JudikaturJustiz6Ob13/02h

6Ob13/02h – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Barbara N*****, vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegnerin Ivana N*****, vertreten durch Dr. Hans Böck, Rechtsanwalt in Wien, wegen Benützungsregelung, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 11. September 2001, GZ 22 R 30/01v-15, womit über den Rekurs der Antragsgegnerin der Beschluss des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 26. Juli 2001, GZ 11 Nc 1/01g-11, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Nachlass des am 11. 10. 1996 verstorbenen Vaters der Antragstellerin wurde dieser zu 2/3 und der Witwe (der Stiefmutter der Antragstellerin) zu 1/3 eingeantwortet. In den Nachlass fiel eine Liegenschaft mit Haus und Garten. Das Haus diente den Eheleuten als Ehewohnung.

Am 8. 1. 2001 beantragte die Tochter eine gerichtliche Benützungsregelung dahin, dass ein Zimmer (ehemaliges Schlafzimmer der Antragstellerin) und der größere Kellerraum der Antragstellerin zur aussschließlichen Benützung, das Schlafzimmer der Antragsgegnerin zur ausschließlichen Benützung und die Küche, Wohnzimmer, Vorzimmer sowie die Nassräume und der (übrige) Keller den Miteigentümerinnen zur gemeinsamen Benützung zugewiesen werden. Die Antragsgegnerin verweigere eine vergleichsweise Regelung und lehne die Übergabe von Schlüsseln ab. Die Antragstellerin habe einen persönlichen Wohnbedarf und einen Anspruch auf eine ihrem Miteigentumsanteil entsprechende Nutzung des Hauses.

Die Antragsgegnerin beantragte unter Hinweis auf ihr gesetzliches Vorausvermächtnis an der Ehewohnung die Abweisung des Antrages auf Benützungsregelung.

Das Erstgericht gab dem Antrag auf Benützungsregelung statt. Es stellte im Wesentlichen fest, dass die Antragstellerin nach der Scheidung der Ehe ihrer Eltern bei der Mutter in Wien gewohnt und ihren Vater in dessen Haus zunächst an jedem zweiten Wochenende und später unregelmäßiger besucht habe. Dies habe sich nach dem Einzug der Antragsgegnerin, die den Vater der Antragstellerin geheiratet hatte, nicht geändert. Die Antragstellerin habe ihr Zimmer mit Zustimmung der Stiefmutter und ihres Vaters benützt. Die übrigen Teile des Hauses seien gemeinsam benutzt worden. Die Antragsgegnerin habe nach dem Tod ihres Gatten das Schloss am Haus ausgetauscht und der Antragstellerin keinen Schlüssel übergeben.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass bei einer gerichtlichen Benützungsregelung gemäß § 835 ABGB grundsätzlich jedem Miteigentümer eine seinem Anteil entsprechende Sachnutzung zu gewähren sei. Es seien der persönliche Bedarf und die persönlichen und familiären Verhältnisse im Rahmen einer Interessenabwägung zu berücksichtigen. Die Antragstellerin begehre eine Nutzungsaufteilung entsprechend den Eigentumsanteilen. Ihr Wohnbedarf sei zu bejahen. Der Benützungsregelung stehe das gesetzliche Vorausvermächtnis der Witwe gemäß § 758 ABGB nicht entgegen. Das Wohnrecht der Antragsgegnerin sei schon durch die Nutzung ihres Ehegatten eingeschränkt gewesen. Zu dessen Lebzeiten habe die Stieftochter das Haus mitbenützt. Nunmehr benütze die Antragsgegnerin das Haus in einem Ausmaß, wie es ihr zu Lebzeiten des Ehegatten nicht zugestanden sei. Damals hätte die Antragstellerin einen Schlüssel und eine jederzeitige Benützungsmöglichkeit gehabt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin Folge und wies den Antrag auf Benützungsregelung ab. Es beurteilte den festgestellten Sachverhalt rechtlich im Wesentlichen dahin, dass der Anspruch des überlebenden Ehegatten gemäß § 758 ABGB in Ansehung der Ehewohnung inhaltlich gleichbleibe. Das Benützungsrecht setze sich als Anspruch gegen den Vermächtnisschuldner fort. Der Umfang der Ehewohnung richte sich nach den tatsächlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Dem überlebenden Ehegatten sollten seine bisherigen Lebensverhältnisse erhalten und gesichert werden. Der Umfang des Vorausvermächtnisses könne nicht durch eine Vereinbarung zwischen dem Erblasser und dem mit dem Vermächtnis Belasteten eingeschränkt werden. Die Antragsgegnerin habe mit ihrem Ehegatten das gesamte Haus benützt, die Antragstellerin nur zwecks Übernachtung bei den gelegentlichen Besuchen ihres Vaters. Es sei unzulässig, das uneingeschränkte Wohnrecht des überlebenden Ehegatten dahin einzuschränken, dass die Benützung eines Raums überhaupt verweigert werde und die Mitbenützung sämtlicher Räumlichkeiten zu dulden sei. Eine solche Einschränkung des Wohnrechts stehe mit der Intention des § 758 ABGB im Widerspruch.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob das dem überlebenden Ehegatten zustehende Wohnrecht im Rahmen einer gerichtlichen Benützungsregelung eingeschränkt werden dürfe, eine oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Antragstellerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Die Antragsgegnerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt. In formeller Hinsicht ist vorauszuschicken, dass das Rekursgericht entgegen der Vorschrift des § 13 Abs 2 AußStrG den Entscheidungsgegenstand nicht bewertete. Dieser Mangel ist aber wegen der Erklärung, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, nicht erheblich. Ein Zwischenverfahren zur Nachholung des Bewertungsausspruchs ist entbehrlich.

