JudikaturJustiz5Ob95/01h

5Ob95/01h – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Mai 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Karl Schleinzer, MMag. Dr. Ernst Denk, Dr. Rodrich Jakobi, Mag. Dr. Günther Kaufmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Einverleibung unregelmäßiger Dienstbarkeiten, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 20. Februar 2001, AZ 16 R 274/00h, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 15. Mai 2000, TZ 1650/00, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden wie folgt abgeändert:

"I. Grundbuchsstand:

EZ ***** Gst. 622/12, 622/19, 622/20, 622/29, 622/33, 757/12;

EZ ***** Gst. 622/8, 622/10, 622/14, 791/2

EZ ***** Gst. 794, 795, 798, 800

EZ ***** Gst. 803

Eigentümer: S***** GmbH Co KG.

II. Eintragungsgrundlage:

Dienstbarkeitsvertrag vom 13. 4. 2000

III. Auf Grund des Dienstbarkeitsvertrages vom 13. 4. 2000 werden im Grundbuch ***** folgende Eintragungen bewilligt:

1.) Ob der EZ ***** (Eigentümer S***** GmbH Co KG) zu Gunsten der S***** Aktiengesellschaft als Person (Personalservitut):

a) Die Einverleibung der Dienstbarkeit der Duldung von Versorgungsleitungen in den bestehenden Energiekanälen auf den Grundstücken 622/19, 622/20, 622/29, 757/12 sowie das Recht des jederzeitigen Zuganges und der jederzeitigen Zufahrt zu diesen Leitungen und Einrichtungen lt Pt I.1.

b) Die Einverleibung der Dienstbarkeit der Errichtung, des Bestandes und Betriebes von Energiekanälen, Versorgungsleitungen und Entsorgungskanälen auf den Grundstücken 622/33, 622/12 sowie das Recht des jederzeitigen Zuganges und der jederzeitigen Zufahrt zu diesen Energie- und Entsorgungskanälen, Leitungen und Einrichtungen lt Pt I. 2.

c) Die Einverleibung der Dienstbarkeit der Errichtung, des Bestandes und Betriebes eines Zaunes auf dem Grundstück 622/12 lt Pt II.

d) Die Einverleibung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über das Grundstück 622/12 lt Pt III.

2.) Ob der EZ ***** (Eigentümer S***** GmbH Co KG) zu Gunsten der S***** Aktiengesellschaft als Person (Personalservitut):

a) Die Einverleibung der Dienstbarkeit der Duldung von Versorgungsleitungen in den bestehenden Energiekanälen auf den Grundstücken 622/8 und 622/14 sowie das Recht des jederzeitigen Zuganges und der jederzeitigen Zufahrt zu diesen Leitungen und Einrichtungen lt Pt I.1.

b) Die Einverleibung der Dienstbarkeit der Errichtung, des Bestandes und Betriebes von Energiekanälen, Versorgungsleitungen und Entsorgungskanälen auf den Grundstücken 622/8, 622/10, 622/14, 791/2 sowie das Recht des jederzeitigen Zuganges und der jederzeitigen Zufahrt zu diesen Energie- und Entsorgungskanälen, Leitungen und Einrichtungen lt Pt I. 2.

c) Die Einverleibung der Dienstbarkeit des Bestandes und des Betriebes der Manipulator-Boxen gemäß Pt I 3. sowie das Recht des jederzeitigen Zuganges und der jederzeitigen Zufahrt zu diesen Boxen, Anlagen und Einrichtungen auf dem Grundstück 622/14.

d) Die Einverleibung der Dienstbarkeit der Errichtung, des Bestandes und Betriebes eines Zaunes auf dem Grundstück 622/14 lt Pt II.

e) Die Einverleibung der Dienstbarkeit des jederzeitigen Zuganges und der jederzeitigen Zufahrt über die Grundstücke 622/8, 622/10, 622/14, 791/2 lit Pt III.

3.) Ob der EZ ***** (Eigentümer S***** GmbH Co KG) zu Gunsten der S***** Aktiengesellschaft als Person (Personalservitut):

a) Die Einverleibung der Dienstbarkeit der Errichtung, des Bestandes und Betriebes von Energiekanälen, Versorgungsleitungen und Entsorgungskanälen auf den Grundstücken 795, 800 sowie das Recht des jederzeitigen Zugangs und der jederzeitigen Zufahrt zu diesen Energie- und Entsorgungskanälen, Leitungen und Einrichtungen lt Pt I.

2.

b) Die Einverleibung der Dienstbarkeit des jederzeitigen Zuganges und der jederzeitigen Zufahrt über die Grundstücke 794, 798 lt Pt III.

4.) Ob der EZ ***** (Eigentümer: S***** GmbH Co KG) zu Gunsten der S*****Aktiengesellschaft als Person (Personalservitut):

Die Einverleibung der Dienstbarkeit der Errichtung, des Bestandes und Betriebes von Energiekanälen, Versorgungsleitungen und Entsorgungskanälen auf dem Grundstück 803 sowie das Recht des jederzeitigen Zugangs und der jederzeitigen Zufahrt zu diesen Energie- und Entsorgungskanälen, Leitungen und Einrichtungen lt Pt I.

