pensionsvorsorge der Arbeitnehmer finanziert. Eine Eintragung in das Firmenbuch über die Einzahlung von Stammkapital fand nicht statt. Der Kläger begehrt 18.168,21 EUR (250.000 S), weil die Stammeinlage mit diesem Betrag noch aushafte.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe zusätzlich zu dem bei Gründung eingezahlten Teilbetrag 277.911,60 S auf die Stammeinlage zu einer Zeit geleistet, als die Gesellschaft weder überschuldet noch zahlungsunfähig gewesen sei. Hilfsweise werde hinsichtlich dieser Zahlungen die Aufrechnung mit der Forderung der Gesellschaft auf das aushaftende Stammkapital behauptet. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte habe der Gesellschaft insgesamt einen den Klagebetrag übersteigenden Betrag zur Verfügung gestellt und damit die Forderung der Gesellschaft auf Einzahlung der aushaftenden Stammeinlage erfüllt. Eine formelle Einforderung sei nicht notwendig gewesen, weil der Beklagte alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei. Dass nicht sämtliche Einzahlungen ausdrücklich auf das Stammkapital gewidmet worden seien, schade nicht, weil der Bezug auf diese Schuld offenkundig sei und die Leistung des Beklagten der geschuldeten Leistung entsprochen habe. Dass der Beklagte mit den Zahlungen andere Zwecke wie eine Kreditgewährung oder eine Schenkung an die Gesellschaft verfolgen haben wollen, sei nicht behauptet worden. Die Schuldtilgung sei nicht von der Eintragung in das Firmenbuch abhängig. Ein in § 26 Abs 2 GmbHG vorgesehener Schadenersatz des Geschäftsführers für die unterlassene Eintragung werde nicht geltend gemacht.

Die Abweisung eines Teilbetrages von 10.246,87 EUR (141.000 S), der sich aus Zahlungen zusammensetzt, die ausdrücklich als Leistungen auf die Stammeinlage gewidmet wurden, erwuchs in Rechtskraft. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers, der die Abweisung des Teilbetrages von 7.921,34 EUR (109.000 S) bekämpfte, nicht Folge. Das Erstgericht habe die Anrechnung der vom Beklagten der Gesellschaft zugeführten Barmittel in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 4 Ob 555/89 (RdW 1989, 364 = WBl 1989, 340) auch dort bejaht, wo eine darauf gerichtete ausdrückliche Widmung nicht vorlegen sei. Es entspreche auch der Rechtsprechung (10 Ob 514/95 = NZ 1996, 341), dass die Einzahlung auf das Stammkapital selbst dann schuldbefreiend wirke, wenn die Eintragung im Firmenbuch unterbleibe. Die Revision sei zulässig, weil die Frage einer Klarstellung bedürfe, inwieweit die in der Entscheidung 4 Ob 555/89 dargestellten Erwägungen verallgemeinert und auch auf den Fall einer "Einmanngesellschaft" übertragen werden könnten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt. Der Anspruch der Gesellschaft mbH gegenüber ihrem Gesellschafter auf Einzahlung der ausstehenden (weiteren) Stammeinlage (§ 63 Abs 1 GmbHG) gehört zum Gesellschaftsvermögen gemäß § 1 KO. Der Masseverwalter hat ihn ohne Rücksicht auf vertraglich oder durch Gesellschafterbeschluss festgesetzte Zahlungstermine einzufordern. Einzahlungen auf das Stammkapital, die - wie hier - unter Außerachtlassung der Verfahrensbestimmung des § 64 Abs 1 GmbHG geleistet wurden, wirken dennoch schuldbefreiend (RIS-Justiz RS0060022; 6 Ob 563/94 = ecolex 1994, 545 = GesRZ 1994, 223 mwN). Auch vorzeitige - vor Einforderung geleistete - Einzahlungen sind wirksam (SZ 40/168). Die Einzahlung ist so zu bewirken, wie es der Gesellschaftsvertrag vorsieht. Sie kann auch unbar durch Überweisung auf ein Bankkonto der Gesellschaft erfolgen (6 Ob 563/94 mwN). Die Einlageschuld wird durch Zahlung auch bei Fehlen einer Widmung und sogar eines Erfüllungswillens dann getilgt, wenn es sich um die einzige Verbindlichkeit handelt (4 Ob 555/89; 6 Ob 563/94). Dass andere Forderungen der Gesellschaft gegen den Beklagten bestanden hätten, steht nicht fest und wurde auch nicht behauptet. Darin liegen daher keine Hindernisse gegen eine Tilgungswirkung der Zahlungen. Mit welchen Mitteln der einlagepflichtige Gesellschafter leistet, ist gleichgültig. Zahlungen durch Dritte oder aus Mitteln Dritter ist zulässig. Schuldbefreiung tritt dann nicht ein, wenn die Mittel von der Gesellschaft selbst stammen (6 Ob 563/94); ein solcher Sachverhalt wurde aber nicht behauptet. Die noch strittigen Zahlungen des Beklagten wurden durch Überweisung oder Einzahlung auf das Bankkonto der Gesellschaft erbracht. Soweit keine ausdrückliche Widmung der Zahlungen auf die Stammeinlage erfolgte, wurde in den Büchern der Gesellschaft eine solche Zuordnung vorgenommen. Wie schon die Vorinstanzen zutreffend ausführten, steht die fehlende ausdrückliche Widmung einer solchen Zuordnung auch nicht entgegen. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Einzahlungen auf ein überschuldetes Konto erfolgten. Nach Lehre und Rechtsprechung kann selbst die Einzahlung aushaftender Stammeinlagen auf ein überschuldetes Bankkonto der Gesellschaft schuldbefreiend wirken. Maßgebend ist lediglich, ob die Geldsumme der Gesellschaft zur freien Verfügung, wenn auch ganz oder zum Teil zur Tilgung von Schulden zur Verfügung stand. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Gesellschaft etwa wegen gleichzeitiger Kündigung des Kontos oder Rückführung des bisher eingeräumten Kreditrahmens auf einen neuen, niedrigeren Saldo oder nach vereinbarungswidriger Überziehung über den gewährten Kreditrahmen hinaus keine Möglichkeit hat, über die überwiesenen Mittel zu verfügen (6 Ob 61/98h mwN). Im vorliegenden Fall waren zwar die vom Gesellschafter eingezahlten, noch strittigen Beträge zur Tilgung bestehender Schulden und zur Begleichung laufender Auslagen vorgesehen. Dennoch flossen sie direkt der Gesellschaft zu, die ungeachtet des bei der Einzahlung vorgesehenen Verwendungszweckes hierüber frei verfügen konnte. Dass die Gelder infolge Rückführung einer Kreditschuld auf den vereinbarten Saldo im Zeitpunkt der Einzahlung bereits verbraucht und der Gesellschaft nicht mehr zur Verfügung gestanden wären, ist hier aufgrund der Feststellungen der Vorinstanzen auszuschließen, weil die eingezahlten Beträge von der Gesellschaft für ihre laufenden Verbindlichkeiten, nämlich zur Begleichung von Dienstnehmeransprüchen, Reparaturkosten und für die Pensionsvorsorge der Arbeitnehmer verwendet (und somit nicht sofort von der Bank eingezogen) wurden.

