JudikaturJustiz6Ob109/08k

6Ob109/08k – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Oktober 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Juliane L*****, vertreten durch Mag. Dieter Kocher, Rechtsanwalt in St. Michael im Lungau, und deren Nebenintervenientin Marktgemeinde S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Dr. Johann G*****, vertreten durch Dr. Manfred Buchmüller, Rechtsanwalt in Altenmarkt, wegen Feststellung und Unterlassung (Gesamtstreitwert 7.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 11. Februar 2008, GZ 22 R 20/08g 63, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Tamsweg vom 29. Oktober 2007, GZ 2 C 52/05a 55, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen .

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin und der Nebenintervenientin die mit jeweils 556,99 EUR (darin 92,83 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, wie der der Widmung öffentlichen Guts zum Gemeingebrauch entgegengesetzte Akt beschaffen sein muss, wenn die Widmung nicht durch Verwaltungsakt, sondern durch lang andauernde Übung erfolgte; erheblich sei auch die Rechtsfrage, ob aus einem Vertrag, mit dem eine ehemals dem Gemeingebrauch gewidmete Straße von einer Gemeinde an eine Privatperson verkauft und in dem vereinbart wurde, dass nicht näher definierten Anrainern ein dinglich sichergestelltes Geh- und Fahrtrecht eingeräumt werden müsse, Anrainer eigene Ansprüche ableiten können.

1. Der Beklagte meint zunächst in seiner Revision, ihm stehe schon allein deshalb ein Geh- und Fahrtrecht auf der S*****straße im Bereich des nunmehr der Klägerin gehörenden Grundstücks 641 zu, weil die Nebenintervenientin anlässlich des Verkaufs dieses Grundstücks an die Klägerin mit dieser ein Geh- und Fahrtrecht zugunsten diverser Anrainer, zu denen auch der Beklagte zähle, vereinbart habe.

1.1. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen nahm die Klägerin als Käuferin der S*****straße anlässlich des am 21. 12. 1997 mit der Nebenintervenientin abgeschlossenen Kaufvertrags „zur Kenntnis, dass sie mit diesem Kaufvertrag eine aufgelassene Straße erwirbt und dass diverse Anrainer diese Straße regelmäßig oder fallweise benützen. Grundsätzlich verpflichtet[ e ] sich [ die Klägerin ], allen Anrainern, die bisher die Straße benützt haben, über deren Wunsch auf deren Kosten [ ein ] auch grundbücherlich sicher zu stellendes Geh- und Fahrtrecht einzuräumen". Mit Dienstbarkeitsvertrag vom 25. 3. 1998 „räumt[ e die Klägerin der Nebenintervenientin ] das Recht ein, über [ die S*****straße ] jederzeit zu gehen, [ zu ] fahren oder Vieh zu treiben - eingeschränkt für land- und forstwirtschaftliche Zwecke - mit der Berechtigung für die [ Nebenintervenientin ], diesen Weg zu erhalten und zu befestigen. Die Breite des Weges [ wurde ] mit 3 m festgesetzt. ... Als Anrainer gelten alle Personen, für die die Ausübung obiger Dienstbarkeit erforderlich oder zweckmäßig erscheint, wobei die [ Nebenintervenientin ] im Falle von Streitigkeiten verbindlich feststellen kann, wer als Anrainer anzusehen ist".

1.2. Ob der Beklagte aus dieser Vereinbarung im Wege eines Vertrags zu Gunsten Dritter - Ansprüche auf Benützung der S*****straße ableiten kann oder nicht, kann dahin gestellt bleiben, weil nach den weiteren Feststellungen der Vorinstanzen die Nebenintervenientin den Beklagten im Fall eines Antrags nicht als Anrainer im Sinne der Vereinbarung vom 25. 3. 1998 ansehen und ihm daher auch kein Geh- und Fahrtrecht „einräumen" würde; ihrer Ansicht nach ist nämlich die Erreichbarkeit seiner Grundstücke über die Z***** Landesstraße gegeben.

