JudikaturJustiz5Ob90/19z

5Ob90/19z – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Juli 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj P*****, geboren am ***** 2011, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters S*****, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. März 2019, GZ 44 R 40/19m 129, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil das Kontaktrecht (§ 186 ABGB) eingeräumt werden soll oder dieses einzuschränken oder zu untersagen ist (§ 187 Abs 2 ABGB), hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab. Erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG sind dabei regelmäßig nicht zu lösen (RIS Justiz RS0087024 [T6]; RS0097114 [T6, T8, T10]).

1.2 Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des Antrags des Vaters, ihm ein Kontaktrecht zu seinem Sohn einzuräumen, durch das Erstgericht, das in der Herbeiführung einer Kontaktsituation unter den gegebenen Umständen eine Gefährdung des Kindeswohls erkannte. Dass dem Rekursgericht in diesem Zusammenhang eine für das Ergebnis relevante Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste, vermag der Vater nicht aufzuzeigen.

2.1 Der Minderjährige lebt mit seinen älteren Geschwistern bei seiner Mutter. Die Ehe der Eltern wurde aus dem alleinigen Verschulden des Vaters geschieden. Der Mutter kommt die alleinige Obsorge über den Minderjährigen zu, weil sich der Vater gegenüber den älteren Geschwistern immer wieder gewalttätig verhalten hat. Am 1. 12. 2011 verließ die Mutter mit den Kindern die gemeinsame Ehewohnung und übersiedelte in ein Frauenhaus. Seit dem gab es keine Kontakte mehr zwischen den Kindern und ihrem Vater. Der Minderjährige war damals sieben Monate alt. Die Mutter und die Kinder werden seit März 2012 in einem „qualifizierten Opferschutzprogramm“ des Innenministeriums (Bundeskriminalamt) betreut, das insbesondere den Zweck verfolgt, den Aufenthaltsort gegenüber dem Vater geheimzuhalten.

2.2 Der Minderjährige hat keine eigene Erinnerung an die Ereignisse, die die Notwendigkeit einer neuen Identität im Rahmen des „Opferschutzprogramms“ begründeten. Im nunmehr zweiten Rechtsgang (dazu 5 Ob 94/16h) steht – vom Vater unbekämpft – fest, dass die Aufnahme von Kontakten den Minderjährigen mit der Verantwortung für die Aufrechterhaltung eines wirksamen Schutzes für die Mutter und seiner Geschwister vor den vom Vater ausgehenden Gefahren belasten würde, weil er bei jedem Gespräch mit diesem darauf achten müsste, keine Informationen über die Lebensverhältnisse der Mutter und seiner Geschwister, insbesondere über deren Wohnort preiszugeben. Dass eine solche Belastung mit den Entwicklungsbedürfnissen eines Kindes im Widerspruch steht, ist lebensnah und wird vom Vater auch nicht in Zweifel gezogen, der schon in seinem Rekurs der Ansicht nicht entgegen getreten ist, dass eine solche Kontaktsituation dem Wohl eines Kindes entgegensteht. Bei dieser Sachlage bedarf es daher auch keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof, wenn das Rekursgericht die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass in Anbetracht des Alters des Minderjährigen – jedenfalls derzeit (grundsätzlich jedoch nicht für immer: RS0047950 [T7; T10]) – ein Kontaktrecht zu untersagen ist, bestätigte.

2.3 Oberstes Gebot bei der Gestaltung des Kontaktrechts ist das Wohl der Kinder (vgl Hopf in KBB 4 §§ 187–188 ABGB Rz 5). Sind die Vorinstanzen aufgrund von den Obersten Gerichtshof bindenden (dazu RS0006737; RS0007236) Feststellungen vertretbar davon ausgegangen, dass eine Kontaktsituation des Minderjährigen zu seinem Vater aufgrund der besonderen Umstände seiner Entwicklung und seinen Bedürfnissen widerspricht und damit das Kindeswohl gefährdet, kommt es auf die vom Vater in seinem außerordentlichen Rechtsmittel thematisierte Sinnhaftigkeit und Zulässigkeit des Opferschutzprogramms nicht an.

3. Mit seinem Hinweis, das Rekursgericht habe Feststellungen zu seiner Persönlichkeit bzw seinem Aggressionspotential zu Unrecht als unbekämpft angenommen, kann der Revisionsrekurswerber bei dieser Sachlage keinen relevanten Verfahrensverstoß aufzeigen (vgl dazu RS0043027 [T4]).

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Rechtssätze
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