In der Sache selbst ist Folgendes auszuführen:

Gemäß § 758 ABGB idF des ErbRÄG (BGBl 1989/656) steht dem überlebenden Ehegatten als gesetzliches Vorausvermächtnis das Recht zu, in der Wohnung weiter zu wohnen und die zum Haushalt gehörenden beweglichen Sachen zu benützen. Das Vorausvermächtnis soll nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers (JAB 1158 BlgNR 17. GP 4) dem überlebenden Ehegatten seine bisherigen Lebensverhältnisse erhalten und sichern. Der Tod des Ehegatten soll nicht dazu führen, dass der andere die ihm vertrauten Dinge des Alltags verliert. Der hinterbliebene Ehegatte soll seine gewohnte Umgebung beibehalten können. Sein Anspruch auf die Ehewohnung bleibt inhaltlich gleich und setzt sich als Anspruch gegen den Vermächtnisschuldner fort (1 Ob 2364/96w = SZ 70/47 mwN; 6 Ob 184/99y = JBl 2000, 377). Auch eine Liegenschaft mit Haus und Garten kann Ehewohnung sein (SZ 66/102; SZ 70/47). Der Umfang des Wohnungsanspruchs des überlebenden Ehegatten wird durch die tatsächlichen Lebensverhältnisse zum Todeszeitpunkt bestimmt (SZ 66/102; RS0012824), bleibt also inhaltlich gleich. Voraussetzung einer im außerstreitigen Verfahren zu treffenden Benützungsregelung unter Miteigentümern (§ 833 ABGB) unter Berücksichtigung der Anteile (§ 839 ABGB) setzt die Verfügbarkeit des Objekts (der Wohnung) voraus (RS0013623). Bestandrechte oder sonstige Benützungsrechte stehen der begehrten Benützungsregelung entgegen (5 Ob 47/97s). Dies muss grundsätzlich auch für eine Ehewohnung gelten, an der dem überlebenden Ehegatten ein gesetzliches Benützungsrecht zusteht.

Die Revisionsrekurswerberin führt für ihren Standpunkt die tatsächliche Mitbenützung des Hauses im Rahmen ihrer Besuche des Vaters ins Treffen und strebt eine bei der gerichtlichen Benützungsregelung utner Miteigentümern regelmäßig vorzunehmende Interessenabwägung (dazu RS0013612) nach Billigkeitserwägungen und unter Hinweis auf einen persönlichen Wohnbedarf an. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Nach den Feststellungen hatte die Antragstellerin zu Lebzeiten ihres Vaters kein vertraglich eingeräumtes Recht auf Mitbenützung des Haues. Sie durfte nur anlässlich der (zuletzt seltener werdenden) Besuche im Haus übernachten und das Haus mitbenützen. Das in der nahen Blutsverwandtschaft begründete Wohnen der Antragstellerin war jederzeit widerruflich. Der Vater hätte sich Besuche verbitten können. Die Liegenschaft war nicht mit einem bücherlichen oder außerbücherlichen Wohnrecht belastet. Diese tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse sind der Maßstab, an dem der Umfang des Anspruchs der überlebenden Ehegattin zu messen sind. Der Standpunkt der Revisionsrekurswerberin könnte höchstens dann gerechtfertigt sein, wenn ihr zum Todeszeitpunkt schon ein eigenes Wohnrecht eingeräumt und das Wohnrecht der Stiefmutter in der Ehewohnung schon damals eingeschränkt gewesen wäre. Dieser Fall liegt hier nicht vor, sodass eine Interessenabwägung nach Billigkeit ausscheidet. Die seinerzeit geübte Besuchspraxis hat ihre Grundlage mit dem Tod des Vaters der Antragstellerin verloren. Die Ehegattin hat Anspruch auf Beibehaltung ihrer bisherigen Lebensverhältnisse. Dem aus § 758 ABGB abzuleitenden Zweck stünde schon ein "aufgedrängtes" regelmäßiges Besuchen durch die Antragstellerin (prozessual wäre eine derartige Benützungsregelung im Sinne des Zuspruchs eines "minus" denkbar) entgegen, umso mehr die von ihr angestrebte weitergehende Benützungsregelung mit der Zuweisung von Räumen zur ausschließlichen Benützung, wodurch gerade der in ständiger Rechtsprechung abgelehnte Zustand herbeigeführt würde, dass die Wohnverhältnisse der Witwe eine einschneidende Änderung zu ihren Lasten erfahren, die bisherigen Lebensverhältnisse also entgegen der zitierten Absicht des Gesetzgebers nicht aufrecht erhalten werden.