2. Des Weiteren stützt sich der Beklagte in seiner Revision auf den - seiner Meinung nach - noch immer bestehenden (öffentlich rechtlichen) Gemeingebrauch der S*****straße; eine stillschweigende „Entwidmung" der S*****straße sei nie erfolgt, eine solche wäre auch unzulässig.

2.1. Die S*****straße war als „Z***** Landesstraße" eine Landesstraße nach dem Salzburger Landesstraßengesetz. Nach § 1 Abs 1 lit a Salzburger LStG sind Landesstraßen öffentliche Straßen und unterliegen als solche dem Gemeingebrauch ( Merli , Öffentliche Nutzungsrechte und Gemeingebrauch [1995] 191).

Die „Z***** Landesstraße" wurde nach den Feststellungen der Vorinstanzen in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts in eine Gemeindestraße (nunmehr S*****straße) umgewidmet, also wohl im Sinne des § 18 Abs 2 Salzburger LStG aufgelassen, weil sie (in Anbetracht der Errichtung einer Umfahrungsstraße) ihre Bedeutung für den öffentlichen Verkehr im Lande verloren hatte.

2.2. Nach § 1 Abs 1 lit b Salzburger LStG sind auch Gemeindestraßen öffentliche Straßen; als solche unterliegen daher auch sie dem Gemeingebrauch. Dies ergibt sich außerdem aus § 59 Salzburger GemeindeO, wonach öffentliches Gut alle dem Gemeingebrauch gewidmeten Teile des Gemeindeeigentums sind, wie etwa auch die Straßen.

Wenn eine Gemeindestraße ihre Bedeutung für den öffentlichen Verkehr in der Gemeinde verloren hat, kann sie gemäß § 29 Abs 3 Salzburger LStG aufgrund einer Verordnung der Gemeindevertretung aufgelassen werden.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bedarf - so wie die Widmung als öffentliches Gut - auch die Entwidmung von öffentlichem Gut ins Privatvermögen eines entsprechenden Verwaltungsakts; eine privatrechtliche Erklärung des Eigentümers des öffentlichen Guts kommt hingegen nicht in Frage (5 Ob 90/99t = SZ 72/65; 9 Ob 68/05y). Auch der Beklagte weist in seiner Revision ausdrücklich darauf hin, dass die Entwidmung öffentlichen Guts im Sinne des § 59 Salzburger GemeindeO eines „Entwidmungsaktes des Gemeinderats" bedarf.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen fasste die Gemeindevertretung der Nebenintervenientin hinsichtlich der S*****straße am 29. 10. 1997 einen Beschluss über die Entwidmung der S*****straße aus dem öffentlichen Gut; dieser „Entwidmungsbeschluss" wurde sodann am 16. 12. 1997 bekannt gemacht. Dabei handelte es sich um eine Verordnung im Sinne des § 29 Abs 3 Salzburger LStG; dass der Verwaltungsakt der Gemeindevertretung der Nebenintervenientin nicht als „Verordnung", sondern als „Entwidmungsbeschluss" bezeichnet wurde, ist unbeachtlich, weil es auf den Inhalt des Verwaltungsakts ankommt (vgl auch Seyr , Die Entwidmung von öffentlichem Gut, NZ 1979, 26, der ebenfalls von einem „Beschluss" des Gemeinderats spricht). Soweit der Beklagte in seiner Revision meint, der „Entwidmungsbeschluss" sei lediglich eine „Erklärung" gewesen, weicht er vom festgestellten Sachverhalt ab.

Damit begegnet aber die Auffassung des Berufungsgerichts, die Widerrufshandlung der Nebenintervenientin, die zur Aufhebung der Widmung der S*****straße als öffentliches Gut und somit zur Aufhebung ihrer Widmung für den Gemeingebrauch führte, sei im Entwidmungsbeschluss der Gemeindevertretung der Nebenintervenientin im Jahr 1997 gelegen, keinen Bedenken. Klar zu stellen ist lediglich, dass es sich bei dieser Entwidmung nicht um ein schlüssiges (konkludentes) Verhalten, sondern um einen konkreten Verwaltungsakt, der auch öffentlich bekannt gemacht worden ist, gehandelt hat. Auf die Überlegungen der Revision, ob es überhaupt konkludente Verwaltungsakte gibt, braucht daher nicht näher eingegangen zu werden.