Dass der zahlungspflichtige Gesellschafter zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft war, steht der schuldtilgenden Wirkung der Einzahlungen nicht entgegen. Aus der in der Revision zitierten Entscheidung 1 Ob 258/01z (EvBl 2002/120 [454] = RdW 2002, 342) ist für den Kläger nichts zu gewinnen. Es fehlt auch hier jeder Hinweis, der Beklagte habe bei den noch strittigen Einzahlungen offen gelegt, dass er diese namens der Gesellschaft bzw als deren Geschäftsführer vornehme. Es ist vielmehr evident, dass die Zahlungen entsprechende Leistungen des Gesellschafters an die Gesellschaft sein sollten. Die festgestellten Zahlungsvorgänge sind daher auch im vorliegenden Fall nicht dahin zu verstehen, dass der Beklagte - als Insichgeschäft - Barzahlung an sich als Vertreter der Gesellschaft geleistet und die Geldbeträge in der Folge zur Abdeckung ihrer Verbindlichkeiten verwendet hat. Der Umstand, dass von unmittelbaren Zahlungen des Gesellschafters auf das Bankkonto der Gesellschaft auszugehen ist, wäre aber - wie sich aus der Entscheidung 1 Ob 258/01z ergibt - nur dann von Bedeutung, wenn sich das Gesellschaftskonto im Einzahlungszeitpunkt derart im Debet befunden hätte, dass die Gesellschaft trotz der Einzahlungen keine Möglichkeit gehabt hätte, den Kredit (neuerlich) in entsprechender Höhe der Einzahlung auszunutzen. Nur in diesem Fall wäre weiters zu prüfen, ob eine vollwertige Leistung des Beklagten vorlag, ob also die Gesellschaft nach den Einzahlungen jeweils in der Lage war, alle Gläubiger zu befriedigen. Nur dann müsste das Vorliegen der von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen einer wirksamen Aufrechnung der Forderung der Gesellschaft auf Einlagenzahlung mit Forderungen des Gesellschafters, der Forderungen der Gesellschaftsgläubiger getilgt hat (nämlich dass diese unbedenklich, fällig und insbesondere vollwertig sind) geprüft werden.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher zu bestätigen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Als Kostenbemessungsgrundlage ist jedoch nicht der Gesamtstreitwert, sondern der Revisionsstreitwert von 7.921,34 EUR heranzuziehen; der Einheitssatz beträgt 60 Prozent und nicht, wie verzeichnet, 150 Prozent (§ 23 RATG).

Rechtssätze
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