2.

Hievon werden verständigt:

1.) S***** GmbH Co KG, *****, mit Dienstbarkeitsvertrag Beilage A;

2.) S***** Aktiengesellschaft, *****,

3.) Finanzamt 2620 Neunkirchen."

Text

Begründung:

Die Vorinstanzen haben das Eintragungsbegehren abgewiesen. Um ihre Gründe zu verstehen, genügt der Hinweis, dass die fraglichen Dienstbarkeiten der S***** Aktiengesellschaft im vorgelegten Dienstbarkeitsvertrag sowohl als Real- als auch Personalservituten eingeräumt wurden und die Aufsandungserklärung des Dienstbarkeitsbestellers (der S***** GmbH Co KG) beide Einverleibungen deckt. Als Grunddienstbarkeiten wurden die Rechte zu TZ 1649/00 eingetragen; die Abweisung des Begehrens, die Rechte auch als Personalservituten einzutragen, wurde vom Erstgericht mit der Unzulässigkeit der doppelten Eintragung inhaltsgleicher bzw der Verbücherung betagter Rechte und vom Rekursgericht wie folgt begründet:

§ 479 ABGB normiere, dass auch Dienstbarkeiten, die an sich Grunddienstbarkeiten sind, der Person allein zugestanden werden können. Unregelmäßige Servituten seien dem Normaltyp nach Grunddienstbarkeiten, die aber ausnahmsweise nicht zu Gunsten und zum Vorteil eines Grundstückes, sondern einer bestimmten (auch juristischen) Person eingeräumt werden (vgl Hofmann in Rummel, ABGB3, Rz 1 zu § 479 mwN).

Das Gesetz unterscheide in § 473 ABGB zwar grundsätzlich zwischen Grunddienstbarkeiten und persönlichen Dienstbarkeiten, doch könnten gemäß § 479 ABGB auch Dienstbarkeiten mit dem Inhalt von Grunddienstbarkeiten zu Gunsten einer bestimmten Person als sogenannte unregelmäßige Servituten begründet werden. Mit Grunddienstbarkeiten werde der jeweilige Eigentümer des herrschenden Gutes berechtigt; diese müssten eine vorteilhaftere oder bequemere Benützung des berechtigten Grundstückes ermöglichen. An dieses Utilitätserfordernis werde aber kein strenger Maßstab angelegt, weil Bequemlichkeit der Nützlichkeit gleichgestellt sei; daher schade nur Zwecklosigkeit (vgl Hofmann in Rummel, ABGB3, Rz 2 zu § 473 mwN). Demgegenüber solle durch persönliche Dienstbarkeiten einer bestimmten Person ein Vorteil verschafft werden. Die zwei Hauptgruppen von Dienstbarkeiten seien sohin nach dem berechtigten Subjekt zu unterscheiden, wobei beide Arten von Dienstbarkeiten als absolute Rechte auch gegen den jeweiligen Eigentümer der belasteten Sache wirken. Die unregelmäßige Servitut könne wegen der Verschiedenartigkeit der zur Anwendung kommenden Rechtssätze gegenüber der regelmäßigen nicht als eine solche geringeren Umfanges angesehen werden (RIS-Justiz RS0011604). Es sei auch richtig, dass die Einverleibung einer persönlichen unregelmäßigen Dienstbarkeit gegenüber einer Grunddienstbarkeit ein "aliud" ist (MGA Grundbuchsrecht4, E 7 zu § 96; 5 Ob 117/91).

Im vorliegenden Fall seien nach der von der Antragstellerin vorgenommenen Reihung ihrer Grundbuchsgesuche die im Dienstbarkeitsbestellungsvertrag vereinbarten Rechte bereits als Grunddienstbarkeiten im C-Blatt der dienenden Liegenschaften einverleibt. Mit dem jetzigen Grundbuchsantrag wolle die Eigentümerin der herrschenden Grundstücke zusätzlich die Einverleibung umfänglich gleicher Rechte als Personalservituten erreichen. Bereits durch die Einverleibung als Grunddienstbarkeiten zu ihren Gunsten habe aber die Antragstellerin (derzeit) alle Rechte, die ihr im Servitutsbestellungsvertrag eingeräumt wurden. Das Utilitätserfordernis sei Voraussetzung einer Dienstbarkeit; dieses sei im derzeitigen Zeitpunkt zu verneinen. Wie schon das Erstgericht ausführte, könnten die Personalservituten erst im Falle eines Eigentümerwechsels am herrschenden Grundstück dem Utilitätserfordernis entsprechen. Anwartschaften auf künftige Rechte ließen sich aber nicht durch Einverleibung verdinglichen (vgl Feil, Grundbuchsrecht3, 126 mwN); die Einverleibung einer "Vorratsservitut" sei nicht vorgesehen. Dies werde auch dadurch deutlich, dass die Begründung einer Eigentümerhypothek oder einer Eigentümerdienstbarkeit - vorsorglich für den Fall der späteren Veräußerung der betreffenden Liegenschaft - unzulässig sei.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Soweit ersichtlich fehle nämlich eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob umfänglich gleiche Dienstbarkeiten sowohl als Realservitut wie auch als Personalservitut nebeneinander im Grundbuch eingetragen werden können.