2.3. Dass die S*****straße gleichzeitig mit ihrer Entwidmung als Gemeindestraße gemäß § 29 Abs 3 Salzburger LStG in eine öffentliche Interessentenstraße im Sinne der §§ 31 ff Salzburger LStG umgewidmet worden wäre, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die S*****straße wurde daher im Jahr 1997 zur Privatstraße.

2.4. Nach § 40 Abs 1 Salzburger LStG dienen Privatstraßen (nur) dann dem öffentlichen Verkehr, wenn sie nicht durch äußere Kennzeichen (Abschrankungen, ausdrückliches Benutzungsverbot usw) diesen Verkehr ausschließen. Eine solche Ausschließung darf soweit nicht erfolgen, als a) die Privatstraße durch den Grundeigentümer für den allgemeinen Verkehr dauernd gewidmet wurde oder b) die Privatstraße in zumindest 20 jähriger Übung aufgrund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses allgemein und ungehindert benutzt wurde. Nach dieser Bestimmung ist also ein zu duldender Gemeingebrauch zwar von Anfang an ein öffentlich rechtlicher, aber vorerst durch den Eigentümer noch widerrufbarer ( Merli aaO 206).

Beide Voraussetzungen des § 40 Abs 1 Salzburger LStG, die der Klägerin eine Ausschließung des öffentlichen Verkehrs von der S*****straße nicht erlaubt hätten, lagen nach deren „Entwidmung" als Gemeindestraße und zum Gemeingebrauch durch die Nebenintervenientin nicht vor; weder widmete die Klägerin nach ihrem Erwerb im Jahr 1997 die - von der Gemeindevertretung der Nebenintervenientin soeben „entwidmete" - S*****straße „dauernd für den allgemeinen Verkehr" (lediglich hinsichtlich der Anrainer wurden Ausnahmen gemacht), noch lag die geforderte 20 jährige Übung vor, abgesehen davon, dass nach den Feststellungen der Vorinstanzen ein allgemeines dringendes Verkehrsbedürfnis an der ungehinderten Benutzung der S*****straße gar nicht mehr besteht.

Die Klägerin nahm daher mit 2. 12. 2004 die Ausschließung rechtmäßig vor, indem sie zunächst mit einem Bretterstapel und einem Fahrzeug die S*****straße blockieren und in weiterer Folge Fahrtverbotszeichen und Schranken aufstellen ließ.

Über die Zulässigkeit und den Umfang der Ausschließung des öffentlichen Verkehrs hat gemäß § 40 Abs 2 Salzburger LStG zwar die Straßenrechtsbehörde zu entscheiden, im Hinblick auf § 4 Abs 1 lit b Salzburger LStG also der Bürgermeister der Nebenintervenientin hinsichtlich der S*****straße. Angesichts des von der Nebenintervenientin, die von ihrem Bürgermeister vertreten wird, eingenommenen Rechtsstandpunkts unterliegt es jedoch keinem Zweifel, dass diese Ausschließung nicht untersagt wurde. Im Übrigen ist nach der Entscheidung 4 Ob 523/68 (= SZ 41/48) etwa im Rahmen privatrechtlicher Unterlassungsklagen die Frage des Gemeingebrauchs als Vorfrage zu beurteilen, wogegen - jedenfalls im vorliegenden Fall - auch die Entscheidung 9 Ob 68/05y nicht spricht, hat doch die Gemeindevertretung der Nebenintervenientin bereits „über Bestand und Umfang des Gemeingebrauchs" insofern befunden, als sie die Entwidmung vornahm.

2.5. Da die S*****straße somit jedenfalls seit 2. 12. 2004 keine öffentliche Privatstraße (mehr) ist, haben die Vorinstanzen dem auf § 523 ABGB gestützten Feststellungsbegehren der Klägerin als Eigentümerin der S*****straße zu Recht stattgegeben.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Sowohl die Klägerin als auch die Nebenintervenientin haben in den Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten hingewiesen. Die Schriftsätze sind daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

Rechtssätze
5