Mit dem jetzt vorliegenden Revisionsrekurs strebt die Antragstellerin die Eintragung der ihr im Dienstbarkeitsvertrag eingeräumten Rechte (auch) als Personalservituten an (dass sie dabei im letzten Punkt ihres Eintragungsgesuches auch die Ersichtlichmachung der Rechte im jeweils herrschenden Gut beantragte, kann als offenkundiges - durch die Verwendung von Textbausteinen aus dem zu TZ 1649/00 überreichten Grundbuchsgesuch erklärbares - Versehen übergangen werden). Die hiefür ins Treffen geführten Argumente lassen sich so zusammenfassen, dass es um verschiedene Rechte gehe; die sofortige Eintragung sei geboten, um im Fall eines Verkaufs der herrschenden Grundstücke die unregelmäßigen persönlichen Dienstbarkeiten im derzeitigen Rang gesichert zu haben.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Schon das Rekursgericht hat darauf hingewiesen, dass Grunddienstbarkeiten, die gemäß § 479 ABGB irregulärer Weise Personen eingeräumt werden, als eigenständige dingliche Rechte zu qualifizieren sind. Es handelt sich um beschränkte persönliche Dienstbarkeiten (Feil, Grundbuchsrecht3, Rz 39 zu § 12 GBG mwN), die sich von den Grunddienstbarkeiten nicht nur umfänglich, sondern ihrer Art nach unterscheiden (vgl 5 Ob 54/58; 6 Ob 125/70; NZ 1992, 256/242). Da auch unregelmäßige Dienstbarkeiten verbücherbar sind (Feil aaO mwN) und ein Grundstück mit mehreren Dienstbarkeiten belastet werden kann, wenn nur ältere Rechte Dritter nicht darunter leiden (vgl § 486 ABGB), war es konsequent, die Bedenken gegen die Eintragung der hier in Rede stehenden (unregelmäßigen) persönlichen Dienstbarkeiten darauf zu konzentrieren, ob sie denn das den Dienstbarkeiten wesenhafte Utilitätserfordernis erfüllen, wenn der begünstigten Person inhaltlich gleiche Rechte ohnehin bereits kraft ihres Eigentums am herrschenden Grundstück zustehen. Diese Bedenken rechtfertigen aber die Abweisung des gegenständlichen Eintragungsgesuches nicht.

An das Utilitätserfordernis einer Dienstbarkeit ist, wie schon das Rekursgericht ausführte, kein strenger Maßstab anzulegen (SZ 43/117 uva). Nur völlige Zwecklosigkeit hindert ihr Entstehen oder lässt sie erlöschen (NZ 2000, 215 mwN). Das gilt insbesondere für unregelmäßige Dienstbarkeiten (4 Ob 551/75).

Die Utilität jener Personalservituten, deren Eintragung die Rechtsmittelwerberin begehrt, ist allein deshalb fraglich, weil sie derzeit inhaltlich gleiche Rechte als Grunddienstbarkeiten auszuüben in der Lage ist. Mit dem Verlust des Eigentums an den herrschenden Grundstücken würde sie diese Rechtsposition allerdings verlieren; die spätere Eintragung der Rechte als Personalservituten könnte sie nur in einem schlechteren Buchrang erwirken. Dass die Rechtsmittelwerberin die einzutragenden Nutzungsrechte nicht braucht, ist also bestenfalls ein vorübergehender Zustand, der nach der einschlägigen Judikatur eine an sich gegebene Utilität nicht zu beseitigen vermag (vgl EvBl 1980/22; MietSlg 44.037; WoBl 1998, 83/52; MietSlg 49.046 ua). Dass der Rechtsmittelwerberin bis zum Verlust des Eigentums an den herrschenden Grundstücken lediglich eine nicht verbücherbare Anwartschaft an den vertraglich eingeräumten unregelmäßigen Dienstbarkeiten zukäme, trifft ebenfalls nicht zu. Abgesehen davon, dass die persönlichen Dienstbarkeiten nach dem maßgeblichen Vertragswortlaut unbedingt und sofort, also mit dem derzeit erlangbaren Buchrang eingeräumt wurden, besteht ein von Anbeginn an wirksamer Vorteil für die nicht nur kraft ihres Eigentums an den herrschenden Grundstücken, sondern auch durch inhaltsgleiche persönliche Dienstbarkeiten abgesicherte Rechtsmittelwerberin darin, in ihren unternehmerischen Dispositionen nicht durch das zur Erhaltung der gegenständlichen Nutzungsrechte notwendige Festhalten an ihrem Grundeigentum eingeengt zu sein.

Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.